Dienstag, 29. August 2017

26. September 2015; Kibale Forest NP, Schimpansen-Tracking

Bereits in der frühen Dämmerung stehen wir heute Morgen auf und halten unsere Nasen aus dem Zelt. In den vergangenen Stunden hatte es immer wieder geregnet, das konnten wir trotz unseres relativ guten Schlafs deutlich hören. Entsprechend kühl und feucht ist die Luft, der Himmel verhangen und alles fühlt sich klamm an. Doch immerhin – der Tag beginnt niederschlagsfrei. Möge das bitte auch so bleiben! Rasch nehmen wir einen heißen Kaffee im Stehen ein – die Campingstühle sind unangenehm kalt und nässlich – und machen uns dann bereit für das bevorstehende Schimpansen-Tracking. Ich hatte mich im Vorfeld natürlich kundig gemacht, mit welchen Bedingungen hierbei zu rechnen ist und wie man sich am besten gegen die zu befürchtenden Unbilden rüstet. An oberster Stelle der genannten Hinweise standen die gefürchteten Attacken durch offenbar allgegenwärtige, aggressive Ameisen: tragt lange Hosen, feste Stiefel, steckt die Hosenbeine in die Socken, klebt das ganze mit Tape ab oder besorgt euch Gamaschen, sonst habt ihr keine Freude. So lauteten die einhelligen Tipps zu diesem Thema im Internet. Und an die habe ich mich gehalten! Schließlich reichen mir die Tsetsebisse, da brauch ich nicht auch noch pieselnde, beißende Ameisen auf der Haut! Also lege ich meine Schimpansen-Montur an – lange Hose, Wanderstiefel, Gamaschen. Heinz hingegen, den ich ja als liebende Freundin so gerne ebenfalls mit den ameisenabwehrenden Beinkleidern ausgestattet sähe (und auch welche für ihn eingemarktet hatte), verweigert sich hartnäckig, schlüpft stattdessen trotzig in eine wadenlange Hose und freut sich, derart mangelhaft gerüstet, auf das bevorstehende Affen-Tracking. Nun gut, des Menschen Wille ist sein Himmelreich...

Aufbruchstimmung
Wir warten auf die Guides










Dann marschieren wir los, hinauf zum Besucherzentrum der Lodge. Dort stehen bereits zahlreiche Tracking-Gäste wartend herum, auch Gabi und Erika sind schon da, und harren der Ankunft der Guides. Die allerdings lassen ein wenig auf sich warten. Also nutzen wir die Zeit, uns im Ausstellungsraum des Ranger-Gebäudes umzusehen, wo Schautafeln im üblichen Stile aushängen, die die Flora und Fauna der Umgebung im Überblick präsentieren. Da das Ganze aber nicht allzu informativ ist, begeben wir uns wieder nach draußen, erspähen ein paar Affen in den Bäumen – nein, Schimpansen sind's noch nicht – und erfreuen uns an den anderen Primaten, sprich Mit-Touristen, die ebenfalls auf den Beginn des Trackings warten. Es ist eine bunte Schar von Menschen aller erwachsenen Altersgruppen, Männlein wie Weiblein, einigen merkt man eine gewisse Aufregung an, andere sind ganz cool und harren einfach der Dinge und wieder andere beginnen schon, ungehalten zu werden, weil hier nichts vorwärts geht. So nach dem Motto: ich habe 'ne Menge Geld bezahlt, dafür will ich Leistung. Amüsiert beobachte ich die verschiedenen Menschentypen und frage mich bei so manchem, was ihn wohl bewogen haben mag, so eine Tour zu machen. Noch amüsanter aber finde ich die abschätzenden Blicke, mit denen einige der Tracking-Anwärter in die Runde blicken und dabei vor allen Dingen die Kleidung der anderen inspizieren. Speziell die Beinkleider, die Socken, die Schuhe und deren möglichst lückenloser Übergang ineinander findet dabei besondere Beachtung. Der Grund dafür sind natürlich die bereits erwähnten Ameisen. Um sich dagegen zu schützen, tragen einige der anwesenden Leute deshalb ihre Hosenbeine, wie angeraten, in den Socken, andere haben den Übergang vom Stiefelschaft zur Hose mit vielen Lagen schweren Klebebands dicht-getaped, einige, wie ich auch, tragen Gamaschen, doch es gibt eine ganze Menge von Personen, die keinerlei Vorkehrungen getroffen haben. Nun taxiert jeder jeden und es wird allenthalben nachgerüstet. Die Sockenstopfer ziehen Tape aus den Rücksäcken, die ehemals Sorglosen rollen ihre Socken über die Hosenbeine und blicken sehnsüchtig auf die Kleberollen, die bereits wieder in den Rucksäcken verstaut werden – und beide Parteien werfen neidvolle Blicke auf uns Gamaschenträger. Allein Heinz steht inmitten dieser Menschenschar und macht sich so gar keine Sorgen, obwohl er nur kurze Hosen trägt, die kaum bis zur halben Wade reichen. Luftig muss es sein, sagte er heute Morgen, obwohl ich im Moment so gar keine Faktoren erkennen kann, die luftige Kleidung erforderlich machen würden. Die Luft ist kühl und feucht, der Himmel bedeckt, es regnet nicht, aber es klamm und ziemlich ungemütlich. Nun gut, das kann sich im Laufe der nächsten Stunden ja noch ändern, hoffentlich zum Positiven!

