Mittwoch, 31. Januar 2018

30. September 2015, QENP, Ishasha > Bwindi Impenetrable NP, Buhoma Community Campsite

Kalt! Ich erwache kurz, weil mich friert, kuschle mich noch tiefer in meinen Schlafsack und rüssle anschließend wohlig umfangen weiter. Aber ich träume, ich träume heftig: laute Geräusche, brodelnes Flusswasser, wogende Bäume, Dunkelheit, infernalisches Gebrüll. Mhmmm, Afrika, Fluss, Nilpferde, schööööön – und schon bin ich wieder tief entschlummert. Irgendwann greift dann die beginnende Dämmerung nach mir, ich schlage meine verschlafenen Augen auf und sehe Heinz neben mir sitzen, gespannt aus dem Gazenetz spähend. „Wassslos?“, murmle ich. „Ach nö, sag nicht, dass du das nicht mitbekommen hast! Hier war die Hölle los! Sowas hab ich noch nie gehört!!!“ Ach, dann hab ich's also nicht nur geträumt. Es war wirklich! Was eigentlich genau?“ „Das müssen Nilpferde gewesen sein, direkt da unten. Meine Güte, da ist die Post abgegangen. Ich konnte nur nichts sehen, weil es zu dunkel war. Aber das ist durch Mark und Bein gedrungen! Und du schläfst wie ein Stein!“ „Gar ned wahr, ich hab schon a bissi was mitbekommen...!“ „Das ging über Stunden, Schneckerle, das war richtig gruselig! Bah, wie in Jurassic Park, wie von einem anderen Stern! Aber du hast überhaupt ned reagiert!“ Na ja, ich muss zugeben, dass ich das Spektakel wirklich nur am Rande mitbekommen und wohl irgendwie in meine Träume eingeflochten habe. Zwar ist es mir so nicht völlig entgangen, doch ich bedaure es sehr, es nicht bewusst und live erlebt zu haben, denn so aufgeregt, wie Heinz gerade ist, muss es ein veritables Ohren-Schauspiel gewesen sein. Jetzt aber, da die Sonne bereits aufgegangen ist, herrscht wieder Ruhe im Fluss und bis auf das Gluckern des Wassers und einem gelegentlichen Hippo-Grunzer ist nichts mehr zu hören.

Also können wir uns gefahrlos aus dem Zelt bewegen und den Morgen beginnen – natürlich mit einem deftigen Frühstück. Zu diesem Behufe steuern wir, nachdem wir das Toilettenhäuschen besucht haben, den Pavillon an - und staunen nicht schlecht: da sitzt ein verfroren aussehender Matthew auf einem unserer Campingstühle und erhebt sich steifbeinig, als er uns erblickt. „Guten Morgen! Habt ihr gut geschlafen?“, murmelt er. „Matthew, guten Morgen! Ja, haben wir. Und du? Du hast schon geschlafen, oder?“ „Nein, ich war die ganze Nacht hier und habe Wache geschoben. Die Kongogrenze...“, tut er uns mit einem vielsagendem Blick auf den Dschungelstreifen jenseits des Flusses kund. Ach Gott, der Arme! Rasch entfachen wir den Gaskocher, um dem bedauernswerten Mann möglichst schnell ein heißes Getränk kredenzen zu können. Während das Wasser langsam warm wird, erzählt er uns über sich und seinen Job und ist dabei wesentlich auskunftsfreudiger als gestern Abend. Er wollte uns nicht beunruhigen, gibt er zu – ich hatte recht mit meiner Vermutung, denn seine Aufgabe besteht tatsächlich darin, Touristen des nächtens vor eventuell drohendem Ungemach aus dem Nachbarland zu schützen. Er ist Angehöriger der Militärpolizei und extra für derartige Zwecke abgestellt, wohnt in einem kleinen Hüttchen, das ihm zur Verfügung gestellt wurde, hier in der Nähe des Camps, seine Frau und sein kleiner Sohn sind bei ihm, doch er sieht sie so gut wie nie, denn seine Schicht dauert von Einbruch der Dämmerung bis Sonnenaufgang, und das beinahe jeden Tag. Freimütig gesteht er uns auf unsere mitfühlende Nachfrage hin, das dies schon ein recht belastendes Arbeitsmodell wäre, sowohl im Hinblick auf die Familie als auch auf das eigene Schlafbedürfnis und den Biorhythmus. Verständlich! Die ganze Nacht wachen, tagsüber versuchen zu schlafen, obwohl alle anderen Menschen um einen herum mit der entsprechenden Geräuschkulisse ihrem Tagwerk nachgehen – das bedeutet mangelhaften Schlaf und zudem eine immense Einschränkung des Soziallebens. Freimütig berichtet Matthew über seine Gefühle und privaten Probleme, freut sich, dass Heinz, der ebenfalls Schicht arbeitet, ihm das besonders gut nachfühlen kann, und wir führen ein wirklich gutes Gespräch. Auch unsere Freunde sind mittlerweile aufgestanden und lauschen interessiert diesen offenherzigen Ausführungen, als sich Matthew plötzlich wieder bedeckt zeigt. Die Frage, wie gefährlich die Nähe der Kongo-Grenze tatsächlich ist, wie seine bisherigen Erfahrungen damit sind, will er partout nicht beantworten. Eilig schlürft er seinen Kaffee, bedankt sich, wünscht uns eine gute Weiterreise und verschwindet dann zwischen den Bäumen oberhalb der Campsite.

