Samstag, 8. Dezember 2007

Reisebericht Botswana-Sambia: 27. April – 22.Mai 2007

Die Vorgeschichte zu Reise 16

Afrika ist wie ein Magnet, der mich ständig anzieht. Wenn irgend möglich, gebe ich dieser Anziehungskraft einmal im Jahr nach. Für 2007 hatte ich noch keine konkreten Pläne und ich wusste auch nicht so recht, mit wem ich fahren sollte. Meine langjährige Reisepartnerin, mit der ich schon viele Touren unternommen hatte, war ausgefallen, ganz alleine wollte ich nicht und eine Gruppenreise war nicht wirklich nach meinem Geschmack. Zwar hatte ich mich näher mit Äthiopien-Touren beschäftigt, aber nichts nach meinem Gusto gefunden. Entweder waren die Touren fast rein auf Kultur ausgerichtet, was auch das heftige Bestaunen „Eingeborener“ beinhaltet oder sie stellten sich sehr trekkinglastig dar. Beides nix für Mutters Jüngste. Die Vorstellung, drei Wochen mit einer Horde kulturbeflissener Dr. Schönfärbers, Ethno-Voyeuren oder gemsenartiger Uphill-Asketen unterwegs zu sein, brachte mich ganz schnell wieder von dieser Idee ab. Aber es war ja noch früh im Jahr, meine geplante Reisezeit der Herbst und bis dahin würde sich schon noch was ergeben.

16. Februar: Meine Freitag-Abend-Verabredung hatte mich versetzt und angesichts der unverhofft freien Zeit wendete ich mich meinem nächsten Projekt zu, den Reisepartnerbörsen im Internet. Von diesen gibt es, wie ich lernen durfte, verschiedene Kategorien, in denen sich sehr unterschiedliche Spezies tummeln. Vom sich jüngermachenden Lustgreis, der blondes Knackfleisch für sein Luxusdomizil an der Cote d’Azur sucht über rastalockige Fast-Noch-Kinder, die sich für kiffende Kumpel auf Koh Phangan interessieren bis hin zu aufgestrapsten Jungsusies, die sich nicht allein nach Malle trauen, ist hier alles zu finden. Fast wollte ich schon entmutigt aufgeben, als mir da was ins Auge sprang. Ein Münchner Ehepaar (Annette und Joachim Louis, www.africa-wildtours.com) mit eigenem Landy in Windhoek suchte für eine dreieinhalbwöchige Botswana- und Sambia-Zelttour noch Mitreisende. Der Tourverlauf, die Reiseart und der private Charakter – mit maximal 4 Mitreisenden würde auch ich mich committen können – sagten mir derart zu, dass ich sofort eine „Bewerbung“ per E-Mail vom Stapel ließ. Am Samstag hatte ich positive Antwort, am Mittwoch ein Treffen mit Annette, Joachim und den beiden anderen Mitreisenden, am Donnerstag die Flüge in der Tasche und zwei Monate später saß ich im Flieger, auf dem Weg zu meiner 16. Afrikareise.
Alle Bilder © Bariez.com, Bilder © Louis sind separat aufgeführt

Die Reiseroute im Überblick

27. April
Ankunft in Windhoek, Übernachtung Campsite Ondekaremba
28. April–30.April
Grenzübertritt nach Botswana, Fahrt ins KD I (KAA Kalahari Concession Area), Erkundungsfahrten
30. April–3. Mai
Kalahari Transfrontier Park, Mabuasehube Section, Mabuasehube Pan, Lesholoago Pan, Bosobogolo Pan
3. Mai

Fahrt nach Ghanzi, Übernachtung
4. Mai– 6. Mai
Maun, Audi Camp, Versorgungs- und Relaxstopp, Mokorofahrt und Walking Safari Okavango Delta
7. Mai–10. Mai
Moremi Wildlife Reserve, Third Bridge, Xakanaxa, North Gate
10. Mai–11.Mai
Chobe National Park, Savuti
12. Mai
Chobe NP, Linyanti
13. Mai
Chobe NP, Ihaha
14. Mai–16.Mai
Grenzübertritt nach Sambia, Livingstone, Besuch der Vic Falls, Übernachtung Maramba Lodge
17. Mai
Grenzübertritt nach Namibia, Popa Falls
18. Mai
Fahrt Richtung Windhoek, Übernachtung Farm bei Otavi
19. Mai
Ankunft Windhoek, Übernachtung Campsite Ondekaremba
20. Mai
Flug nach Johannesburg
20.–22. Mai
Frieren, Shoppen und Abhängen in Johannesburg, Heimflug

27. April 2007 – Ankunft

Frühmorgendliche Ankunft in Johannesburg und ich betrat zum ersten Mal nach 8 Jahren wieder südafrikanischen Boden. Die letzten Jahre hatte ich das Land gemieden, weil mir dessen steigende Reisepopularität und das daraus resultierende zunehmende Neckermanngewimmel einfach zu viel wurden und mich statt dessen auf Ostafrika konzentriert. Ich staunte nicht schlecht: der ehemals fast provinziell anmutende Jan Smuts International Airport war zu einer eigenen kleinen Stadt namens OR Tambo mutiert. Ein supermoderner Riesenkomplex in Hochglanzoptik, an dem immer noch eifrig gebaut wird - in freudiger Erwartung der Fussball-WM 2010. Schön anzusehen, aber die Logistik funktionierte leider noch nicht so ganz und tut’s wohl immer noch nicht. Gott sei Dank hatte ich mit 5,5 Stunden eine reichlich bemessene Umsteigezeit. Die Immigration ging flott vonstatten, aber mein Gepäck hatte ich erst zweieinhalb Stunden nach Ankunft in der Hand. Doch immerhin war es da, ein wunderbares Gefühl besonders dann, wenn man schon mal das Vergnügen hatte, vier Wochen Zelturlaub OHNE eigenes Gepäck verbringen zu dürfen. Also freute ich mir die verbleibende Wartezeit kurz und enterte alsbald den Flug nach Windhoek, wo mich Annette und Joachim herzlich in Empfang nahmen. Wir fuhren zur Ondekaremba Farm, wo das Lager für die Nacht bereits aufgeschlagen war. Ein spannendes Gefühl, dreieinhalb Wochen Afrika mit zwei bzw. drei Personen vor sich zu haben, die man erst ein einziges Mal gesehen hat. Spannend, aber nicht unangenehm!

Prickelnd auch das Gefühl, wieder in Afrika zu sein, wenngleich es für die erste Nacht „nur“ Namibia ist, dem nicht meine große Liebe gehört (Namibia-Fans mögen mir verzeihen). Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich das Deutsche in Tun, Gebaren und akzentfreier Sprache dort hält und, das muss ich gestehen, es befremdet mich ganz arg, Kolonialgeschichte hin oder her. Auch die Ondekaremba Farm gehört Ex-Deutschen, die die duitse taal praaten, als wären sie gerade erst vor drei Monaten ausgewandert. Der eine mag’s, der andere nicht, so ist es halt.

