Donnerstag, 7. Januar 2010

28. November 2009 - Hardap Damm > Windhoek, Puccini Guest House

Früh am Morgen erwachen wir in Zelten, die über Nacht glücklicherweise keinen weiteren Schauer abbekommen haben und versammeln uns zum Frühstück. Während des Essens besprechen wir den heutigen Tagesablauf, den sich jeder ein bisschen anders vorstellt. Annette und Jochen würden gerne den kleinen, angrenzenden Game Park besuchen, dessen Eintrittspreis in den Übernachtungsgebühren inkludiert ist, Patricia, Sven, Jürg und Tommi hingegen wollen so schnell wie möglich los, um nach der Ankunft in Windhoek die Zeit noch für ein ausgiebiges Shopping nutzen zu können. Heinz und ich sind etwas unentschlossen – weder eine Pirschfahrt im Hardap Game Park noch ein Souvenir-Marathon können uns wirklich reizen. Wir alle merken deutlich, dass die Luft ziemlich raus ist. Über drei Wochen lang hatten wir Wildnis pur, Tiere satt, eine wunderschöne und spannende Zeit voller Erlebnisse und unzähliger Eindrücke, die irgendwie nicht mehr zu toppen sind. Zur gemütlichen Andenkenjagden hingegen gab es leider wenig Gelegenheiten, weshalb ich gut verstehen kann, dass dahingehend noch einige Wünsche offen sind – und da nehme ich mich selbst nicht aus. Außerdem ist heute unser letzter Tag; morgen müssen wir die „Meerkat“ zurückgeben, der grüne Landy kommt in seine Garage auf der Ondekaremba Farm und es ist noch einiges zu ordnen, zu sortieren, zu säubern und zu packen. Hier, auf dem Campgelände des Hardap Ressorts haben wir einen Wasseranschluss und, vor allen Dingen, viel Platz, was im Hof des Puccini Guest House sicher nicht der Fall ist.

Aus diesen Erkenntnissen heraus ist schnell eine Entscheidung getroffen: der Besuch des Hardap Reserves wird gestrichen, jeder säubert und packt das jeweilige Zelt, das ihm in den vergangenen Wochen Schutz und Rückzugsmöglichkeit geboten hat, danach trennen sich unsere Wege für die nächsten Stunden. Patricia, Sven, Jürg und Tommi brechen nach Windhoek auf, während Annette, Jochen, Heinz und ich in aller Ruhe den Rest aufräumen und den grünen Landy weitestgehend garagenfertig machen, bevor auch wir den 240 Kilometer langen Weg in die namibische Hauptstadt antreten. Die Strecke ist rasch heruntergespult und gen Mittag laufen wir in den Großraum der Stadt ein. Dabei passieren wir den kleinen Holzschnitzermarkt in der Nähe des Eros-Flughafens, der direkt neben der Straße liegt und halten dort an. Viel ist hier nicht los – ein Regenschauer vor nicht allzu langer Zeit hat wohl alle Käufer vertrieben – ein paar der Stände sind sogar noch mit Planen verhangen, in deren Vertiefungen nun das Wasser steht. Doch bereitwillig decken die Marktleute ihre Schätze auf und wir schlendern genüßlich über das touristenfreie Souvenir-Paradies. Jetzt bin ich schon so oft in Afrika gewesen, habe fast jedes Mal etwas Hübsches mitgebracht und bin mit den Jahren natürlich immer selektiver geworden. Mittlerweile kaufe ich sehr zurückhaltend, die Kapazitäten meiner Wohnung sind ja auch begrenzt; das Stück muss, zumindest in meinen Augen, etwas ganz Besonderes sein, es muss mich extrem ansprechen – und das meine ich wörtlich. Trotz aller Zurückhaltung, es scheint wie verhext, habe ich dennoch auf jeder Reise eine Kleinigkeit gefunden und so ist es auch diesmal.

Das dicke Hippo da hinten, es spricht nicht, es schreit mich förmlich an, ist aber beileibe keine Kleinigkeit. Der Regen hat reichlich Sand an seinem unförmigen Körper hochspritzen lassen, auf seinem Rücken und der breiten Nase haften je ein Spritzer weißen Vogelkots und ich nähere mich verzückt der tonnenförmigen Holzkreatur. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die aber ernüchternd ins Trudeln gerät, als ich den Minikoloss probehalber anhebe. Bah, ist das Teil schwer! Sofort stürzt ein Verkäufer auf mich zu, der es mir gerne für einen durchaus diskutablen Preis überlassen würde. Nein, wehre ich dankend ab, das ist viel zu schwer, wie soll ich das nach Hause transportieren!? Hilfreich und verkaufstüchtig präsentiert mir der Standbesitzer noch weitere Hippos, allesamt kleiner, viel leichter, hochglanzpoliert, doch ohne den eigenartigen Charme des roh bearbeiteten Schwergewichts. Nein, vielen Dank, beharre ich, wohl wissend, dass ich dem Eisenholztönnchen wahrscheinlich nicht widerstehen werde können. Deshalb muss zuerst die Lage peilen und schauen, was Heinz so treibt, der am Nachbarstand mit einer Maske in sprechende Beziehung getreten ist. Nicht, dass wir zum Schluss das Aufnahmevermögen unseres Gepäcks total sprengen und nebenbei noch das Maximalgewicht erheblich überschreiten... Doch nein, das auserwählte Stück meines Liebsten ist nur knapp 70 Zentimeter lang, ganz schmal und ganz, ganz leicht: ein Gesicht aus hellem Holz, mit schwarzem Käppchen, schläfrigen Augen, aristokratischer Nase, spitzem Kinn und sichtbarer Zungenspitze, die keck aus schmalen Lippen ragt. Na, die beiden Stücke sollten wir wohl im Gepäck untergebracht bekommen...