Ein Elefant kreuzt unseren Weg
Red Hartebeest
Kaffernbüffel












Kampfadler
Kaffernbüffel
Schwarzbauchtrappe









Mhm, ob er nicht drüber reden darf oder will, aus welchen Gründen auch immer? Egal – wir haben die Nacht ja unbeschadet überlebt, wurden nicht von Hippos niedergetrampelt und auch von der anderen Uferseite schwappte kein Ärger herüber. So genießen wir unser Frühstück und, da unsere Tagesstrecke heute nicht allzu weit ist, gönnen uns danach eine ausgiebige Morgenpirsch, die uns in die Ebenen südlich des Camps führt. Langsam zuckeln wir auf einem grasigen Pfad dahin und erfreuen uns bereits auf den ersten Kilometern zahlreicher Sichtungen: da sind viele Vögel, wie zum Beispiel Trappen, Zimtroller, Kronenkraniche, Weber und Amarante, die besonders bei Heinz helle Begeisterung hervorrufen. Aber auch größere Tiere lassen sich blicken – Lelwel Hartebeests, Kobs, Büffel und Elefanten. Wir schwelgen in der örtlichen Tierwelt, bewegen uns dabei immer weiter Richtung Süden und landen plötzlich an einer Weggabelung. Leider gibt es keinen Wegweiser, welcher Pfad wohin geht. Kurzerhand nehmen wir deshalb den etwas weniger befahrenen, der uns jedoch komplett in die Irre führt. Uns kommen mehrere Safarifahrzeuge entgegen, beladen mit Touristen, die wie aus dem Ei gepellt aussehen, und wenige Pfadwindungen später wissen wir auch warum: wir sind im Dunstkreis einer Lodge gelandet, deren Hauptgebäude und Gästezelte sich unter ein paar höhere Bäume schmiegen.

Die Ameisenstraße können
wir umfahren
Bei den Büffeln ...
... müssen wir mittendurch









Hurtig wenden wir und versuchen dabei, einen anderen Weg als die Lodgefahrzeuge einzuschlagen. Das scheint uns tatsächlich gelungen zu sein, denn einen Kilometer nach unserer Kehrtwende stoßen wir auf eine schwarze, sich bewegende, kurvige Linie, die unsere Fahrspur kreuzt, sich bei näherer Inspektion als ein Heer zielstrebig marschierender Ameisen herausstellt – und offenbar nicht durch todbringende Reifen unterbrochen wurde. Uih, so was ist immer interessant! Vorsichtig, um nur ja nicht in den verborgenen Ausläufern der Ameisenstraße zu parken, stellen wir unsere Autos ab und nähern uns der wuselnden Armee, die in faszinierender Zielstrebigkeit durch Gras und Sand mäandert. Riesige Soldaten mit beeindruckenden Köpfen und Kieferzangen dirigieren die Arbeiter, indem sie am Rande der Insektenautobahn stehen und sie lenken. Abtrünnige, die aus der Reihe zu tanzen drohen, werden mit beherztem Zangenwinken und notfalls auch mit Gewalt auf die Spur gebracht. Dabei sind die Soldaten allerdings nicht nur auf die Arbeiter fixiert. Sobald nämlich einer unserer Schatten auf die Schlange der wimmelnden Leiber fällt, reagieren die wachsamen Soldaten und lenken das schaffende Volk sicherheitshalber um. Phantastisch, das so detailliert beobachten zu können! Lange belästigen wir die Ameisen deshalb mit unserer Präsenz, aber auch, um herauszufinden, woher sie kommen und wie wir sie am besten umfahren können. Ah, da, drei Meter seitlich der Fahrspur, da ist der Beginn der Marschkolonne.


Behutsam steuern wir unsere Fahrzeuge um die Quelle der Ameisenleiber herum und setzen unseren Weg fort, um bald darauf auf eine riesige Büffelherde zu treffen, die sich links und rechts des Weges in die grasigen Ebenen ergießt. Tja, hier ist wohl nix mit umfahren. Also zurück oder mittendurch? Aufmerksam sondieren wir die Lage, versuchen den Gemütszustand der Tiere zu erspüren und entschließen uns dann zu einer Durchquerung der Herde. Heinz und ich machen mit Jochen und seinem Wagen die Vorhut, tasten uns ohne Eile durch die Schar der massigen Leiber, Annette wartet ab. Doch es ist völlig unproblematisch. Die Rinder sehen uns allenfalls erstaunt an, weichen die nötigen Zentimeter zurück und lassen uns problemlos passieren. Nach hundert Metern sind wir durch, parken in geringer Entfernung der Büffelherde und warten auf Annette, die sich nun ebenfalls auf den Weg gemacht hat. Und auch ihre Passage verläuft gleichermaßen friedlich. Trotzdem ist es irgendwie recht aufregend, das aus sicherer Entfernung zu beobachten; es wirkt komischerweise deutlich gefährlicher als beim Selbstdurchfahren und das, obwohl wir die Schneise schon „vorgefräst“ hatten. Doch es ging ja alles gut, die Büffel ließen uns entspannt durch ihre Herde tuckern und blicken uns nun mit stoischer Ruhe wiederkäuend hinterher.