Gabi und Erika 
Red-tailed Monkey
(Cercopithecus ascanius)
Am Ausgangspunkt











Nach einer halben Stunde endlich erscheint unser „Begleit-Personal“, wir erhalten eine kurze Einweisung, werden in Gruppen auf- und einem Führer zugeteilt. Dann kann es losgehen. Zumindest bei den anderen. Aufgeregt klettern die Leute in die bereitstehenden Lodge-Fahrzeuge und fahren von dannen. Schließlich sind alle Autos vom Parkplatz verschwunden und unser Ranger – Robert – sieht uns irritiert an. Und wir ihn. „Seid ihr keine Lodge-Gäste?“, fragt er uns verunsichert. Naja, wie man es nimmt. Zwei von uns wohnen im Baumhaus, der Rest campt. „Campen?“, fragt Robert ungläubig. „Mhm, ne, dann gibt es kein Fahrzeug für euch. Wir müssen eures nehmen. Ihr habt doch eines?!“ Hui, das ist eine leicht seltsame Verfahrensweise, wie da mit uns und unseren Baumhäuslern umgegangen wird, aber was bleibt uns anderes, als sich dem zu fügen. Also bitten wir Robert, uns zum Campingplatz zu folgen, schlichten uns dort in unsere beiden Landys und machen uns dann eben so auf den Weg. Es geht raus aus dem Camp, ein Stück die Zufahrtsstraße entlang und dann einen kleinen Seitenweg nach rechts, dem wir einige Zeit folgen. Dabei blökt Robert ununterbrochen ins Walkie-Talkie und wir haben den Eindruck, dass er sich nur am Rande mit den anderen Gruppenführern abspricht. Viel mehr klingen seine Gespräche nach einer belustigten Konversation mit Kollegen, deren Hauptthema die doofen Touries des heutigen Tages und lustige Privaterlebnisse des letzten Abends sind. Ich bin begeistert...

Als wir sicher 15 Minuten auf dem schlammigen Waldpfad dahingeöttelt sind, befiehlt uns Robert schließlich anzuhalten. Mit wichtiger Miene klettert er aus dem Auto, rückt mit martialischen Gesten sein Equipment zurecht und hebt zu einem Vortrag an: Dschungel, gefährlich, dicht bei ihm bleiben, er bewaffnet, alle Gruppen verteilt, welche als erste Schimpansen entdeckt, ruft die anderen über Funk herbei und los. Zu Befehl, Robert. Wir tappern im Gänsemarsch vom Weg herunter, hinein in einen Wald, von dessen Blätterdach permanent Wasser tropft, einen Wald, der seltsam trist und leblos wirkt. Robert schreitet wacker voran, schreit immer wieder in sein Funkgerät, lacht sich tot, dreht sich dann, wie zur Rechtfertigung seines Tuns, zu uns um und erkundigt sich pflichtschuldigst, ob bei uns Okay alles wäre. Ne, bei mir ist es das nicht! Zunehmend habe ich nämlich den Verdacht, dass uns der Knabe in großen Kreisen durch den Wald lotst, um das Ganze recht spannend für uns Unwissende zu machen, sich dabei permanent privat unterhält und offensichtlich hofft, dass endlich eine andere Gruppe eine Schimpansen-Sichtung melden möge. Was aber nicht geschieht.

Robert instruiert uns
Kein schöner Wald...
Einer „unserer“ Schimpansen









So also stapfen wir weiter durchs Gehölz, lauschen den Geräuschen unserer Schritte und denen des Urwalds. Affen brüllen vernehmlich. Robert meint, das wären nur Paviane. Wir wandern weiter, bergauf, bergab, schlittern schlammige Pfade entlang, begleitet von diesen affentypischen Rufen. Bist du sicher, dass das Paviane sind. Es sind Paviane, Punkt! Komisch ist nur, dass Heinz eine Minute später Schimpansen entdeckt, direkt über uns! Robert gibt sich leicht brüskiert, fängt sich aber sogleich und brüllt erneut in sein Walkie-Talkie. Minuten später brechen drei weitere Gruppen nebst ihren Führern aus dem Gestrüpp und wir starren gemeinsam in die Baumwipfel, die sich unter dem Gewicht der Primaten raschelnd biegen und dicke Wassertropfen auf uns herniederregnen lassen. Schimpansen, Schimpansen! Aber so weit oben... Unzufriedenheit macht sich unter den Führern und den anderenTouristen breit.

Rechtzeitig jedoch schallt es aus einem der mittlerweile vier Funkgeräte: Schimpansen, auf dem Boden, ganz nah! Wir können gar nicht so schnell schauen, wie sich das Touristenkonglomerat ins Nichts auflöst und mitsamt seinen Führern im Unterholz verschwindet. Robert wird ungeduldig, als wir nicht sofort auf diesen Fanfarenruf reagieren, sondern, im Gegenteil, zu überlegen beginnen, ob wir nicht besser hierbleiben sollten, um auf unsere „eigenen“ Schimpansen zu hoffen, auf dass sie irgendwann von dem Bäumen klettern und wir dann mit ihnen allein sind. Robert versteht die Welt nicht mehr. „Hurry, hurry!“, treibt er uns an. Na gut, wenn du meinst... Also hechten wir seufzend den anderen hinterher und brechen in einem Affenzahn und ohne Rücksicht auf Verluste durch den Wald, um kurz darauf die angekündigte Schimpansengruppe zu erreichen. Die Tiere allerdings haben sich logischerweise schon längst auf die umliegenden Bäume verzogen und verbergen sich mittlerweile im dichten Laubwerk.