Wir bekamen vom deutschen Gen Namibias auch erst mal nicht viel mit, denn wir nächtigten auf der neu errichteten Campsite 2, direkt am Ufer eines Trockenflusses, weit weg von den Lodgegästen und deren Beherbergern. Als die ersten Bewohner dieser neuen Campsite durften wir den Wasserhahn und die Braaistation einweihen, den frisch geharkten Sand mit unserem Begleitgepäck und den Zelten entweihen. Die Klo- und Duschhäuschen waren noch im Bau, somit also nicht benutzbar. Solange noch Tageslicht herrschte, konnte man den 5-Minuten-Weg über die fast jungfräulichen Brückenbohlen, das gepflegte Bushland durchquerend, hinüber zum Klo der Campsite 1 noch auf sich nehmen, aber bei einbrechender Dämmerung war dann doch einem nahen Gestrüpp der Vorzug zu geben. Ganz nach meinem Geschmack, das Gestrüpp, den offenbar auch Annette und Jochen uneingeschränkt teilten. Ein guter Anfang. Wir verbrachten unseren ersten gemeinsamen Abend plaudernd am Lagerfeuer, wärmten uns kennenlerntechnisch von vorne auf, während die Körperrückseite zusehends abkühlte. Ist halt doch arschkalt im beginnenden namibischen Winter... Gegen 22.00 Uhr krochen wir dann fröstelnd in unsere Stoffhäuschen, kuschelten uns ein und schliefen unserer Tour entgegen.

28. April – Windhoek-Richtung KD1

Es war echt frisch die Nacht, so um die 5 °C, und ich hatte länger gebraucht, mich auf meiner Matte, in meinem Schlafsack so hinzudrapieren, dass mir nicht kalt war. Danach war alles gut. Nicht weiter verwunderlich, denn ich bin ein Stein-Schläfer-Typ; man könnte neben mir eine Bombe zünden und ich würde wahrscheinlich nicht mit einer Wimper zucken. Viel erstaunlicher ist das: zuhause bin ich ein Nachtlicht, gehe spät ins Bett und quäle mich aus selbigem, um wochentags pünktlich um 11 Uhr im Job zu erscheinen. Am Wochenende kann ich, wenn nichts zu Erledigen ansteht, problemlos bis 15 Uhr durchschlafen, ohne auch nur einmal aufzuwachen. Sobald ich ein Bein auf den afrikanischen Kontinent setze, ist das anders. Die Abend-Dämmerung ist keine, wie man sie bei uns kennt – die Sonne macht schwupp, weg ist sie und es ist stockfinster. Und schon habe ich den Drang, mich in meinen Schlafsack zu püscheln. Schwupp, kaum ist die Morgendämmerung da, muss ich raus; ekelhaft gut drauf und ohne die geringste bettschwere Wehmut.

So treffen wir drei uns des Morgens wieder am Aluminium-Klapp-Tisch (eigentlich hätte ja noch ein weiterer Mitreisender mit uns dort sitzen sollen, doch Daniel konnte leider wegen einer akuten, schweren Krankheit nicht dabei sein). Gemütliches Frühstück in der frühen Morgensonne, die nach der furzkalten Nacht so wohlig wärmt, Zelte abbauen, alles ordnen, verstauen und rein in den Landy, um uns auf den Weg nach Botswana zu machen. Mich zerreißt es fast vor Vorfreude! Doch gemach, gemach. Es ist ein weiter Weg, den wir uns heute vorgenommen haben und es sind noch ein paar existentielle Besorgungen wie Klopapier, Tee, Spülmittel, Chilisauce, Wein und Bier zu machen. Es ist Samstag und wir haben 2 Möglichkeiten: 40 km zurück nach Windhoek oder straight ahead und auf dem Weg einkaufen?

Wir entscheiden uns für letzteres, denn da sind noch ein paar Käffer auf der Strecke zum Grenzübergang; Gobabis ist das größte davon. Könnte allerdings sein, dass dort schon alles closed ist, wenn wir Mittags rum ankommen. Aber da sind ja noch mehr Orte on the way, nur, ob es dort einen Shop gibt, steht in den Sternen. Wer Namibia-Karten kennt, weiß, wovon ich spreche: es gibt Orte, die bei uns unter die Rubrik „Einöd“ fielen und allenfalls auf 1:50.000-Karten vermerkt wären, nicht aber auf auf einer im Maßstab 1:1.000.000. Anders in Namibia. Da sind Ortschaften ein rares Gut, folglich wird jede akribisch vermerkt. So ein Ort ist Witvlei und wir halten dort an, um zumindest das Wichtigste vom Wichtigen zu erwerben, bevor uns in Gobabis eventuell der Supermarkt vor der Nase zumacht. Schon beim Reinfahren sehen wir, dass wohl der ganze kleine Ort auf Achse ist. Der eine Teil der Bevölkerung auf einer Beerdigung, der andere auf einer Hochzeit. Ein paar Ortsbürger waren offenbar nicht eingeladen worden und können uns den Weg zum örtlichen Shop beschreiben, der sogar offen hat und besetzt ist. 2 Rollen Klopapier, Spülmittel, Tee und ein paar Bier, mehr bekommen wir nicht und haben doch fast den Shop leer gekauft. Bei unseren Einkäufen assistiert uns, völlig unnötig, eine örtliche Saufnase in der Hoffnung ein Bier spendiert zu bekommen. Bevor wir uns streiten, verbuchen wir den Beistand einfach unter namibischer Freundlichkeit und übereignen dem armen Schlucker eine Flasche Gerstensaft, was ihn übers ganze Gesicht strahlen lässt.


Wir düsen weiter nach Gobabis, wo tatsächlich noch alle Geschäfte offen haben, erledigen die Resteinkäufe und erreichen wenig später perfekt ausgestattet die Grenze nach Botswana. Die Grenzbeamten sind uns wohl gesonnen, so dass die Formalitäten schnell erledigt sind. Endlich sind wir in Botswana und ich bin so beglückt darüber, dass ich zur Feier einen „early click“ machen muss. Diesen Begriff haben meine Freundin Ute und ich geprägt und er bedeutet nichts anderes, als weit VOR Sonnenuntergang eine Dose Bier zu öffnen und natürlich auch auszutrinken. Ganz im Gegensatz zu dem so beliebten Sundowner, der BEI Sonnenuntergang stattfindet.

Das Auto bekommt natürlich auch noch eine Betankung, bevor wir bei Charles Hill auf die Gravel Road Richtung KAA und somit in dieselfreies Gebiet abbiegen. Wir fahren, soweit uns die Reifen rollen und es noch einigermaßen hell ist. 20 km vor Kule schlagen wir uns links in die Büsche und errichten das Nachtlager. Nach dem Abendessen drapieren wir uns gemütlich im Halbkreis ums Lagerfeuer und beobachten den Verkehr. Etwa alle halbe Stunde kommt ein Auto vorbei; diese Frequenz ist noch deutlich zu hoch und wir freuen uns schon auf morgen, auf die wahre Einsamkeit.
Bild 2 © Louis

29. April – KD1 – Masetleng Pan

Früh raus, Frühstück, weiter geht’s. Wir passieren Kule, Ncojane, ein paar Viehkraals und fremdenfeindliche Hunde, bis alsbald die sehr gut zu befahrende Gravel Road abrupt in eine Sandstraße übergeht. Die ist dann nicht mehr ganz so kommod, aber noch lange keine 4x4-Herausforderung.