Guereza
Furchenschnabel-Bartvogel
Senegalamarant









Unser Adrenalin in den Adern peu à peu absorbierend, setzen wir unseren Weg fort und landen am späten Vormittag erneut im Camp, wo wir in aller Beschaulichkeit die Abbauarbeiten beginnen. Und auch hier, zwischen Zeltabbruch und Kleinteilverstauung, gibt es Spannendes zu sehen: am Ufer tummelt sich eine Schar pickender Amarante, in den früchtetragenden Zweigen eines Baumes macht sich ein farbenprächtiger Furchenschnabel-Bartvogel erntend zu schaffen, ein püscheliger Pelzträger, den wir nicht genau erkennen können, klettert im Geäst der Campbäume umher und wunderschöne Colobus-Affen beobachten wie gebannt unser Treiben – und wir das ihrige. Tja, und dann sind wir abreisebereit. Wir hatten sehr gehofft, Matthew noch einmal zu sehen – doch der lässt sich verständlicherweise nicht mehr blicken. Hoffentlich schläft er schon den Schlaf der Gerechten, den er sich wirklich redlich verdient hat! Während wir das Camp verlassen und dabei die Ranger-Siedlung passieren, schicken wir ihm noch einen letzten Gruß im Geiste, dann lassen wir Ishasha hinter uns und steuern unserem heutigen Tagesziel entgegen, Buhoma Community Camp am Rande des Bwindi Impenetrable Nationalparks, unserem Ausgangspunkt für das Gorilla-Tracking.

Unterwegs ...
... ist das Wetter ...
... noch schön.









Hui, bin ich aufgeregt! Das merke ich zunehmend, je weiter wir uns von Ishasha entfernen und je näher wir Bwindi kommen. Wir sehen einen hübsch aufgeschopften Kampfadler, kreisende Geier, wunderschöne Landschaften, wir durchqueren ein malerisches Flusstal, die Umgebung wird deutlich bergiger – all das nehme ich wahr, kann es aber nicht wie sonst genießen – denn ich bin aufgeregt. Erst kurz vor Buhoma, blauschwarze Gewitterwolken dräuen plötzlich am Himmel, klärt sich meine Wahrnehmung wieder ein wenig. „Schneck, wenn ich mir das Gewölk anschaue, würde ich lieber eine feste Unterkunft beziehen, als unser Zelt aufzubauen... Bist du dabei?“ „Ja, wäre mir auch lieber, egal, was es kostet!“ Auf dem Rest des Weges beschäftigen sich meine Gedanken nun mit der Wahrscheinlichkeit, ein Dach über dem Kopf ergattern zu können, sodass meine Aufregung etwas in Vergessenheit gerät.

Malerische Landschaft
Es trübt ein bisschen ein
Das sieht bedrohlich aus!









Sorgenvoll beobachte ich die ganze Reststrecke lang das unheilverkündende Gewölk, bis wir schließlich im Community Camp einlaufen. Kaum dort angekommen, wir haben noch nicht mal die Autos fertig auf dem Parkplatz einrangiert, pladdert es auch schon los. Es gießt wie aus Kübeln, wir rennen im Eiltempo zur wenige Meter entfernten Rezeption, retten uns unter das schützende Dach und sind trotzdem patschnass geworden! Puh, die Vorstellung, bei dem Wetter Zelte aufbauen und dann auch noch drin schlafen zu müssen, zaubert sofort Gänsepickel auf unsere nasse Haut - der plötzliche Temperaturabfall aufgrund des Regens tut sein übriges... Tja, und so stehen wir nun an der Empfangstheke und hoffen auf feste Unterkünfte. Auch Gabi und Erika hatten sich bereits auf den letzten Kilometern unserer Fahrt dazu entschieden, und nun, angesichts des abschüssigen Campinggeländes und des beinahe blickdichten Regens, sind auch Jochen und Annette umgeschwenkt, was die Sache nicht einfacher macht, denn jetzt benötigen wir gleich drei Mietzelte oder Bungalows oder was auch immer! Bibbernd tragen wir der freundlichen Empfangsdame unser Ansinnen vor und senden im Stillen Stoßgebete gen Himmel, während die Lady mit gerunzelter Stirne in ihre Bücher starrt. Sie murmelt vor sich hin, schüttelt den Kopf, blättert auf eine andere Seite, streicht etwas auf einem Zettel durch und blickt dann strahlend zu uns auf: „Ja, es sind noch drei Zelte frei. Leider liegen sie relativ weit auseinander.“ Hach, gute Frau, weißt du, wie egal uns das im Moment ist?! Wir strahlen zurück und machen die Sache fix. Gut, die Zelte sind deutlich teurer als die vorgebuchten Campsites, doch bei diesem Wetter spielt das definitiv eine untergeordnete Rolle. Dankbar erledigen wir also die nötigen Formalitäten, lassen uns erklären, wo unsere Behausungen zu finden sind und flüchten uns dann ins benachbarte Restaurant, um dort erst mal den schlimmsten Regen abzuwarten.

Es schüttet wie aus Eimern
Der Wald dampft
Tja, willkommen im Bwindi









Und hier wartet sich vorzüglich! Das Restaurant ist ein großzügiges Gebäude, der Boden gedeckt mit knarrenden Holzbohlen, man wird empfangen von gemütlichen Sitzecken mit Sofas, einer langen Bar im Kolonialstil, rustikalen Esstischen und – das ist das Schönste – von einer riesigen offenen Front, von der aus man einen wundervollen (und trockenen) Blick auf den dichten Wald unterhalb und gegenüber des Restaurants hat, das an einem steil abfallenden Hang liegt. Begeistert ordern wir ein Ankunfts-Getränk und lehnen uns dann auf die Balustrade, die der offenen Front vorgebaut wurde. Unaufhörlich stürzt vor unseren Augen der Regen herab, pladdert mit lautem Rauschen auf die üppigen Baumkronen, Dampfschwaden steigen vom Waldboden auf, mannigfaltiges Vogelgezwitscher durchbricht die monotone Geräuschkulisse und wir, die wir trockene Jacken übergezogen haben, wärmen uns bei diesem Anblick allmählich wieder auf.