Sicht: unbefriedigend
Schon besser!






















Die Guides tigern deshalb um die Bäume herum und versuchen, eine Stelle zu finden, von der aus man die Primaten besser sehen kann. Kaum ist so eine Stelle gefunden, ruft der entsprechende Führer seine Gruppe herbei, die anderen Guides stürzen hinterher und fordern ihre jeweilige Gruppe ebenfalls zum Kommen auf. Mhm, das ist ja alles recht gut gemeint, aber ich kann dem Ganzen nichts abgewinnen. Ich stehe mitten im feuchten Wald, umgeben von ungefähr 25 schimpansengeilen Touristen und werde von einem Guide um die Bäume gescheucht. Unauffällig klinke ich mich deswegen aus der nach oben starrenden Menschenherde aus und suche mir etwas abseits ein ruhiges Plätzchen, von dem aus ich, oh Wunder, eine hervorragende Sicht auf ein Schimpansenweibchen habe, das sich gerade faul in einem Blätternest räkelt. Mit missmutigem Gesichtsausdruck blickt die haarige Dame auf mich herab, dreht sich um die eigene Achse, kuschelt sich zurecht und schließt genüsslich die Augen. Mein Nach-oben-Gestarre jedoch ist den Guides natürlich nicht entgangen und ehe ich mich versehe, bin ich erneut von diversen Menschen umringt, die erregte Ahs und Ohs von sich geben. Ein paar Bäume weiter rechts, auch dort verweilen noch einige Touris, ertönen plötzlich entsetzte Iiiihs: ein Schimpanse hat unter sich gelassen und die illustre Gesellschaft mit einem warmen, gelben Urinregen von oben bedacht. Angeekelt springen die Bepissten beiseite, retten sich ins Trockene und wienern dann hektisch an ihren Objektiven herum. Robert kuckt mich daraufhin verschwörerisch an, kichert, zeigt auf die Angepinkelten und meint: „Hihi, chimpanzee-shower, all natural! Hihi!“ Gleich darauf zückt er sein Funkgerät und brüllt lachend einen ausdauernden Wortschwall ins Mikro. Ich verstehe natürlich nicht, was er sagt, aber seine lautmalerischen Worte erschließen sich mir auch so – der Person am anderen Empfangsteil wird ausgiebigst geschildert, dass und wie gerade ein Urinschauer auf die doofen Gäste niedergegangen ist. Hihi! Haha!

Schimpansendame
im Schlafnest
She si not amused
Kein Wunder...









Ja, gut, ich gebe zu, dass dieses Ereignis auch mich in gewissem Maße amüsiert, doch irgendwie befremdet mich Roberts Verhalten trotzdem. „Wem erzählst du da gerade von der Schimpansendusche?“, frage ich ihn. Robert guckt mich kurz erschrocken an, dann fasst er sich und tischt mir allen Ernstes auf, er hätte nur dem Headquarter gemeldet, dass alle heutigen Touristengruppen eine erfolgreiche Sichtung gehabt hätten. Und nun wäre es an der Zeit, den Rückweg anzutreten. Das sehen offenbar die anderen Guides ebenfalls so. Langsam nämlich löst sich das Touristengewimmel auf, die Gruppen streben in unterschiedliche Richtungen davon und auch Robert bläst mit Nachdruck zum Aufbruch. Und wieder mal hat er es eilig. Diesmal jedoch nicht, weil es gilt, die Touris mit Schimpansen zu versorgen, sondern wohl eher, weil der Feierabend winkt. Wir hingegen, die wir ja schon auf dem Hinweg zu fast unziemlicher Eile getrieben worden waren, würden uns nun ja gerne mal ein bisschen im Wald umsehen. In einem Wald, der zwar wenig von der Üppigkeit eines Feuchtwaldes dieser Klimaregion aufzuweisen hat, aber dennoch sicher den einen oder anderen Schatz in sich birgt. Also tappern wir in unserem eigenen Tempo den kleinen Pfad entlang, spähen hier unter einen Stamm, dort unter die Laubdecke, entdecken Pilze und einen leuchtend roten Wurzelparasiten, seltsame Samenschoten und das ein oder andere Krabbeltier. Robert nimmt unser Getrödel mit unverhohlener Ungeduld zur Kenntnis, bleibt immer wieder stehen und wartet verdrossen auf uns. Kaum sieht er uns nahen, gibt er wieder Gas und rennt so schnell weiter, dass wir nicht mal die Gelegenheit haben, ihn das eine oder andere zu fragen. Doch das wäre sicher ohnehin müßig, denn der Knabe macht nicht den Eindruck, als würde ihn sein Umfeld – weder das menschliche noch das natürliche, sonderlich interessieren. So kommt es, dass auch wir in gewisser Weise froh sind, als wir endlich, nach einer guten Stunde Marsches durch den Wald, wieder bei den Autos ankommen. Und der Rückweg verläuft genauso wie der Hinweg: Robert blökt in sein Funkgerät und schüttet sich immer wieder aus vor Lachen, während wir unangenehm berührt vor uns hin schweigen, um den Herrn nur ja nicht bei seinen Geprächen zu stören...