Bald darauf erreichen wir den offiziellen Eingang zum KD1, der sich lediglich durch ein Schild zu erkennen gibt. Niemand will Geld, kein Mensch kontrolliert uns, auch nicht als wir die letzte Siedlung, Ukhwi, passieren. Jetzt wird es richtig einsam, so einsam, dass sogar Hasen tot umfallen, wenn sich ein Auto nähert. Bis heute wissen wir nicht, was wirklich passiert ist, aber es wäre zumindest eine einigermaßen plausible, wenn auch immens dichterische Erklärung für das leblose Langohr: die Straßenführung ist sehr gerade, das Gelände übersichtlich und wir sehen schon einige Zeit vorher, dass da was ist. Könnte auch ein Schatten oder ähnliches sein, denn es bewegt sich nicht, als wir näher kommen. Auch nicht, als wir direkt daneben anhalten. Es ist ein Hase, dahingestreckt im vollen Lauf, die Augen klar, der Körper ohne sichtbare Verletzungen und nicht eine Fliege auf dem Kadaver. Wir staunen sehr, vergessen dabei, ein Foto zu machen und fahren philosophierend weiter.

Alsbald überkommt uns der Hunger und die Küche in Form von zwei Kisten, einer Gasflasche und eines zweiflammigen Herdes wird da errichtet, wo es am sichersten ist. Am sichersten vor ungebetenem Gekräuch, sprich Schlangen, und ungewolltem Funkenflug, der rasch das trockene Gras in Brand setzen würde – auf dem Mittelstreifen der Fahrbahn. Wenn denn ein Auto kommen sollte, wir würden es früh genug sehen und die Spur räumen können, aber es kommt natürlich keines.

Gestärkt tuckern wir weiter und erreichen die Western Woodlands, einen Landstrich, der fast märchenhaft erscheint in seiner unvermuteten Andersartigkeit. Man fährt durch wogendes Trocken-Grasland, dichtes Bushland und plötzlich, von einem Meter auf den anderen, tut sich ein Wald auf. Hochstämmige Akazien stehen in Gruppen umher wie tuschelnde Frauen, werfen ihre Schatten auf völlig unterwuchsfreien, niedriggrasigen Boden. Wir sehen die ersten Wildtiere – eine kleine Herde Hartebeests, diverse Greifvögel, Riesentrappen – und halten an, um die Magie der Umgebung zu genießen. Plötzlich sehe ich aus dem Augenwinkel, in weiter Entfernung, eine Gruppe von Tieren davonlaufen. Da sind Hunde, rufe ich, denn das ist der Eindruck, den der Laufstil, die Formation bei mir wachgerufen hat. Annette hält geistesgegenwärtig mit der Kamera drauf, aber bis heute (das nächste Rätsel) können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob es wirklich Wildhunde waren. Alles deutet darauf hin, allein die Gewißheit fehlt uns, aber das macht gar nichts.

Wir fahren weiter und ein paar Kilometer nach unserem Stopp geht der feenhafte Akazienwald wieder in das übliche Bushland über, das alsbald den Blick auf unseren gedachten Übernachtungsort freigibt: die Masetleng Pan. Eine topfbodenflache kreisrunde Ebene, völlig ohne Bewuchs, die uns mit trotzig-weißem Auge aus der grün-beige-roten Landschaft entgegenstarrt. Eine typische Erscheinung für die Kalahari, deren Boden nicht nur aus durchlässigem Sand besteht. Überall gibt es da Vertiefungen, in denen sich bei Regenzeit das Wasser sammelt, hält, Salze herauslöst und wieder verdunstet. Ergebnis sind die sogenannten Salzpfannen, gleißend weiß, betonhart, weitestgehend unfruchtbar und trotzdem bewohnt und durchquert von vielen Tieren, die deren Übersichtlichkeit zu nutzen wissen. Wir suchen uns am Rande dieses Miniatur-Kraters ein geeignetes Fleckchen zum Übernachten und gehen bald zu Zelt, denn es ist extrem kalt, nicht weit vom Gefrierpunkt entfernt. Heute gibt es auch keinen Verkehr zu beobachten; genau so, wie wir erwartet und gehofft hatten!

30. April - KD1, Mabuasehube

Wir sind alle recht gut ausgerüstet, aber heute Nacht war es so kalt, dass es fast unmenschlich erscheint, sich aus den mühsam angewärmten Schlafsäcken, Zelten und sonstig kuschligem Zubehör zu schälen. Doch wir sind in Afrika, unhaltbare Frühaufsteher mit unstillbarer Neugier, drückender Blase und ordentlich Tagesstrecke vor uns. Sie war toll, diese frostklare, einsame Nacht, begleitet von Schakalgeheul und vielen anderen Geräuschen, aber wir wollen weiter. Unser heutiges Ziel ist der KTP, genauer die Mabuasehube Section und da liegt noch einiges an Strecke vor uns. Genauer: Sandpad mit ordentlich Trockengras zwischen den Reifen.

Die Straße ist relativ gut zu befahren, wir wechseln immer wieder zwischen den zwei verfügbaren Spuren, mal hört die eine auf, mal die andere, nur eines bleibt: kühlergrill-hohes Gras zwischen der Radspur. Ein Spelzenschutznetz, gespannt vorm Grill, verhindert das Eindringen von Brennbarem in den Motorraum, doch auch unter dem Auto will hin und wieder kontrolliert werden. Da konzentriert sich einiges an Entflammbarem in diversen Nödel-Dödel-Dreh- und Kardan-Wellen, was von fachkundiger Joachim-Hand entfernt wird. Somit werden wir nicht in Flammen aufgehen; brennen darf nur unsere Leidenschaft für Afrika!

Gegen Mittag dann erreichen wir Hukuntsi, sozusagen das Tor zum KPT, tanken nochmal auf, lassen die Zivilisation samt der letzten Meter Teerstraße hinter uns und biegen auf die Tiefsandstrecke, die uns 140 km später durchgeschüttelt und verstaubt am Mabuasehube Gate wieder ausspuckt. Rasch sind die üblichen Formalitäten erledigt und wir kommen am sehr späten Nachmittag endlich auf unserer gebuchten Campsite an der Monamodi Pan an. Dort aber hat sich leider schon eine Gruppe lärmender Südafrikaner breit gemacht und den obligatorischen Ausrüstungswahnsinn überall verteilt. Sie erklären uns gespielt-bedauernd, sie hätten auch eine Buchung für diesen Platz. Schuld an dieser angeblichen Doppelbuchung seien die Schwarzen, die die Reservierungen handlen, erklären sie uns. Schon recht, ihr Burengschwerl, denken wir uns und ziehen einfach auf die zweite Campsite, die allerdings weder Klo noch Dusche zu bieten hat. Und komisch, dort steht noch niemand...