Während wir nun hier stehen und genießen, trudeln immer mehr Leute im Restaurant ein: da sind einheimische Guides und Porter sowie einige Touristen, die offenbar gerade von ihrer Tracking-Tour zurückgekehrt sind. Neugierig lauschen wir ihren Erzählungen – und nach einer Weile ist klar: zu dieser Jahreszeit scheint es fast jeden Nachmittag ergiebig zu regnen und die drei habituierten Gorilla-Gruppen sind in unterschiedlichen Entfernungen vom Camp gesichtet worden. Die Mubare Group ist irgendwo ganz oben in den Bergen, die Habinyanja Group treibt sich etwas unterhalb davon in nördlicher Richtung rum, allein die Rushegura Group vergnügt sich momentan unweit unseres Ausgangspunkts. Nachdenklich beäugen wir die heutigen Track-Touristen, die allesamt erschöpft, durchnässt und schlammbespritzt im Lokal erschienen sind, um sich bei einem heißen Getränk von den erlebten Strapazen zu erholen und sich ein wenig aufzuwärmen. Ihr Tenor ist eindeutig: es war toll, aber als sie endlich „ihre“ Gorillas erreicht hatten, kam da oben, in den Bergen, auch schon der Regen herunter, die Primaten waren missvergnügt, die Touristen auch, die Sicht schlecht und der Rückweg äußerst beschwerlich. Zutiefst interessiert bündeln wir das Gehörte und beschließen, unser gerade erworbenes Wissen zu nutzen, indem wir uns mit den anwesenden Trackern ins Gespräch bringen und unser Interesse an der Rushegura Group kundtun. Wohlwollend wird dies zu Kenntnis genommen und man verspricht uns, die Einteilung der Tracking-Gruppen gemäß unserer Wünsche vorzumerken, auch, wenn das in der Regel nicht üblich sei. Wir sollten uns nur morgen, eine Weile vor Tourbeginn, nochmal melden, dann ginge die Sache schon klar. Ach, das wäre echt toll!! Beinahe überkommt uns ob dieser etwas unfairen Absprache ein schlechtes Gewissen. Doch, nein, stopp! Noch ist nichts sicher und warum sollten wir uns unsere Informationen nicht zunutze machen? Andere hätten das in unserer Situation wahrscheinlich auch versucht. Und heute hatten wir das seltene Glück, direkt vor Ort und an der steuerbaren Quelle zu sitzen. So what! Obwohl sich ja noch rausstellen wird, inwieweit wir steuern konnten...


Zufrieden mit uns selbst und der Gesamtsituation, widmen wir uns erneut der Beobachtung der Welt außerhalb des Restaurants, wobei wir feststellen, dass der Regen langsam nachlässt. Nach einer halben Stunde schließt der Himmel seine Schleusen endlich komplett, die Sonne lugt vorsichtig hervor, wir wagen uns nach draußen und sammeln unser benötigtes Gepäck zusammen. Gerade wollen wir den beschriebenen Weg zu unseren Zelten einschlagen, als uns die Empfangsdame erspäht. Sie stößt einen gellenden Pfiff aus – und schon sind drei junge Männer zur Stelle, die uns unsere Lasten abnehmen und zu den Behausungen begleiten. Das nenne ich Service! Angenehm überrascht trotten wir den Jungs hinterher und staunen nicht schlecht, als diese einen Weg nehmen, einen Pfad, der sich stetig nach unten windet. Da geht’s runter ? Klar, das Community Camp liegt oberhalb eines kleinen Flüssleins, das sich tief unten im Tal durch den Wald schlängelt, dass dort unten jedoch auch Zelte installiert wurden, war uns nicht klar. Nach einigen Serpentinen erreichen wir die erste uns zugewiesene Behausung. Die gestehen wir selbstverständlich Jochen und Annette zu, denn die beiden wollen unbedingt die Küche aufbauen. Und bei dem Gewicht der Küchenkisten und dem steilen Pfad zählt jeder Meter... Das nächste Zelt, etwas weiter drunten, bekommen Gabi und Erika. Und dann bleiben nur noch Heinz und ich, die wir weiterhin hinter unserem Begleiter herklettern – bis ganz nach unten, zum definitiv letzten Zelt, ganz am tiefsten Ende des Abhangs! Super! Da ist ja schon der Aufstieg zum Restaurant ein halbes Gorilla-Tracking! Oder sollte ich besser sagen: Trekking?

Das Schlafgemach
Der Hygienetempel
Blick von der Terrasse










Seufzend fügen wir uns unserem Schicksal und nehmen das Mietzelt unter die Lupe. Aha, ein schweres Canvas-Safarizelt in lichter Raumhöhe, eine kleine Veranda, beide geschützt von einem schmucklosen aber funktionellen Wellblechdach, ein erstaunlich großzügiges Badezimmer, ein weniger großzügiges Doppelbett, ein paar Plastik-Stühle und ein kleiner Tisch. Nicht besonders luxuriös, aber durchaus sauber und unseren Zwecken angemessen: wir haben für die nächsten beiden Nächte ein Dach über dem Kopf, ein Bett und, wie wir sehen, auch genügend Wolldecken, um nicht frieren zu müssen. Und das ist gut so, denn obwohl vorhin die Sonne kurz durch die Wolken gespitzt hatte, ist es recht frisch und eine Gewisse Grundfeuchte kriecht in unsere Glieder. Ein Situation, die sich nachts bestimmt noch verschärfen wird, hier oben in den Bergen...