Rhipsalis
Psychotria sp.
Gallen auf Blatt









Pilze ...
...in verschiedenen Formen ...
... und Farben









An der Lodge angekommen, verabschieden wir uns von unserem seltsamen Guide, der es sehr eilig hat, im Gebäude zu verschwinden und begeben uns zur Rezeption, denn wir hätten noch eine dringende Frage, die zu stellen wir auf unserer Tracking-Tour keine Gelegenheit gehabt hatten. Gerne nämlich hätten wir gewusst, ob es eine Alternativroute nach Fort Portal gibt; die Aussicht, morgen wieder über die Schmierseifenpiste zurückschlittern zu müssen, erheitert uns nicht wirklich. Und wir treffen tatsächlich auf einige Personen, die uns Auskunft geben können – allerdings sagt jeder was anderes. Von nein, es gäbe keine Umfahrung, über ja, da ist eine, aber die ist noch schlechter, bis hin zu sicher, es gibt eine tolle Alternative, detaillierte Streckenbeschreibung inklusive, ist alles vorhanden. Mhm, das bringt uns leider auch nicht wirklich weiter, doch wir werden den angeblich vielversprechenden Routenvorschlag mal im Hinterkopf behalten und morgen entscheiden, was wir tun.

Weiße Seitlinge
Glibbriger Eispilz
Thonningia sanguinea









Unbekannte Frucht
Flechten
Pollia condensata









Während wir uns dergestalt durch die Belegschaft der Lodge fragen, sind Gabi und Erika übrigens bei ihrem Baumhaus, um, ja, um ihre wenigen Habseligkeiten zu packen und für heute Nacht zu uns auf die Campsite zu ziehen. Das sagt wohl genug über die Qualität des Baumhauses aus, oder? Auf jeden Fall laden wir die beiden samt ihrem Minigepäck in unsere Autos und chauffieren hinab zu unserer Campsite, die, und das sagt noch mehr über die Qualität der Baumhäuser, übrigens auch nicht die komfortabelste ist. Da steht ein gemauerter Pavillon, das Schilf zum Decken des Dachs liegt neben dem eigentlich hübschen Häuschen und rottet vor sich hin, die immerhin vorhandenen Duschen und Toiletten sind unbenutzbar, was sich in Form von gar malerischen „Tretminen“ rund ums Klogebäude deutlich zeigt. Doch Gabi und Erika haben sich entschlossen, wollen partout lieber hier sein, als noch eine Nacht in ihrem Treetop House verbringen zu müssen. Tja, Kibale scheint nicht unser Ort zu sein...

Also bauen wir rasch die Zelte der beiden auf und machen es uns dann auf unserem spartanischen Platz gemütlich. Kaffeetrinken, eine Kleinigkeit essen, die vergangenen Stunden revue passieren lassen. Im Zuge dieser Retrospektive stelle ich fest, dass keiner von uns darüber ins Schwärmen gerät, doch es scheint so, als würde ich das Schimpansen-Tracking tatsächlich am negativsten von uns allen bewerten. Meine Freude, wilde Schimpansen in ihrem natürlichen Umfeld gesehen zu haben, ist derart überschattet von dem Gebaren der Guides, dem allgemeinen Gehetze und diesem eigenartigen Show-Auflauf, dass ich so etwas nicht noch einmal machen würde, zumindest nicht hier und unter diesen Umständen. Meine Reisefreunde sehen das zwar deutlich weniger streng, aber auch sie würden die Tour nicht wieder buchen. Der einzige, der in sich ruht und das Negative des Trackings komplett ausblendet, ist Heinz. Er ist glücklich, die Primaten gesichtet zu haben, er freut sich, mit seinen kurzen Hosen unbeschadet durch den Wald gekommen zu sein und nimmt sogar noch die Guides in Schutz: sie machen dieses Tracking Tag für Tag, jedes Mal mit anderen Leuten und jede Gruppe hat die selben hohen Erwartungen – sie wollen Schimpansen sehen. Das allein schon erzeugt einen riesigen Erfolgsdruck. Doch auch die Konkurrenz unter den Guides selbst scheint groß zu sein. Derjenige, der die Primaten zuerst entdeckt (bei uns war das offiziell zwar Robert, faktisch jedoch Heinz), sammelt offenbar Extra-Punkte. Welcher Natur diese sind, vermögen wir nicht zu sagen – mehr Trinkgeld, mehr Lohn, mehr Ansehen? Egal. Resultat dieses Konkurrenzkampfes, gepaart mit dem täglichen Erfolgsdruck, ist auf jeden Fall eine befremdliche Stimmung, die sich durch die kanalartige Fokussierung der Guides (zumindest unseres Guides) noch verstärkt. Doch wer weiß, was die Tracking-Führer wirklich bewegt, warum sie ihren Job machen. Weil es keinen anderen gibt? Herzblut und Leidenschaft scheinen dabei wohl eher nicht im Spiel zu sein...

Thunbergia grandiflora
Asystasia gangetica
Thunbergia alata









Unbekannt
Justicia sp.
Spanner-Raupe









Tortoise Beetle
Fotogen auf Blatt ...
... und auf Sch...