Doch was soll’s, wir lassen uns die Laune nicht verderben, läuten den Abend mit einem Sundowner-Castle ein und fahren runter an die Pan. Viel allerdings tut sich da nicht. Ein paar Täublein und andere Vögel an der Tränke, einige Springböcke, ansonsten ist es wie ausgestorben. Als es schon fast dunkel ist, hoppelt noch eine braune Hyäne über den Pfannengrund. Ein schönes Erlebnis, vor allen Dingen, weil es für uns alle das erste Mal ist, dass wir eines dieser seltenen, vom Aussterben bedrohten Tiere in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen. Eine Weile lauschen wir noch ihrem Lachen, das um einiges dreckiger klingt als das ihrer getüpfelten Kollegen, bevor wir den Abend gemütlich am Lagerfeuer ausklingen lassen. Die benachbarten Südafrikaner kann man, der Entfernung der beiden Campsites sei Dank, kaum hören. Ein wenig enttäuscht sind wir dennoch alle, denn wir hatten uns Mabuasehube doch deutlich einsamer und unzivilisierter vorgestellt.
Bild 1 © Louis

1. Mai – Mabuasehube

Wir frühstücken gerade gemütlich, als die Südafrikaner im Konvoi durch unser Camp gefahren kommen, um sich generös von uns zu verabschieden. Tschüß auch! Nach dem Lagerabbau fahren wir los, mit vielen Schlenkern Richtung Lesholoago Pan, machen einen Abstecher zur Mpayathutlwa Pan, wo gestern, laut Besucherbuch, Löwen gesichtet wurden. Doch die sind leider schon weg, nur ihre relativ frischen Tatzenspuren entdecken wir noch. Mir bleibt fast das Herz stehen, als Annette aus dem Auto steigt und den Abdrücken entdeckungsfreudig hinter die nächste Buschgruppe folgt. Joachim scheint auch etwas irritiert, doch Annette hat Glück: hinter den Büschen sind lediglich noch mehr Büsche! Ein bisschen üppiger dürfte es faunatechnisch allerdings schon gerne sein; außer Schakalen und Springböcken läßt sich nicht viel blicken. Dafür ist die Landschaft wunderschön und als wir mittags an der Lesholoago Pan ankommen, steht niemand auf unserer Site, nur ein paar gschaftige Erdhörnchen demonstrieren, wer hier eigentlich wohnt.

Als wir anfangen, unser Mittagessen zuzubereiten, steigt ihr Interesse an uns. Auch der schattenspendende Baum, unter dem wir unseren Tisch aufgestellt haben, füllt sich zunehmend mit Gelbschnabeltokos, die uns scharf im Auge behalten. Und es wird jede Chance ergriffen, einer Gurkenschale oder sonstiger Krümel habhaft zu werden oder uns einfach nur von oben auf den Tisch zu kacken. Sobald wir geluncht haben, erlahmen sowohl Interesse als auch Darmtätigkeit deutlich. Am Pfannenrand erscheint eine Herde Springböcke, an die Joachim sich vorsichtig heranpirscht. Leider hat er eine laut raschelnde Hose an, da hilft das leiseste Schleichen nicht; die Springböcke machen ihrem Name alle Ehre und gummiballen ein paar Meter weiter. Eine Einzeloryx spaziert über die Pfanne, ansonsten geht der Nachmittag gemächlich vorüber.

Das mag sich total boring anhören, aber es ist alles andere als das! Wir thronen direkt am Pfannenrand, keine anderen Menschen weit und breit, der Blick kann schweifen, soweit das Auge reicht, die Ruhe ist Balsam für die Seele. Abends geht ein riesiger Vollmond hinter einem toten Baum auf, auf dem malerisch ein Greifvogel sitzt, die Sonne senkt sich farbenfroh hinter die einzige Akazie, der Wind des Tages legt sich, die Geräusche der Nacht sind zu hören. Kilometer weit weg, am anderen Pfannenrand, tasten sich Autoscheinwerfer durch die Dunkelheit, bleiben stehen, ein Lagerfeuer leuchtet irgendwann und wir wissen, das sind die, die auf der zweiten Lesholoago Campsite nächtigen - so habe ich mir Mabuasehube eher vorgestellt! Diese Glückseeligkeit nehme ich heute Nacht mit in mein Zelt.

2. Mai – Mabuasehube

Kurz vor sieben geht die Sonne da auf, wo gestern noch der Mond stand, taucht die Pfanne in warmes Licht und auch das einzelne Hartebeest, das über den Pfannengrund schlendert, genießt die wärmenden Strahlen. Es ist ein Bock und man sieht, dass er angespannt ist. Bald darauf taucht ein zweites Exemplar auf, fast als hätten sie sich verabredet, und es beginnt ein Duell unter Männern. Zwei Böcke, die mit festen Demonstrationsritualen ihren Standpunkt klar machen, um ihn dann im kurzen Kampf zu vertreten, immer wieder. Groundhorning nennt der Biologe das, was wir geboten kriegen. Ein Gegner kniet sich nieder, reibt seinen Kopf im Sand: Das will ich mit dir machen, Widersacher! Zu Boden mit dir, ich mach dich fertig! Der andere fühlt sich provoziert und schon scheppern die Gehörne aufeinander; man trennt sich, das Spiel geht von vorne los, der andere Bock provoziert. Nach Ewigkeiten des Kräftemessens geht einer der Böcke scheinbar desinteressiert aus dem Ring, der andere folgt ihm, als wäre nichts gewesen, doch bald schon hören wir wieder das Krachen aufeinanderprallender Schädel. Genau so stelle ich mir Frühstücksfernsehen vor!

Tage könnte ich hier noch aushalten, doch wir haben für die nächste Übernachtung eine andere Pan gebucht. Also nix wie hin, natürlich mit Schlenkern über andere Pfannen. Und es tun sich wieder Landschaftsbilder auf, die einfach nur unendlich weit, schnörkelreduziert und gigantisch schön sind. Ein paar Gauckler zieren den Himmel, ein paar Streifengnus schmücken die Landschaft - und mittendrin wir.



Mittags kommen wir voller Eindrücke an der Bosobogolo Pan an und werden dort von zahlreichen Tieren empfangen. Auf der Pfanne, in weiter Ferne stehen Oryxantilopen, an der Einfahrt zur Campsite wachen Erdmännchen und direkt auf dem Platz tummeln sich Tokos, Rotbauchwürger, Laubsänger, Erdhörnchen und Eidechsen. Nach einer sehr kurzweiligen Siesta brechen wir zur Abendrundfahrt um die Pfanne auf und landen nach wenigen Kilometern beinahe mitten in einer großen Oryxherde, die auf dem Weg zum Pfannengrund ist. Wir lassen die ganze Herde dieser majestätischen Tiere fast in Streichelweite an uns vorbeiziehen und genießen das Schauspiel. Ein pastelliger Sonnenuntergang beschließt diesen Traumtag, an dessen nächtlichem Ende wir auch noch von einem Löwen in den Schlaf gebrüllt werden.
Bild 1, 2 © Louis

3. Mai – Mabuasehube nach Ghanzi

Früh schon brechen wir heute unser Lager ab, denn unser Tagesziel ist das ca. 450 km entfernte Ghanzi; davon sind zwar 300 km geteert, aber auf uns warten ja zuerst mal die geliebten 140 km Sandpiste bis Hukuntsi. Kaum haben wir Mabuasehube verlassen, zahlt es sich aus, dass wir so zeitig dran sind: eine Kolonie Erdmännchen hält uns auf. Die wuseligen Kerlchen verschwinden in ihren Bauten, als wir uns nähern, aber ganz dreist parken wir direkt vor einem der Löcher. Minuten später treibt die Neugierde die Schleichkatzen wieder an die Oberfläche. Sie sind zum Greifen nahe und so putzig, dass ich sie anbeißen könnte.





Eine Pinkelpause beschert uns dann den Grund zur nächsten Verzögerung. Bei derartigen Verrichtungen kommt man, gerade als Frau, dem Boden recht nahe und dort läßt sich so viel entdecken, dass wir eine Extrastunde Studien der Kalahari-Botanik betreiben. Man gönnt sich ja sonst nichts!