Wir richten uns also häuslich ein und verbringen dann einige Zeit auf der Terrasse, von der aus sich gar trefflich zahlreiche Vögel und sogar ein paar Affen (nein, keine Gorillas!) beobachten lassen. Dann senkt sich langsam die Dämmerung über uns herab und wir machen uns auf den Weg nach oben, hinauf ins Restaurant, wo wir mit unseren Freunden verabredet sind. Kuschelig eingepackt in unsere Fleece-Jacken, bekommen wir ein durchaus leckeres Drei-Gänge-Menü serviert, das unser Herz und unsere Glieder wärmt. Doch obwohl es hier sehr gemütlich ist und man bequem und geschützt den Geräuschen der mittlerweile stockfinsteren Nacht lauschen kann, beenden wir den heutigen Abend zeitig, denn schließlich geht es morgen ziemlich früh los. Und da wir ja immer noch nicht wissen, ob und welche Strapazen uns bevorstehen, sollten wir fit, ausgeruht und für alles gerüstet sein. Also begeben wir uns zu relativ früher Stunde wieder hinab in unser Tal, die einen weiter als die anderen, und gehen zu Bett. Und nun bin ich wieder aufgeregt...



Weitere Impressionen des Tages:

Ishasha Campsite
Wachsame Soldaten
Blasenkäfer









Zu durchquerende
Büffelherde
Blutschnabelweber
Witwenstelze









Unbekannter Pelzträger
Abschied von Ishasha
Östliche Vollbart-
Meerkatze

Donnerstag, 4. Januar 2018

29. September 2015; Queen Elizabeth Nationalpark, Mweya Peninsula > Ishasha Sektor

Früh am Morgen spuckt uns Morpheus wieder aus, aber wir räkeln uns noch eine Weile faul und wohlig in unseren Schlafsäcken, bevor wir aus den Zelten krabbeln und uns ein Frühstück zubereiten. Unter den warmen Strahlen der Morgensonne lassen wir uns dieses schmecken, beeilen uns dann aber, das Lager abzubauen, bevor es zu heiß wird. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team und so sind die Zelte rasch zu Boden gebracht und verpackt, die Inneneinrichtung in Taschen verstaut und das Gemeinschaftsmobiliar auf den Dächern der Autos verzurrt. Trotz aller Geschäftigkeit luge ich natürlich immer wieder auf das Plateau vor unserem Lager, denn ich vermisse die Marabus. Gerade als wir die letzten Gegenstände verräumen, schweben sie wieder ein und lassen sich ganz nah bei uns nieder. Hallo Lolas, spät seid ihr dran! Aber schön, dass ich mich trotzdem noch von euch verabschieden kann. Ich mäandere säuselnd zwischen den Störchen umher und wünsche ihnen alles Gute, als sich auch im mittlerweile leergeräumten Pavillon etwas rührt: die Mangustentruppe stattet uns einen Besuch ab! Schnüffelnd und schnuppernd, quiekend und fiepend suchen die Gustis unsere Freiluft-Behausung nach etwas Fressbaren ab, lecken hier und da ein Bröselchen auf und sausen dann weiter. Wir werden keines Blickes gewürdigt; warum auch – wir wurden ja bereits gestern gründlich inspiziert...

Abschiedsbesuch...
... dann geht Lola
Ach, wie schön! All meine Lieblinge haben sich standesgemäß von mir verabschiedet – wir können los. Und das tun wir auch. Langsam kurven wir von der gastlichen Halbinsel, überqueren die Kazinga Plains und den gleichnamigen Channel und schlagen dann den Weg in südwestliche Richtung ein, der uns nach Ishasha führen wird. Es ist eine wunderschöne Strecke, die durch beeindruckende Ansammlungen von Kandelaber-Euphorbien führt, hin und wieder einen Blick auf Lake Edward gewährt und uns mit vielen Tieren erfreut. Abgesehen von zahlreichen Kobs, diversen Vögeln und einer rasch verschwindenden Schlange, bekommen wir auch eine riesige Elefantenherde zu Gesicht. Zu beiden Seiten der Straße sind die grauen Giganten zugange – sie pflücken Blätter von Bäumen, bewerfen sich mit Staub, schubbern ihre Körper an mehr oder weniger geeigneten Stämmen; die weniger geeigneten geben dabei schon mal laut krachend nach und werden anschließend mit Genuss vollständig geplättet. Um die Euphorbien machen die Elefanten allerdings einen großen Bogen, denn natürlich wissen sie, dass die Wolfsmilchgewächse bei Verletzung einen giftigen Saft absondern, der die Haut aufs Empfindlichste reizt und die kakteenarigen Bäume zudem ungenießbar macht. Aber es gibt ja genug andere grüne Pflanzen, die den Dickhäutern offensichtlich vorzüglich munden.

Waran beim Sonnen
Schlange - zu schnell, um sie
zu identifizieren
Krone einer Kandelaber-
Euphorbie








Elefanten - von vorne ...
... von der Seite ...
... und von hinten.
Sie sind einfach überall!