Heuschrecken-Paarung
Blattwanze
Schriller Hüpfer









Charaxes brutus
Cymothoe herminia
Aceaea penelope









Wir lassen uns, trotzdem und gerne, von Heinz' positiver Einstellung anstecken und wenden uns den schönen Aspekten dieses Tages zu: es hat heute noch nicht geregnet, die Sonne spitzt hin und wieder raus und sogar die menschlichen Darmhinterlassenschaften am Rande der Campsite haben ihre guten Seiten. Bei einer kleinen Runde um unseren Platz entdecken wir nämlich, dass diverse hübsche Schmetterlinge vorzugsweise diese Kothaufen besuchen und sich auf den Pflanzen, die, wohlgedüngt durch die Exkremente, besonders üppig wachsen, andere interessante Insekten herumtreiben. Eine Käferspezies ist dabei besonders hervorstechend. Die Tierchen sehen aus wie eine gläserne Seepocke, wie ein transparentes, in allen Regenbogenfarben schimmerndes UfO, unter dessen durchsichtigem Schild sich ein insektuöses Wesen zu verbergen und mit allen verfügbaren Gliedmaßen verzweifelt einzuspreizen versucht. Phantastisch! Dann wieder lenken uns sich bewegende Baumkronen ab, durch deren Geäst zahlreiche Affen turnen, Vögel besuchen die regendurchtränkte Wiese unserer Campsite und selbst der Weg hinauf zur funktionierenden Toilette der Rangerstation, die wir der Schicklichkeit halber für feststoffigere Bedürfnisse aufsuchen, überrascht uns mit kleineren pflanzlichen und tierischen Kleinodien. Im Zuge dieser Entdeckungen verstreicht ein äußerst entspannender Nachmittag und geht in einen noch relaxteren Abend über, an dem wir es uns unter unserem Gazebo gemütlich machen. Wir alle zusammen. Wir alle zusammen mit unseren unterschiedlichen Meinungen und Empfindungen, die sich irgendwie in der Mitte treffen: kein perfekter Tag, aber dennoch ein schöner, ein interessanter, ein wechselvoller – und einer, dessen Ende erneut ziemlich feucht und kühl daherkommt. Leicht fröstelnd kuscheln wir uns deshalb zu nur halbwegs vorgerückter Stunde in unsere Zelte und schlafen bald einem neuen Tag entgegen, an dem es, abhängig vom Wetter, aufregende Entscheidungen zu treffen gilt, neuen Zielen entgegen...

Donnerstag, 10. August 2017

25. September 2015; Hoima > Kibale Forest NP

Ja, so ein richtiges Bett, das hat schon was für sich! Auf jeden Fall haben wir hervorragend geschlafen und trennen uns nur widerwillig von unserem Gemach mit dem En-suite-Bad. Doch der Hunger treibt uns in den Speisesaal, wo schon ein reichhaltiges Frühstück auf uns wartet. Rasch und dennoch genussvoll füllen wir unsere Mägen, abermals begleitet von den herzzerreißenden Melodien und schwachsinnigen Dialogen einer Fernseh-Soap, die hier anscheinend rund um die Uhr läuft. Der nebenbei flimmernde Schmachtfetzen aber tut der kulinarischen Qualität des Frühstücks beileibe keinen Abbruch; wir sind derart in die Einverleibung der ersten Mahlzeit des Tages versunken, dass wir darob beinahe etwas Wichtiges vergessen hätten: Jochen sitzt mit uns am Tisch und mampft ebenfalls wohlig in sich rein, als er uns zwischen einem neuen Käffchen und einem Stück Gebäck kundtut, dass er bereits in der Morgendämmerung in Hoima Town gewesen sei, die neue Batterie erhalten und sie auch schon eingebaut hätte. Stimmt, die Batterie, die haben wir über Nacht tatsächlich total aus dem Fokus verloren! Naja, nicht total, eher dachten wir, wir müssten sie bei unserer Abreise noch besorgen und würden wieder eine Menge Zeit dadurch verlieren. Doch Jochen Dank sei, jetzt ist alles in trockenen Tüchern! Da könnten wir eigentlich noch ein wenig länger frühstücken, oder? Nein, Annette drängt und sie hat recht, denn die heutige Tagesetappe ist wieder eine reine Fahrstrecke, nicht abartig weit, aber dennoch nicht zu unterschätzen. Also fügen wir uns den Gegebenheiten, den bekannten Unwägbarkeiten eines Fahrtages und machen uns, nach einem letzten Schluck Kaffee und dem eiligen Verstauen unserer Habseligkeiten wieder auf den Weg, der uns in den Kibale Forest führen wird, einem weiteren Highlight der Tour – dem Schimpansen-Tracking.