Stunden später haben wir dann doch endlich die Sandpiste hinter uns gebracht und rollen weitestgehend erschütterungsfrei weiter nach Ghanzi, wo wir unsere Zelte im Thakadu Camp aufschlagen. Achtlos werfe ich ein Taschentuch in die hüfthohe Mülltonne unserer Campsite, woraufhin seltsame Geräusche aus deren Tiefen ertönen. Eine knopfäugige Rennmaus hat sich offenbar bei der Nahrungssuche verirrt und sitzt nun verängstigt zitternd neben meinem Taschentuch. Um das arme Tier nicht noch mehr zu stressen, schalte ich meine Taschenlampe aus und entlasse sie durch ein langsames Umlegen der Tonne in die Freiheit.

Nach dem Abendessen wartet das nächste Tiererlebnis auf uns. Ich sitze gerade auf den Stufen der campeigenen Barterrasse, als sich ziemlich unbekümmert ein Löffelhund nähert. Vor lauter Begeisterung muss ich ihn, völlig unsafarimäßig, anmäuseln. Flugs trabt er auf mich zu und schnüffelt an meinem ungewaschenen Knie. Ganz vorsichtig, mich schon deutlich wundernd über sein Verhalten und seine Figur, die einer prall gefüllten Wurst auf vier Schaschlikstäbchen ähnelt, halte ich ihm meine Hand zum Schnüffeln und Kennenlernen entgegen. Ein feuchtes, kühles, schwarzes Näschen drängt sich an meine Finger, die mutiger werden und das Schnäuzchen versuchsweise antupfen. Das Löffelhündchen darauf nicht ausrastet oder gar zuschnappt, sondern an mein Wadl stupst und meine Hand mit seiner Zunge liebkost. Annette kommt herbeigeeilt, fasst ihm beherzt ins Nackenfell, 12 Schweizer, die reichlich besoffen auf der Terrasse sitzen, werden auch aufmerksam und verscheuchen ihn dann, indem sie ganz erregt wuselnd auf uns zustürmen und lauthals kundtun, dass sich ein „Schakkall by dr blunda Frou“ befände. Diese Banausenhaftigkeit ist dem Löffelhund, völlig zurecht, einfach zu viel.

Natürlich weiß ich sehr wohl, dass man wilde Tiere nicht (ungestraft) betoucht, aber dieser Löffelhund war, ohne Schaum vor dem Maul, so unscheu und doch so fern von anderen befremdlichen Zutraulichkeiten, so selbstinitiativ, dass ich mich eben doch getraut hatte. Der Barkeeper aber beseitigt meinen Selbstzweifel ob meines Berührungsmuts: Das Tönnchen auf Schaschlikhölzern gehört zum Camp. Bestochen mit Käse (ausschließlich Cheddar, der Arme), hat er sich an Menschen gewöhnt und seine aparte Figur erworben. Dafür lässt er sich auch gerne mal begrabbeln. Allerdings war er bei weitem nicht so flauschig, wie er aussah, aber es war ein einmaliges Erlebnis.
Bild 2 © Louis/Bild 6 © GD

4. Mai – Maun

Unser heutiges Ziel ist Maun, wo wir unseren vierten Mitreisenden Jens um 12.30 Uhr am Flughafen abholen wollen. Dieser Termin sollte zu schaffen sein; es ist keine Weltreise von Ghanzi aus und die Strecke ist problemlos weil geteert. Annette und Joachim wollen unterwegs noch einen Geocache verstecken (hoffentlich habe ich damit nicht schon zu viel verraten...), wissen auch schon wo, aber als wir dort ankommen, gestaltet sich die Sache doch komplexer als geplant. Das Wunschversteck birgt Risiken herpetologischer Art und man will ja keinem Finder zumuten, dass er justament im Augenblick des Erfolgs von einer Schlange gebissen wird. Auf der Suche nach Alternativen gräbt Joachim an einer prägnanten Stelle probehalber ein Loch und stößt auf einen gebunkerten Wasservorrat. Da würde sich der Vorratsbesitzer arg wundern, wenn sich ein Tupperdöschen seltsamen Inhalts dazugesellt hätte. Deshalb wird die Probegrabung fachgerecht und ohne den Geocache aufzunehmen wieder verschlossen. Schließlich findet sich doch noch eine geeignete Stelle und wir sind immer noch gut im Zeitplan.

Wenn sich da nicht, kurz vor Maun, ein Unfall ereignet hätte, der uns fast den Atem raubt und zum Anhalten nötigt. Kilometer vorher sehen wir schon die Geier kreisen und bald auch wissen wir, warum. Offenbar hat ein Schwertransporter einen Esel und ein Pferd hopps genommen, deren Kadaver nun von Geiern belagert, rechts und links der Straße liegen. Dem Geruch nach zu schließen, ist das schon eine Weile her oder auch nicht, denn die toten Körper sind noch relativ intakt. Der Gestank kann uns nicht abhalten, hier zu stoppen und dem Schauspiel eine Weile beizuwohnen. Hunderte von Geiern bevölkern die Straße, den Straßenrand, die umliegenden Bäume und den Himmel.

Sorry, Jens, dass wir zu spät kommen, doch es ging nicht anders. Wir versuchen natürlich, Jens per SMS zu informieren, aber es kommt keine Antwort. Endlich doch am Flughafen angekommen, eine dreiviertel Stunde zu spät, rechnen wir eigentlich mit einem auf- und abtigernden Jens, aber er ist nicht da. Statt dessen springen nervös diverse safaribermuda-behoste Lodge-Guides herum, die offensichtlich alle auf ihre betuchten Gäste warten. Wir befragen die Guides und auch das Flughafenpersonal bezüglich der Sachlage und es kristallisiert sich heraus, dass die Maschine wohl eine Verspätung von mehreren Stunden haben soll.

Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, beschließen wir, in der Zwischenzeit unsere anstehenden Versorgungseinkäufe zu tätigen. Mehr aber als unsere Grundversorgung beschäftigt mich momentan, wie sehr sich Maun seit meinem letzten Besuch vor 8 Jahren verändert hat. Damals war das Flughafengebäude eher eine bessere Wellblechhütte, die Straße davor ungeteert und kaum beleuchtet, das Kaff selbst wirkte ziemlich verschlafen. Heute präsentiert sich alles anders. Maun ist, verglichen zu damals riesig, ausufernd. Das Flughafengebäude ist innen klimatisiert und außen beleuchtet, für dortige Verhältnisse alles wahnsinnig luxuriös, polierter Steinboden, edel verkleidete Wände, ein immer besetzter Geldwechselschalter, digitale Anzeigetafeln, vor dem Gebäude alles geteert, nett bepflanzt und von Betriebsanfang bis -schluss wuseln ganz viele www.safariabzocker.com-Fahrzeuge nebst adäquat gekleideten gebräunten O-Beinern zur Abholung der werten Clients davor herum.

Diese holen dann dickbäuchige, keuchende Greise nebst ihren spinnenbeinig-faltenberockten Gattinnen oder auch schrumpelige, hygienisch noch einwandfreie Japanerpaare ab. Maun selbst ist geteerter und größer, als ich mir das damals je in meinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Neben dem alteingesessenen Shoprite gibt es da noch diverse andere, konkurrierende und nicht minder grosse Supermärkte, überteuerte Curioläden mit Klimaanlage prosperieren und bleichwadige Touris stapfen in Heerscharen die Straßen entlang. Ich bin völlig geplättet.

Meine Nachdenkereien lassen die Zeit wie im Fluge vergehen und schließlich kommt Jens doch noch an. Vollbepackt mit Einkäufen und Jens, verlassen wir Maun City, um unser Nachtlager im Audi Camp aufzuschlagen.