Lange beobachten wir die Tiere, kommen aber trotzdem vorwärts, denn die Herde erstreckt sich über einige Kilometer entlang der Straße. Kaum jedoch sind die Elefanten aus unserem Blickfeld entschwunden, kreuzen wieder Kobs unseren Weg, ein Kampfadler sitzt auf einem Baum und lässt sein Schöpfchen im Wind wehen, eine Büffelherde suhlt sich in einem Schlammloch. Wir fühlen uns bestens unterhalten und denken, das ginge jetzt so weiter, bis wir in Ishasha ankommen. Aber weit gefehlt: plötzlich sehen wir vor uns Autos durch den Busch queren. Eigentlich nichts ungewöhnliches, doch die Autos fahren mit unziemlicher Geschwindigkeit, es sind Busse und Lkw dabei und der Busch ist nicht mehr so dicht, wie er es die letzten Stunden war. Ein Blick auf die Karte bringt keine Erhellung, doch Annette und Jochen, die ja bereits vor ein paar Monaten schon hier waren, klären uns auf: „Wir verlassen hier den Park und befahren nun eine öffentliche Transitstrecke. Irgendwann geht’s dann rechts ab und wir sind erneut im Park. Wahrscheinlich, doch so genau kann man das nicht sagen. Warum das so ist? Keine Ahnung.“ Mhm, das ist in der Tat etwas seltsam, zumal auf der Karte dahingehend nichts zu erkennen ist, aber es wird schon seine Gründe haben. Also bringen wir rasch den recht wenig aparten Transit hinter uns, verlassen wie angekündigt nach wenigen Kilometern die schlaglochübersäte Teerpiste und befinden uns abermals in deutlich naturbelassenerer Umgebung.


Waldlandschaft
Blick auf den Lake Edward
Ein Flüsschen kreuzt









Die Strecke führt uns zunächst durch eine Art Allee, dann durch lichten Baumbestand, wenig später wird der Wald dichter, ein Brücklein führt über einen Fluss, der so malerisch das Grün durchschneidet, dass wir hier eine kurze Pause machen. Danach geht es weiter, eine Gefällestufe hinab, der Wald endet abrupt und es folgt flache Savanne. Auch hier halten wir wieder, denn wir haben einige interessant blühende Pflanzen erspäht. Hah, das sind alte Bekannte, nämlich Maeruas! Diese buschigen Kaperngewächse kenne ich bereits aus Zimbabwe und bin total fasziniert von ihren fragilen Blüten, die an eine im Himmel in viele zarte Strahlen zerfallende Silvesterrakete erinnern. Schön! Und abgesehen davon ist es natürlich wie immer: sobald man aussteigt und ein wenig herumwandert, entdeckt man stets noch mehr. Unsere kurze Pause dauert also wieder mal ein bisschen länger als geplant – aber es lohnt sich wirklich! Allerdings wird Annette bald ungeduldig, denn schließlich müssen wir ja heute noch nach Ishasha und da wollen wir doch noch rumfahren und aufbauen müssen wir auch noch und überhaupt. Na, in Gottes Namen, fahren wir halt weiter!

Maerua prittwitzii
Solanum sp.
Hypoxis filiformis










Und siehe da: kurz nach Mittag kommen wir in Ishasha an, checken an einem Gate wieder ein (obwohl wir nie ausgecheckt haben) und machen uns auf die Suche nach den örtlichen Campsites. Es gibt zwei(!) an der Zahl, die wir beide inspizieren. Beide Plätze liegen direkt am Ishasha River, sind mit rustikalen Sanitäranlagen und einem Freiluft-Pavillon bestückt und sehen sehr einladend aus. Meine Reisekollegen können sich deshalb nicht entscheiden, wo wir nächtigen sollen, hüben oder drüben. Campsite Eins ist minimal ebener, Campsite Zwei hingegen etwas schattiger, dafür kann man nicht ganz so gut auf den Fluss schauen und das Ufer ist steiler. Eben? Die Campsites sind riesig und wir finden auf beiden reichlich ebenen Platz für unsere Zelte! Schatten? Hier sind überall so viele Bäume, dass ein Schattenfleck mehr oder weniger wohl nix ausmachen wird. Flusssicht? 20 Meter oder 22 Meter? Steiles Ufer? Wollt ihr baden gehen? Für mich hingegen gibt es nur ein Kriterium, eines, das mir die Entscheidung ganz leicht macht: wenn man auf Campsite Eins fährt, durchquert man eine Insel von dichten Büschen, aus denen sofort zahlreiche Tsetses hervor- und sich auf mich stürzen. Und da es hier etwas sonniger und lichter ist, schwirren sie auch auf dem Platz herum. Ich will auf Campsite Zwei, die ist tsetsefrei, Punkt! „Barbara, wo hast du denn jetzt schon wieder Tsetses gesehen?“ „Hier!!!“ So kommt es, dass wir uns schließlich auf Campsite Zwei niederlassen. Ich bin glücklich und meine Freunde, die keine Tsetses gesehen haben, sind auch zufrieden.