Gemeinsam schreiten wir zur Tat, begeben uns in die Verhandlungsphase, was nur möglich ist, da uns Annette freundlicherweise die Vorab-Finanzierung zusagt – wir beide nämlich haben nicht einen NAM-Dollar in der Tasche. Umso mehr strengen wir uns beim Handeln an und nach zähem Ringen erzielen wir schließlich einen sehr akzeptablen Nimm-Zwei-Rabatt-Preis: statt der ursprünglich geforderten 900 NAM-Dollar zahlen wir nur noch 500 – für 10 Kilogramm Nilpferd und 66 Zentimeter Gesicht! Die beiden verwandten, befreundeten, verschwägerten oder sonst wie verbandelten Händler packen uns freudig das jeweilige Souvenir in Zeitungspapier und wir nehmen die Pakete mindestens ebenso freudig entgegen. „Wie heißt er denn?“, frage ich meinen Schnitzer und strahle ihn und das Hippo, das mich deutlich in die Knie gehen lässt, erwartungsvoll an. „Das ist ein NILPFERD!“, entgegnet der, fassungslos ob meiner unglaublichen, zoologischen Bildungslücke. „Ja, klar, ein Nilpferd, aber es muss doch einen Namen haben!“ „Ach so, ja, natürlich“, erwidert der Verkäufer, erleichtert, dass er sein Produkt nicht einer völlig Schwachsinnigen in die Hand gedrückt hat, „das ist Jacob!“ Sein Kumpel deutet daraufhin geistesgegenwärtig auf Heinz’ Maske und meint: „Und das ist Manuel!“ So soll es denn sein! Hoch erfreut machen wir uns nach einer herzlichen Verabschiedung von den spontanen Namensgebern wieder auf den Weg, zusammen mit unseren zwei umfangreichen Täuflingen, die wir erst morgen endgültig verstauen werden müssen. Gott sei Dank, denn mit jedem Kilometer, den wir uns weiter vom Markt entfernen, scheinen Jacob und Manuel größer und schwerer zu werden. Man verschätzt sich einfach leicht, wann immer man Dinge auf größerer Fläche präsentiert sieht. Wenn ich da an mein Tingatinga denke, das ich an einem weiten Strand der sansibarischen Ostküste erstanden habe – das sah dort bei weitem nicht so groß aus, wie es wirklich war; nämlich 2 Meter auf 1,20 Meter. Aber auch das habe ich heil nach Hause gebracht und ein schönes Plätzchen dafür gefunden...











Bald darauf kommen wir mitsamt unseren Schätzen beim Puccini Guest House an, läuten am Tor und werden eingelassen. Mit Müh und Not finden wir auf dem engen, zugeparkten Hof einen Platz fürs Auto und quetschen uns heraus. Wie gut, dass wir heute Morgen schon einen Großteil unseres Equipments gepackt haben; das wäre hier ein ziemlicher Akt geworden. Eine freundliche Dame heißt uns willkommen, zeigt uns unsere Zimmer, die klein, aber nett und sauber sind und wir lassen uns sofort aufs Bett fallen – zum ersten Mal nach drei Wochen. Das fühlt sich gut an, so gut, dass wir eigentlich gar nicht mehr aufstehen wollen, aber erst Mal müssen wir unsere Habseligkeiten aus dem Auto holen. Man glaubt gar nicht, wo überall man im Laufe dreier Wochen Sachen deponiert: Schuhe unter dem Autositz, diverse Fundstücke in der Vordersitztasche und im Gepäcknetz, eine Jacke hier, ein Handtuch dort. Sorgfältig suchen wir alle möglichen Stauräume ab und schleppen schließlich unsere Besitztümer in unser Zimmer, wo wir beschließen, das sei jetzt erst Mal genug der Anstrengung gewesen. Wir machen uns kurz frisch und begeben uns dann auf die schattige Terrasse im Innenhof der Pension, deren gemütliche Sofas zu einem faulen Nachmittag einladen. Bald gesellen sich auch Jochen und Annette zu uns. Gemeinsam lassen wir Momente der Reise revue passieren, beobachten die zahlreichen Vögel im Garten und vertreiben uns mit kühlen Getränken und anregenden Gesprächen die Zeit bis zum Abendessen, das wir heute zur Feier des Tages in der ehemaligen Kaiserkrone, jetzt „The Gourmet“, einnehmen wollen. Gegen 17 Uhr treffen unsere vom Shoppen erschöpften Mitreisenden ein, voll bepackt mit Souvenirs, die sie uns stolz präsentieren. Hübsche Sachen haben sie da erstanden, aber, so denke ich mir insgeheim, Jacob und Manuel sind durch nichts zu schlagen! Doch das ist eine reine Geschmacksfrage und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.





















Auch nicht über den Geschmack des Essens, das wir im Gourmet kredenzt bekommen, in welchem wir eine Stunde später zu Fuß einlaufen. Der kleine Spaziergang durch das weihnachtlich dekorierte Windhoek lässt seltsame Gefühle bezüglich der bevorstehenden Heimreise aufkommen, die aber im Innenhof des Restaurants – Draußensitzen bei lauen Temperaturen – gleich wieder in der Versenkung verschwinden. Ausgiebig genießen wir unseren letzten, gemeinsamen Abend bei opulentem und sehr schmackhaftem Essen, bevor wir uns gelöster Stimmung und mit prall gefüllten Bäuchen durch das nächtliche Windhoek wieder zum Puccini Guest House schleppen. Und jetzt ins Bett, ach, wie herrlich!

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