Die Batterie ist eingebaut!
Wir verlassen Hoima
Es wird wieder ländlich










Überall sind Menschen
unterwegs
Gemüsetransport
Es hat wohl geregnet









Lange plätschert die Fahrt so dahin, ereignislos, aber nicht uninteressant, denn immer wieder kommen wir durch kleine Dörfer und sehen Menschen, die ihrem beschwerlichen Tagwerk nachgehen und trotzdem die Zeit finden, uns freundlich winkend zu grüßen. Die Landschaft ist abwechslungsreich und üppig grün, die Straße, die bereits kurz nach Hoima vom geteerten Zustand in einen „naturbelassenen“ übergeht, ist gut zu befahren und selbst Abschnitte, die von örtlichen Regenfällen etwas matschig sind, bereiten uns keinerlei Probleme. Dann aber, wir durchqueren gerade eine recht hügelige Gegend, in der die Straße wie über hohe Dünenkämme führt – steiler Anstieg nach oben, schmale Kuppe, gleich darauf wieder steil nach unten -, sehen wir das Ungemach förmlich auf uns zukommen: wir erreichen eine Kuppe und können bereits dort erkennen, dass auf dem gegenüberliegenden Anstieg etwas passiert sein muss. Etwas Heftigeres, denn die ganze Straße wird von zahlreichen Fahrzeugen blockiert, die sich allesamt keinen Millimeter bewegen! Oje! Wir tasten uns abwärts, näher an das Geschehen heran. Als wir auf ungefähr gleicher, gegenüberliegener Höhe mit dem Fahrzeug-Kuddelmuddel sind, offenbart sich uns schließlich das ganze Ausmaß des Problems: mitten auf der ansteigenden Strecke, die regendurchnässt und somit ordentlich seifig ist, hat sich ein blauer Pepsi-Laster, beladen mit ausschließlich leeren Getränkekisten, in der Straßenmitte festgefahren und quergestellt, sodass er mit der Schnauze fast in der linken Böschung hängt. Dann muss wohl ein Lkw gekommen sein, ungleich größer und auch schwerer beladen, der versucht hatte, das blaue Gefährt rechts zu umfahren. Dabei wurde diesem jedoch der halbmondförmige Querschnitt der Straße zum Verhängnis; er schlitterte auf dem rutschigen Untergrund haltlos gegen die rechte Böschung, wo er nun in ziemlicher Schräglage lehnt und den Rest der Fahrbahn blockiert. Heilige Scheiße! Es scheint keine Verletzten gegeben zu haben, Gott sei Dank, aber an ein Durchkommen ist hier auch nicht zu denken. Beide Böschungen sind mehrere Meter hoch, steil aufragend, aus von Felsbrocken durchsetztem Lehm, die rechte Böschung reicht dem Lkw bis zur Oberkante der Laderaum-Plane, die linke Böschung ist etwas niedriger, aber dicht mit Gestrüpp bewachsen. Na toll!

Seifiger Untergrund ...
... kann zum Verhängnis werden
LKW klebt an der Böschung









Wir wähnen uns im Geiste bereits fern des Kibale, den wir heute sicher nicht mehr erreichen werden, wenn wir hier Stunden festhängen, sehen uns insgeheim schon nach einem geeigneten Schlafplatz um, während wir uns abschätzend dem Stau nähern. Nein, kein Durchkommen. Frustriert stoppen wir am Ende der Fahrzeugkolonne und machen uns direkt vor Ort ein weiteres Bild, das auch nicht zuversichtlicher ausfällt. Die Straße ist auf unabsehbare Zeit dicht! Resigniert steigen wir aus unseren Autos, hören uns um, erkunden das Gelände zu Fuß, unterhalten uns mit vielen ebenfalls Betroffenen über den Unfallhergang und mögliche Chancen, doch bald weiter zu kommen - es scheint aussichtslos. Dann plötzlich bohrt sich ein durchschnittlich großer Pkw durch die lehmige Lücke auf der, von uns aus gesehen, linken Seite der Böschung, wühlt, gräbt, bohrt, schrappt, spritzt rote Erde in alle Richtungen, gibt schließlich ein entschlossen klingendes Schmatz-Kratz-Schlupp-Geräusch von sich – und hat somit, nicht ganz schadenfrei – die Engstelle erfolgreich passiert. Jochens Augen beginnen zu leuchten. Das können wir auch, scheint sein Blick zu sagen. Ja, vielleicht. Aber wir sind um einiges breiter und kommen zudem von unten! Egal, das versuchen wir – schließlich sind wir mit Land Rovern unterwegs und das sollte alle Negativ-Argumente entkräften! Entschlossen schraubt Jochen unseren Spaten vom Dachpaneel, buddelt an der Böschung, sticht ein paar sperrige Brocken ab, wirft den verdreckten Spaten schließlich ins Auto, setzt sich hinters Steuer und startet den Motor.

Wir begutachten ...
... die Sachlage ...
... von allen Seiten









Will er da jetzt echt durch? Wir sind, gelinde gesagt, etwas erstaunt, Annette aber ist wahrlich fassungslos. Sie hechtet zu Jochen, der schon ordentlich Gas gibt, und versucht ihn von dieser Durchfahrt abzuhalten. Er winkt genervt ab, zitiert Heinz herbei und bittet diesen, ihn durchzuwinken. Okay, Männer unter sich... Heinz jedoch sieht die Sachlage auch eher kritisch und ergibt sich nur zögerlich seiner Verantwortung. Einen Millimeter weiter nach rechts, uih, das ist verdammt eng, jetzt links, geradeaus, schnell wieder rechts gegenlenken, aaah, die Böschung, Vorsicht, rechts ist kein Platz mehr. Zentimeter um Zentimeter kämpft sich Jochen mit Heinz' Hilfe durch das Böschungs-Lkw-Gässchen und landet nach schier endlos scheinenden Minuten tatsächlich unbeschadet oberhalb der Engstelle. Triumphierend steigt er aus, begleitet vom anhaltenden Applaus aller Anwesenden, stapft die Gasse wieder nach unten und fordert nun Annette auf, es ihm gleichzutun.