5. Mai - Maun, Audi Camp

Das Audi Camp liegt 12 km vor den Toren Mauns, also in eher ländlichem Idyll. Das hat auch seine Schattenseiten, wie wir schon frühmorgens erfahren dürfen. Meine Mitreisenden werden bereits gegen 2.00 Uhr von durchdringendem Hahnengekrähe, das von allen Seiten zu kommen scheint, unsanft aus dem Schlaf gerissen. Bei mir filtert das Trommelfell noch das Schlimmste aus meinen Träumen, aber als um ca. 5.00 Uhr die Esel lauthals mitlärmen, ist es auch um meine Ruhe geschehen. Da aber bald die Sonne aufgehen wird, ist das nur halb so schlimm. Heute haben wir es auch nicht eilig. Es stehen ein paar Besorgungen an, ein bisschen Souvenir-Shopping, ein wenig Maun-Sightseeing, Ansichtskarten schreiben und am Pool abhängen, also ein Pausentag, über den es nicht viel zu berichten gibt.

Allenfalls eines: als wir auf den Shoprite-Parkplatz einbiegen sehe ich gerade noch einen sich entfernenden Safariguide, der mir sehr bekannt vorkommt. Das war doch tatsächlich Anthony, mit dem Ute und ich vor 8 Jahren in Botswana unterwegs waren. Ein Naturbursche, der Afrika in sich trägt, es fühlt und lebt, mit einem unerschöpflichen Wissen und unendlicher Liebe zu diesem Kontinent. Einer, der Nachts auf seinem Truck liegt, dem Löwengebrüll lauscht und darob immer wieder ein verzücktes Lekker-Lekker von sich gibt. Einer, der bis zum Handgelenk im Elefantendung wühlt und freudestrahlend seine Analysen kundtut. Einer, dessen Führung wir sehr genossen haben und gleichzeitig bedauerten, dass er sich an Overlandertouris verschwendet. Denn auch in unserer Gruppe waren einige dabei, die das Lekker-Lekker in keinster Weise nachvollziehen konnten und beim Wort Elefantendung nur angewidert das Gesicht verzogen.
Bild © Louis

6. Mai - Maun, Okavango Delta

Für den heutigen Tag haben wir eine Mokoro-Tour nebst Walking Safari im Delta gebucht und zu diesem Behufe werden wir bereits in aller Frühe auf ein offenes Fahrzeug verfrachtet. Der Morgen ist frisch, die Fahrtluft tut ihr übriges und ich bin heilfroh, meine hochlanderprobte Windjacke dabei zu haben. Erst, als wir die Teerstraße verlassen und die Sonne ein wenig höher steht, wird es erträglicher. In einem Dorf nahe des Wassers steigen unsere Poler zu, Queen und Bruyns, um uns alsbald in ihre Mekoro einzuladen. Jens und ich sitzen in Queens Boot, das ziemlich leckt. Auch die dick ausgebreiteten Binsen können das nicht lange verbergen, ebenso wenig wie sie verhindern, dass bald der Allerwerteste zu schmerzen beginnt. Jedes Verändern der Sitzposition erfordert einiges an Konzentration, denn die Boote sind eine reichlich wackelige Angelegenheit.

Doch das ist bald vergessen, auch die eingeschlafenen Beine und der taube, nasse Hintern, denn das Delta lässt seinen Zauber wirken, so wie ich ihn kenne. Man taucht in eine Wunderwelt aus glasklarem Wasser, wogendem Papyrus, raschelnden Palmen, leisem Geglucker, farbenprächtigen Vögeln, Schmetterlingen und blühenden Wasserhyazinthen. Letztere sind zwar wunderschön anzusehen, gehören aber eigentlich nicht hier her. Sie wurden aus den Tropen Südamerikas eingeschleppt, verbreiten sich auf das energischste und wuchern derartig, dass sie ganze Gewässer völlig verkrauten. Auch wir müssen immer wieder dicke Teppiche an Engstellen beiseite schieben, um weiter fahren zu können. Nach eineinhalb Stunden legen wir in einer kleinen Bucht an, um uns mit Bruyns auf eine Fußsafari zu begeben. Queen bleibt bei den Booten zurück.

Mittlerweile ist es Mittag geworden, die Sonne steht hoch am Himmel, also nicht der geeignetste Zeitpunkt per pedes auf Pirsch zu gehen, aber trotz der Tiersiestazeit gibt es an allen Ecken und Enden was zu sehen, zu hören, zu riechen. Ein Elefant, Giraffen, Insekten, Vögel, interessante Pflanzen, Tierspuren und Droppings. Der Wind säuselt durchs Gras, bringt Palmenblätter zum Rattern, Bäume zum Knarren und trägt den Duft riesiger wilder Salbeifelder durch die Luft. Nach zwei Stunden ist das Fußidyll leider schon vorüber und wir treffen bei den Booten wieder auf Queen. Alle zusammen nehmen wir dort im Schatten einiger Baumriesen den obligatorischen Lunch ein. Beim Abschlusspinkeln stoße ich auf die Hinterlassenschaften früherer Reisegruppen: einige Klolöcher zieren am Rande der Lichtung den Boden.

Wir kommen auf Overlandtourveranstalter wie Drifters und Konsorten zu sprechen und Bruyns erzählt eine Horrorgeschichte. Vor einigen Jahren war eine Overlander-Gruppe im Delta unterwegs und zeltete auf einer der zahlreichen Palmeninseln. Vor Sonnenaufgang verließ einer der Touristen sein Zelt und, wohl zum Fotografieren, auch den überblickbaren Radius der Inselvegetation. Dort traf er auf einen schlecht gelaunten Einzelbüffel, der ihn sofort attackierte. Der Versuch, sich auf einen Baum zu retten, scheiterte; der Büffel nahm ihn auf halber Höhe auf die Hörner und machte ihm den Garaus. Ein Albtraumereignis für die ganze Gruppe, besonders für den Guide, dessen Ermahnungen und Sicherheitsinstruktionen offenbar auf unfruchtbaren Boden gefallen waren. Von meiner Drifterstour mit Anthony weiß ich, wie sorglos, uneinsichtig, zwanghaft neugierig und ignorant sich so mancher Tourist verhält. Ein Guide ist nahezu chancenlos, so einen Haufen vielfach thumber Pseudo-Abenteurer in Schach zu halten und trägt doch die ganze Verantwortung dafür.

Keine schöne Geschichte, doch sie macht sie einmal mehr deutlich, wo man sich befindet: in der Wildnis, die man trotz ihrer unsäglichen Schönheit nie unterschätzen darf. So geschärft unsere europäischen Sinne für den Zauber der Natur auch sein mögen, so ungeübt sind sie doch in Bezug auf Gefahren. Gepaart mit Sorglosigkeit ist das eine tödliche Kombination.

Mit diesen Gedanken setzen wir uns wieder in die Boote, lassen uns jedoch den Rückweg durch das traumhafte Papyruslabyrinth nicht verderben. Denn wir mögen vergleichsweise blind und taub sein, sorglos sind wir nicht.