Unser Pavillon
Blick auf den Ishasha River
Besuch im Pavillon









Wir bauen unsere Zelte auf, richten unseren Pavillon wohnlich ein und lassen uns schließlich dort gemütlich nieder, um das Angekommensein zu genießen und die weiteren Pläne für heute zu beraten. Ishasha! Baumlöwen!!! Das ist natürlich eine Attraktion, die sich keiner entgehen lassen will – außer Heinz und ich. Mit einem kurzen, verstehenden Blick vergewissern wir uns unserer Präferenzen und tun anschließend unseren Freunden kund, dass wir beide gerne hierbleiben möchten. Okay! Wir kennen uns schon so lange, dass sich keiner über unsere Entscheidung wundert, sich keiner Sorgen macht, uns für Stunden alleine zurückzulassen, keiner befürchtet, wir könnten unser Dableiben plötzlich doch bedauern – und das tut gut. Allein Jochen ist etwas bekümmert, denn seit unserer Ankunft treibt sich ein stattliches Pavianmännchen um unsere Campsite herum, lauernd, abwartend, wagt immer wieder einen Vorstoß, ließ sich aber bis dato vom geplanten Zugriff abhalten, denn es sind ja zwei Menschenmänner anwesend. „Wenn ihr hierbleibt und der Heinz geht duschen, dann bist du allein und das könnte schwierig werden.“ Jochen hat durchaus recht, doch Heinz und ich wollen dennoch nicht auf unsere Safari-Pause verzichten. Also bleibt nur eines: ich werde dem Pavian kurz mal Mores eintrichtern, damit er weiß, woran er mit mir ist. Entschlossen nehme ich mein Gehstock-Stativ zur Hand, schreite auf den Affen zu, sehe ihm tief in die Augen, was einer offenen Provokation gleichkommt, drohe mit dem Stock – und schwupp – weg ist er. Minuten später kommt er an anderer Stelle aus dem Gebüsch geschlendert und hockt sich erneut lauernd hin. Wir wiederholen das Spiel, fünfmal insgesamt, dann ist der Pavian erst mal auf Nimmerwiedersehen verschwunden. „Du hast echt Mut!“, sagt Jochen. „Ne, wahrscheinlich hatte ich einfach nur Glück. Der hat sich wohl mit der Emanzipation schon abgefunden. Und jetzt weiß er wenigstens, dass er mir nicht dumm kommen muss!“, erwidere ich, froh über meinen Erfolg – und mindestens genauso erstaunt wie Jochen.

Einigermaßen beruhigt verlassen uns unsere Freunde nun für ihre Baumlöwen-Safari, Heinz und ich hingegen bleiben wohlig seufzend am Flussufer zurück, kuscheln uns aneinander und starren erst mal entspannt in die kleinen Wellen des Ishasha River. „Da drüben ist der Kongo. Keine 20 Meter weg von uns.“ „Mhm. Komisches Gefühl, oder?“ „Ja, aber es werden schon keine Schergen durchs Gebüsch brechen und uns kidnappen oder umbringen.“ „Nö, glaub ich auch nicht.“ „Es ist so unglaublich friedlich hier!“ „Mhmmmm!“ Entspannt sitzen wir in der Nachmittagssonne und genießen unsere Zweisamkeit, als plötzlich der Pavian wieder auftaucht. Okay, mal sehen, ob sich der Primat noch immer von mir in die Flucht schlagen lässt, jetzt, da der Großteil meiner menschlichen Schutztruppe verschwunden ist: Stock in die Hand, kurz aufstehen, dem Affenmann in die Augen sehen, eine Drohbewegung auf ihn zu – und schon flüchtet er erneut, nicht ohne einen tierisch wütenden Schrei von sich zu geben. Triumphierend setze ich mich wieder hin. Was wohl gerade im Kopf des Pavians vor sich geht? Wahrscheinlich hat er die Abfahrt unserer Gruppe mitbekommen, wollte nachsehen, ob wir wirklich alle weg sind und ärgert sich nun ein Loch in den Pelz, dass ausgerechnet ich, die stockschwingende Emanze, noch da bin. Tja, Pech gehabt, Affe! Zufrieden grinsend versinken Heinz und ich abermals im Idyll unserer schattigen Campsite mit Flussblick, verbummeln den Nachmittag mit Vogelbeobachtungen, Duschen, Wäschewaschen, kleinen Exkursionen über den Platz und dem Genießen der himmlischen Ruhe, die auch von dem zornigen Primaten nicht noch einmal gestört wird. Nicht mal dann, als Heinz beim Duschen ist und ich die Stellung alleine halten muss!

So verstreichen die Stunden in friedlicher Gemütlichkeit und langsam senkt sich die Sonne hernieder, als plötzlich ein uniformierter, schwer bewaffneter Mann auftaucht und uns freundlich grüßt. Hui, will der jetzt etwa unsere Reservierungspapiere kontrollieren? Das wäre unpraktisch, denn die befinden sich im weißen Landy und der ist ja gerade unterwegs. Nein, nein, winkt der Herr, der sich als Matthew vorstellt, ab, er sei bloß vorbeigekommen, um nach dem rechten zu sehen und sich zu überzeugen, dass bei uns alles Okay und die Lage ruhig ist. Die Lage? Ja, durchaus, der Pavian, unser schlimmster Feind, wurde in die Flucht geschlagen und alles ist gut! Matthew scheint damit zufrieden und wir beginnen ein nettes Pläuschchen mit ihm. Natürlich will er wissen, woher wir kommen, wo wir schon waren, was wir alles gesehen haben, wohin wir noch wollen und wie es uns gefällt. Bereitwillig erzählen wir alles, was uns bis dato an Schönem und Gutem widerfahren ist, was er mit großem Interesse in sich aufsaugt. Natürlich stellen auch wir ihm einige Fragen, merken aber, dass er bezüglich seiner Person, seiner Funktion und Aufgaben nicht eben redselig ist. Nun ja, muss ja nicht sein, wenn er nicht will. Trotzdem hat sich während unseres Gesprächs ein vager Verdacht herauskristallisiert, der sich jetzt, da Matthew sich zum Gehen wendet, konkretisiert. Seine Uniform, die Art der Bewaffnung und sein ständig wachsam hin und her huschender Blick ließen mich ohnehin schon vermuten, dass wir es hier mit einem Soldaten oder einem offiziellen Sicherheitsbestallten zu tun haben, als er nun aber bei der Verabschiedung kundtut, er würde wiederkommen, sei die ganze Nacht in der Nähe und wenn etwas sei, sollten wir nach ihm rufen. Aha?! Ganz offensichtlich ist er zu unserem Schutz abgestellt, die nahe Kongogrenze lässt grüßen. Und noch offensichtlicher will er uns das nicht gestehen, um uns nicht unnötig zu beunruhigen.