Jochen zwängt
den zweiten Wagen ...
... mit Heinz’ Hilfe
durch die Engstelle
Wir sind durch










Verständlicherweise und erwartungsgemäß lehnt sie ab, woraufhin sich Jochen achselzuckend in den Wagen der Gattin schwingt und selbigen ebenfalls durch die Engstelle manövriert, begleitet vom besorgten Gequieke Annettes. Aber alles geht gut. Nun ist Jochen natürlich bei allen der große Held, in den noch größere Hoffnungen gesetzt werden. Der Fahrer des gelben Lkw zum Beispiel wanzt sich an Jochen ran, lobt seine Fahrkünste, bewundert die Schönheit und Stärke der Autos und rückt schließlich mit seinem Ansinnen heraus. Er möchte gerne, dass der phantastische Fahrer mit seinem herkulesischen Gefährt alle Super- Kräfte bündelt und ihn von der Böschung wegschleppt. Jochen nickt sofort, ohne lange zu überlegen. Annette ist entsetzt! Mit Händen und Füßen versucht sie ihren wagemutigen Angetrauten von dieser Aktion abzuhalten, doch der schwimmt so hoch auf seiner Erfolgswelle, das ihr Redeschwall nicht fruchtet. Der Lkw-Fahrer, der sich seiner Sache offenbar ganz sicher ist, hat derweil schon mal eine Abschleppkette geholt, die Jochen nun, seine Frau und deren Sorgen ignorierend, an den Haken hängt. Er steigt ins Auto, wirft den Motor an, rangiert sich in Position und beginnt mit aller Entschlossenheit, Gas zu geben. Ein heftiger Ruck geht durch den Landy, der Laster allerdings bewegt sich keinen Millimeter. Aufgeregtes Stimmengewirr setzt jetzt ein. Jeder instruiert jeden, was er zu tun hat, um das Geschleppe zum Erfolg zu führen. Hierbei werden besonders die vielen Menschen gefordert, die über dem Lkw-Aufbau an der rechten Böschung stehen. Ihr müsst dagegendrücken! Wah, ich darf gar nicht daran denken, was passieren könnte, sollte sich der Lkw tatsächlich in Bewegung setzen! Die Drücker und Schieber werden reihenweise das Übergewicht bekommen und die Böschung runterpurzeln, genau in den Spalt zwischen Erdwand und Laster. Und wenn der dann wieder zurückkippt, sind sie alle tot oder zumindest schwer verletzt! Doch bevor ich diese Befürchtung äußern kann, schleppt Jochen schon wieder an. Gott sei Dank abermals ohne Erfolg! Nein, das hat keinen Sinn. Diese Erkenntnis, die Jochen freimütig äußert, ruft bei fast allen Beteiligten, so glaube ich, große Erleichterung hervor. Zumindest Annette ist überglücklich, dass unser Fahrzeug nicht in Stücke gerissen wird, ich bin heilfroh, das drohende Unglück abgewendet zu sehen und die Böschungs-Drücker, die sich ohnehin nur verhalten engagierten, zeigen sich erleichtert, der greifbaren Lebensgefahr entronnen zu sein. Nur Jochen und der Lkw-Fahrer sind schwer frustriert, sehen jedoch die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens mehr als deutlich ein, hängen die Kette ab und trösten sich gerade gegenseitig mit technisch-physikalisch erklärenden Worten, als sich unser grüner Landy plötzlich in Bewegung setzt. Erst ganz langsam, dann immer schneller wandert er den Abhang nach unten und dotzt schließlich mit einem satten Rumms auf den Kühlerschild des schrägliegenden Lasters. Annette schreit laut, als unser Wagen losrollt, bevor ihr Kreischen jedoch in Jochens Gehörgänge dringt und er reagieren kann, ist es schon passiert. Landy klebt am Laster! Etwas bedröppelt hechtet Jochen zur Aufprallstelle, winkt aber dann gleich ganz cool ab: alles halb so schlimm, nichts passiert! Annette ist nicht ganz überzeugt, vergewissert sich deshalb persönlich und drängt dann mit aller Macht zum Aufbruch – nicht, dass ihrem Gatten noch mehr heroischer Blödsinn einfällt...

Also klettern wir wieder in unsere Autos, wünschen allen Beteiligten viel Glück und machen uns schleunigst vom Acker – zutiefst erleichtert, dass wir die Unfallstelle erfolgreich passiert und nicht auch noch selbst Schaden an unseren Fahrzeugen erlitten haben. Jochen wurmt zwar immer noch, dass er nicht helfen konnte, doch insgeheim ist er, so glaube ich, über den Ausgang des Intermezzos mindestens ebenso froh wie wir.