7. Mai - Moremi, Third Bridge

Ein letztes Krähkonzert am frühen Morgen und schon sind wir wieder mit Sack und Pack auf dem Weg - in den Moremi, der uns mit seiner ganzen Landschaftsmagie und Tierreichtum in Empfang nimmt. Vom Gate bis zur ersten Campsite Third Bridge ist es eigentlich nicht weit, aber es gibt so viel zu sehen, dass man nur langsam voran kommt. Doch wir sind ja auch nicht zum Rumheizen hier, sondern zum Genießen, was wir in vollen Zügen tun. Auch wenn es bereits meine sechzehnte Afrikareise ist, so werde ich mich auch nicht nach der hundersten sattgesehen haben. Blauer Himmel, Wolken, wie es sie nur in Afrika gibt, weite Landschaft, Giraffen, Zebras, Gnus, Greifvögel, Straußen, Gabelracken, Tokos, Perlhühner, Hippos, Paviane, Warzenschweine, um nur einige zu nennen. Man bekommt das Füllhorn der Natur derart über den Kopf geschüttet, dass man schwindelig werden könnte.

Nach Stunden der fortwährenden Füllhorndröhung laufen wir seelig bei Third Bridge ein, errichten unser Lager und ziehen gleich nochmal aus, um uns den Tag von einem fulminanten Sonnenuntergang krönen zu lassen. Das Leben ist ohnehin meist ziemlich schön, aber solche Tage sind unbeschreiblich.

Die Gedanken, ob eine Reise in mein geliebtes Afrika mit drei fast Unbekannten nicht doch ein zu bedauernder Kompromiss werden könnte, sind völlig ausgeräumt. Wir vier liegen auf einer Wellenlänge, bevorzugen ein gemächliches Reisetempo, erfreuen uns an den selben Kleinigkeiten, interessieren uns für alles was da kreucht und fleucht und haben uns genug zu sagen. Da ist keiner dabei, der nur glücklich ist, wenn von einem Wasserloch zum anderen gehetzt wird, der nur Aufregung empfindet, wenn er einem Löwenriß beiwohnt, der nur genießen kann, wenn permanent Action ist. Im Gegenteil!

Jens, unser dritter Mitreisender, war für mich vor Antritt der Reise der größte Anlaß zur Skepsis, denn er ist passionierter Jäger und dafür habe ich wenig Verständnis. Mein Großonkel war Jäger; der Flur voller Gamskrickln und Hirschgeweihen hat sich in meine Retina eingebrannt und das euphemistische Gesülze von der Wildhygiene schallt noch heute in meinem Ohr. In der Hoffnung, Jens könne sich dahingehend zügeln, hatte ich mir vorgenommen, das Gejägere thematisch auszuklammern, nur gelegentlich zu hinterfragen und nicht offensiv zu kritisieren. Verstehen kann ich es zwar immer noch nicht, was es einem (Mann) gibt, schöne, große, majestätische Tiere tot zu machen, aber er steht nun Mal voll und ganz hinter seiner Leidenschaft. Natürlich auch mit den Argumenten von Wildhygiene, Verbißschädenschutz und korrektivem Naturschutz; die muss man als Jäger aber wohl parat haben, um sich selbst, um den Scheiß, den der Mensch mit der Natur anstellt zu rechtfertigen.

Und die letzten Tage haben gezeigt: Jens ist ein klasse Typ, praktisch, ungedönslig, zuverlässig, straight, mit einem ganz eigenen Humor, der nur über Jagd spricht, wenn man das Thema von selbst darauf bringt. Wir lachen immer wieder Tränen ob seiner jagdtechnischen Ausdrücke und binden sie auch gleich in unseren Sprachgebrauch ein. Weibliche Tiere sind „Stücke“, das Abhäuten eines Rotwilds bezeichnet man als „aus der Decke schlagen“, das eines Schwarzwilds als „aus der Schwarte hauen“, vorbeischnürende Füchse macht man durch „Anmäuseln“ aufmerksam und lockt sie mittels „Luderschächten“ in Schussnähe. Meine Skepsis also war völlig unberechtigt und wir alle lernen noch etwas dazu!

8. Mai - Moremi, Xakanaxa

Wir kehren gerade zurück von einer ergiebigen Morgenpirsch und wollen das Frühstück vorbereiten, als ein Park-Fahrzeug ins Camp geholpert kommt. Wie lange wir noch bräuchten, den Platz zu räumen, werden wir gefragt, denn in Kürze würde die Third Bridge wegen Reparaturarbeiten gesperrt und wäre somit unpassierbar. Tja, da wird der Magen wohl noch eine Weile knurren, denn wir müssen für unser heutiges Ziel Xakanaxa natürlich über die Brücke. Eilig brechen wir unser Lager ab und juckeln über das Knüppelkonstrukt, an dem schon zahlreiche Arbeiter warten. Generös lässt man uns noch die touri-obligatorischen Fotos machen, aber dann wird es Zeit zum Arbeiten. Und für uns zum Frühstücken.

Glücklicherweise ist der Moremi ein Game Reserve und kein National Park, was uns erlaubt, unterwegs auszusteigen. So suchen wir uns einen geeigneten Platz mit genügend Rundumsicht und platzieren unseren Klapptisch nebst Stühlen auf einer kleinen Erhöhung. Das Auto startbereit gleich daneben, die Umgebung nie aus den Augen lassend frühstücken wir so wie die Könige.

Derart gestärkt sind wir bereit zum Sammeln neuer Eindrücke und fahren gemütlich weiter Richtung Xakanaxa, das wir gegen Mittag erreichen. Die Zelte sind rasch aufgestellt und wir widmen uns dem Nachmittagsprogramm am Platze. Ein Buschbockweibchen zieht in aller Seelenruhe an uns vorbei, im Wasser schnorcheln die Hippos, zahlreiche Vögel umflattern uns: Grauschnabeltokos, Rotschnabeldrosseln, Halsbandbartvögel, Haubenbartvögel, Braundrosslinge, Glanzstare, Graubülbüls.

Es ist richtig friedlich, als plötzlich einige Paviane Einzug halten, die offensichtlich auf der Suche nach Nahrung sind. Ein besonders eindrucksvolles Männchen nähert sich zielstrebig dem schweren Gittermüllkasten, der eigentlich recht paviansicher aussieht. Und Rumms, schon hat er ihn umgeworfen. Jens geht drohend mit einem Brennholzscheit auf das Tier zu, das sich folgsam aber schmollend unter den nächsten Baum verzieht. Dort nagt es mit beeindruckenden Beißern, demonstrativ leidend, an einer steinharten Leberwurstbaum-Frucht herum, läßt uns aber nicht aus den Augen.

Die nächste Unaufmerksamkeit unsererseits wird beim Schopf ergriffen, die Müllkiste liegt erneut am Boden und flugs ist ein Marmeladenglas herausgefingert. Meine Drohungen mit dem Holzscheit werden kaum beachtet, schließlich bin ja auch nur ein Weib(chen). Das ist zumindest der Eindruck, den des Patriarchen Ignoranz und Gelassenheit auf mich machen, und, wie mir später bestätigt wird, trügt mich dieser auch nicht. So irrwitzig das klingen mag: Versuche haben bestätigt, dass gerade höher entwickelte Affen auch beim Menschen Geschlechter auseinander halten können und ihre intra-äffischen Hierarchiestrukturen anwenden. Und Weibchen stehen bei Pavianen deutlich unter den Männchen! Ich werde mich in Zukunft meinen Verwandten gegenüber also besser nicht mehr so „emanzipiert“ verhalten, denn auf eine nähere Bekanntschaft mit DEN Eckzähnen verzichte ich gerne.