Wir steigen auf sein Verharmlosungsspiel ein, tun arglos und bitten ihn lediglich, bei seinen Rundgängen auf unsere bereits installierten Wildkameras zu achten und, wenn möglich, keine nächtlichen Tierbesucher zu verscheuchen, denn die würden wir ja sehnlichst erwarten. Wildkameras? Bei diesem Wort wird Matthew extrem munter und er will die Wundergeräte, von denen er mal schon gehört hat, natürlich sofort sehen. Heinz zeigt sie ihm gerne, erklärt ihm, wie die Teile funktionieren und dass es sogar welche gibt, die dem Besitzer nach dem Auslösen eine MMS aufs Handy schicken. Matthews Augen glänzen begehrlich. „Und so was könnt ihr bei euch einfach so kaufen? Die müssen ja fürchterlich teuer sein!“, fragt er ungläubig. Tja, was antwortet man da am besten? Ich meine, knapp 200 Euro für so ein Teil ist für unsereinen nun wirklich nicht die Welt, doch eben mal aus Sympathie eins herschenken ist dann auch etwas übertrieben. Und wie erklärt man schlüssig, dass man die Kameras wirklich nur zur nächtlichen Tierbeobachtung nutzt? Der vergleichsweise Reichtum von uns Touristen, auch wenn wir zuhause gar nicht reich sind, ist in ärmeren Länder immer ein gewisses Problem. Diese Wilkameras aber, genauso wie Nachtsichtgeräte und Hochleistungsferngläser, stellen für Einheimische immer wieder ein besonderes Miraculum dar, denn hierbei handelt es sich um Geräte, die auch im polizeilichen oder militärischen Bereich eingesetzt werden, sofern die Behörde sich das leisten kann. Sieht man nun simple Touristen in rein pazifistisch geprägten Betätigungsfeldern mit derartigen Apparaten hantieren, so ist das für den einen oder anderen Ranger, Polizisten oder Soldaten mehr als befremdlich, denn ihr eigener Arbeitgeber ist meist nicht in der Lage, vergleichbares zur Verfügung zu stellen. Verständlich, dass nun auch Matthew nun so reagiert, doch wir können ihm leider nicht helfen und mimen weiter die spleenigen Touristen, die wir irgendwie ja auch sind, machen wir uns da nichts vor. Zumindest aber freuen wir uns auf mehrere nächtliche Portraits von Matthew, denn derer können wir uns sicher sein: sollten auch diesmal keine tierischen Besucher kommen, so wird zumindest unser Beschützer bestimmt das ein oder andere Mal in eine der Kameras linsen...

Matthew verschwindet soeben im umliegenden Gebüsch, als unsere Freunde von ihrer Pirschfahrt wiederkehren. „Na, hattet ihr einen schönen Nachmittag? Wer war der Typ, der da grade gegangen ist? Wollte der Papiere sehen? Ach ja, und ihr habt eine gute Entscheidung getroffen, wir haben nämlich keine Baumlöwen gesehen und auch sonst nicht viel anderes. Aber jetzt haben wir Durst. Und Hunger!“ So beginnt und endet dieser Abend, wie ein Abend in der afrikanischen Wildnis beginnen und enden sollte: wir gönnen uns einen Sundowner, entfachen das Lagerfeuer, bereiten das Essen, genießen es und quatschen uns anschließend in eine Nacht, die diesmal vom friedlichen Gluckern eines Grenzflusses, den heimeligen Geräuschen der tierischen Bewohner eines üppigen Galeriewaldes und den leise raschelnden Schritten eines unsichtbaren Bewachers namens Matthew begleitet wird. Als wir schließlich alle in den Zelten verschwunden sind, hören wir ihn, wie er es sich in unserem Pavillon bequem macht...


Weitere Impressionen des Tages:

Beim Frühstück
Kadelaber-Euphorbie
Demonstratives Abwenden









Büffel beim Bad
Schön, so 'ne Suhle!
Neugieriges Büffelkind

Beim Schlammtrocknen
Das Schöpfchen des Adlers ...










... weht im Wind
Malerisches Flüsschen
Fischadler









Auf der Brücke
Hammerkop
Kronenkraniche









Senna occidentalis
Emilia coccinea
Cycnium tubulosum











Wenn man genau hinschaut:
eine Blumenwiese
Lelwel-Hartebeest-Familie










Bei Ishasha
Bei Ishasha
Bei Ishasha