Unsere Alpha-Männer also stellen den Müllbehälter wieder auf und sichern ihn, so gut es eben geht, bevor wir zur Nachmittagsrunde Richtung Dead Tree Island aufbrechen. In einer unwirklich schönen Umgebung bei noch unwirklicherem Licht stehen wir ewig am Rande eines großen Teichs, in dem man Hippos hören kann. Eine Herde Lechwes zieht an uns vorbei, die Schatten werden länger, das Hippo schwimmt näher und näher und wir beschließen, den gastlichen Ort zu verlassen, bevor es zu nahe kommt oder gar zum Grasen aus dem Wasser steigt.

Zurück am Platze: der Müllcontainer liegt erneut am Boden, völlig geplündert, von den Übeltätern angenehmerweise keine Spur mehr, das Buschbockweibchen ist wieder da und auch alle Vöglein; ein friedvoller Abend kann beginnen!
Bild 3 © Louis

9. Mai - Moremi, North Gate

Bei unserer gestrigen Herumkurverei haben wir ein paar Plätzchen entdeckt, die wir uns heute nochmal näher ansehen wollen. Wir sind noch keine 2 km gefahren, da stehen schon ein paar Elefanten im Ried, Wasserböcke um die nächste Ecke und bald darauf sehen wir ein einige Zebras und zwei Impalamännchen, die gerade aufs heftigste die Fronten klar machen. Kaum zu fassen, welch gruselige Geräusche die anmutigen Antilopen hervor bringen, wenn sie Klartext sprechen. Diese langwimperigen, fragilen Geschöpfe klingen wie kleine Monster aus einem schlecht gemachten Gruselfilm; da muss sogar das Zebra die Ohren mißbilligend waagrecht stellen!

Kurz darauf erreichen wir eine größere Lichtung, sehen einige Elefanten an deren Rand und bleiben stehen. Einer der Dickhäuter pflückt kraftvoll trockenes Gras mit seinem Rüssel, dreht diesen solange hin und her, bis das Grasbüschel wohlgeordnet, Halm an Halm gebündelt ist und steckt es anschließend elegant in den Mund. Dieses Tun fasziniert uns total und erzeugt auch eine beruhigend-wiederkehrende Geräuschkulisse, die plötzlich von lautem Knacken und Geraschel durchbrochen wird. Der sorgfältige Graspflücker ist nur eine Vorhut; wie ein stetig grauer Strom kommen immer mehr Elefanten aus dem Unterholz und ziehen an uns vorbei, hinaus auf die Lichtung. Mindestens 70 Tiere, groß und klein, man hört sie rumpelnd kommunizieren. Irgendwann reißt der Strom ab und auch der Garbenbinder folgt der Herde. Lange noch blicken wir den runzligen Gesellen hinterher, bis der letzte Elefant verschwunden ist.

Das sind Momente, in denen ich nicht glauben kann, dass es das wirklich gibt, dass ich das wirklich sehen darf. Wir, die Menschen, nehmen alles für so selbstverständlich und zerstören im gleichen Atemzug so vieles. Wir, die Menschen, haben genug Hirn, um auf alles Einfluss zu nehmen, zu wenig Hirn aber, diesen altruistischer, gesünder einsetzen. Hätte ich Kinder, wären da vielleicht auch mal Enkel und Urenkel. Ob letztere ein ähnliches Schauspiel auch noch beobachten könnten, wage ich zu bezweifeln. Meine Oma vom Land, 89, dement und heute im Heim, lebt in ihrer geistigen Welt immer noch zwischen Hühnern, Katzen und Kühen, zwischen Milchholen beim benachbarten Bauern und Einkaufen beim örtlichen Kramerladen, der nix hat und doch alles, zwischen Wettersituationen, die die Ernte zerstören oder sie sprießen lassen. Das Pflegepersonal, an den Umgang mit dementen Personen und deren Eigenheiten gewöhnt, nickt brav, liebevoll und folgsam, wenn sie ihre scheinbar seltsam anmutenden Aussagen von sich gibt. Verstehen kann das keiner von denen, denn keiner hat die Zeit je erlebt, keiner kennt ihr Leben vor der Demenz. Werde ich auch irgendwann mal im Heim landen und von den Tieren, die ich gesehen habe erzählen? Wird dann auch eine Pflegeperson der anderen zutuscheln: heute phantasiert sie wieder, die aus Zimmer xy, von 70 Elefanten und davon, dass sie sie wirklich gesehen hat?!

Meine philosophischen Kopfexkursionen dauern nicht lange, denn es kommt viel zu viel Input übers Auge: Spechte, Wiedehopfe, Hornraben, Krokodile, Nimmersatte, Schreiseeadler, Kudus, Lechwes, Tsessebes. Wir kurven über die idylischen Paradise Pools, entlang an unzähligen anderen Pools, um schließlich auf dem Aussichtsturm des Hippo Pools Mittagspause zu machen. Dort geht der Input nonstop weiter: Hippos, Schlangenhalsvögel, die sich mit ausgebreiteten Flügeln zum Trocknen auf Hipporücken setzen, laut schnatternde Braundrosslinge, Frankolins, Rotschnabeltokos, neugierige Glanzstare, Giraffen. Man kommt vor lauter Schauen gar nicht richtig zum Essen und ich könnte stundenlang hier sitzen bleiben. Doch wir wollen heute noch nach North Gate und auch unterwegs wird es noch einiges zu sehen geben. Was sich uns allerdings auf der Weiterfahrt plötzlich präsentiert, damit haben wir nicht gerechnet.

Ein langgestreckter See mit weiter, flacher Uferzone und einigen Hippotiefen, dessen Wasseroberfläche man kaum sehen kann, denn im Flachwasser drängen sich tausende von Großvögeln: Marabus, Pelikane, Nimmersatte, Reiher, Löffler, Geier, Störche. Ein unvorstellbares Gewusel, Gestarte, Gelande, Gestreite um die zahlreich vorhandenen Fische, die im Seichten gefangen sind. Die umliegenden Bäume werden als Zuschauertribüne und Verdauungsplatz benutzt, unzählige Schreiseeadler kommentieren das Geschehen. Die Szenerie hat fast etwas Hitchcockartiges und wir können uns nur schwer losreissen. Doch die Sonne steht schon tief und wir haben noch ein Stück nach North Gate.

Spät am Nachmittag kommen wir schließlich doch noch an, errichten das Lager, verteidigen unser Hab und Gut gegen die aufdringlichen Meerkatzen und setzen uns nach dem Abendessen gemütlich am Lagerfeuer zusammen. Bald vernehmen wir dreckiges Lachen, das sehr nahe ist und fühlen uns irgendwie beobachtet. Mit starken Lampen leuchten wir die umliegenden Büsche ab, aus denen uns mehrere Paare Hyänenaugen anglühen. Rasch packen wir alles, was nach Essen riecht, auch das noch ungespülte Geschirr in den Landy, um sie nicht zum Näherkommen zu verleiten. Doch die getüpfelten Jäger werden immer dreister und ziehen ihre Kreise enger um uns. Sicherheitshalber lösen wir unsere Abendrunde auf und verziehen uns in die sicheren Zelte. Eine Weile beobachte ich noch durchs Moskitonetz, wie sie unseren Dinnerplatz inspizieren, schlafe aber bald seelig über den Geräuschen der Nacht ein.
Bild 1 © Louis