Der weitere Weg verläuft nun erst mal relativ ereignislos, unser aller Gemüter kommen wieder zur Ruhe und der Mittags-Hunger meldet sich. Auf einer kleinen, scheinbar einsam gelegenen Anhöhe mit hübschem Blick auf die üppig grüne Landschaft zollen wir dieser Tatsache schließlich Tribut und stoppen für einen kurzen Snack. Doch kaum haben wir Essen und Getränke ausgepackt, raschelt es im Gebüsch unter uns und ein Mann keucht die steile Böschung herauf. Mit lautem Schnaufen kraucht er auf die Straße und schwallt uns mit unverständlichem Gebrabbel voll. Hui, es ist offenbar aber nicht nur die fremde Sprache, die wir nicht verstehen, auch die Artikulation des Typen lässt deutlich zu wünschen übrig: er hat kaum noch Zähne im Mund und sein Atem ist so alkoholschwanger, dass uns fast übel wird. Freundlich nickend lassen wir das Gesülze dennoch über uns ergehen und beeilen uns unauffällig, unsere Lunchpause so schnell wie möglich zu beenden. Als wir wieder in die Autos steigen, lallt uns der Mann ebenso freundlich irgendwas hinterher und winkt zum Abschied so heftig, dass er beinahe das Gleichgewicht verliert und die Böschung hinunterzukugeln droht. Im letzten Moment fängt er sich dann aber doch und hat uns wahrscheinlich schon vergessen, als wir hinter der nächsten Kurve verschwunden sind.

Rastplatz: der Suffkopp
kommt von unten
Wir flüchten schnell
Wahlplakate









Holzhandel
Kleiner Markt
Wir sind eine Attraktion
für die Kinder










Boah, geile Mütze!!!
Kinder beim Markt
Kneipe und Bottle Store









Mit gefüllten Mägen und froh, dem Trunkenbold entronnen zu sein, rollen wir weiter, kaufen unterwegs hier und da noch ein wenig Gemüse ein und erreichen schließlich am frühen Nachmittag das 60.000-Einwohner-Städtchen Fort Portal, wo wir Geld vom örtlichen Kreditinstitut abheben und weitere Einkäufe tätigen. Während Annette und Jochen gerade in einem ziemlich gut sortierten Laden zugange sind und wir anderen untätig auf der Straße rumlungern, gehe ich in mich: mein linker Oberarm ist im Laufe der letzten Tage heftig angeschwollen, pocht schmerzhaft vor sich hin und glüht wie eine Ofenplatte – ein Tsetsestich... Seit heute Morgen ist zwar eine leichte Besserung zu spüren, aber trotzdem, so beschließe ich, könnte ich ja sicherheitshalber mal nach einer Apotheke Ausschau halten. Gesagt, getan. Sondierend trabe ich die Hauptstraße entlang, balanciere über tiefe Abflussgräben, äuge in alle Geschäfte. Nichts. Auch Passanten, die ich frage, können mir nicht weiterhelfen. Ich überquere die stark befahrene Straße und wiederhole die Prozedur auf der anderen Seite. Wieder nichts. Nun ja, es soll offenbar nicht sein und muss eben auch so gehen. Das wird es auch, beruhige ich mich selbst, denn ich hatte lediglich nach einer simplen, entzündungshemmenden Salbe gesucht; falls es entgegen aller persönlichen Empfindungen trotzdem nicht besser werden sollte, lauern ja immer noch genügend „schwerere Geschütze“ in meiner mitgebrachten Apotheke. Versöhnlich tätschle ich meinen heißen, geschwollenen Oberarm, rede ihm gut zu, lege das Projekt ugandische Apotheke ad acta und wechsle erneut die Straßenseite.

Dort packen meine Mitreisenden soeben die erworbenen Fressalien in den Laderaum und mich durchzuckt ein Gedanke, den ich jedoch nicht zu greifen bekomme. Verdammt, irgendetwas wollte ich doch noch – aber was? Wollte ich etwas kaufen? Leicht verwirrt gehe ich in den Laden und mäandere zwischen den Regalen umher, um die Erinnerung zu forcieren. Nein, es war nichts zu essen, nichts zu trinken. Im hintersten Winkel des Ladens, da, wo es besonders dunkel ist und eine Menge Karton herumstehen, fällt es mir dann plötzlich wieder ein! Ich wollte einen leeren Karton besorgen, der, auf der Rücksitzbank installiert, gute Dienste leistet, das sich verbreitende Chaos im Auto in den Griff zu bekommen!!! Wie konnte ich das nur vergessen? Flugs schnappe ich mir den indischen Shopbesitzer und frage ihn, ob er mir einen seiner leeren Kartons abtreten könnte. Der nickt eifrig und fragt mich, wofür ich ihn bräuchte. Ich erkläre ihm kurz, dass das gute Stück zum sogenannten „Büro“ umfunktioniert werden soll und staune nicht schlecht, als der hilfsbereite Herr zu unserem Auto saust, Augenmaß nimmt, wieder hereinstürmt und mir dann zielsicher eine wundervoll stabile, wie maßgeschneiderte Pappschachtel aushändigt. „Ordnung ist wichtig!“, sagt er mit ernster Miene und ich muss mich sehr beherrschen, ihn nicht zu knuddeln. Der Mann versteht mich! Statt ihn zu umarmen, danke ich ihm überschwänglich und verlasse mit meiner Neuerwerbung das Geschäft. „Ah, die Barbara hat sich wieder ein Büro organisiert!“, flaxt Jochen, dem meine Sehnsucht nach einem Mindestmaß an Ordnung wie immer nicht ganz geheuer ist. Da aber auch er davon profitiert, nimmt er meine Marotte klaglos hin und lässt mich die Schachtel grinsend im Wagen verstauen. „So, haben wir dann alles und können los?“

Fort Portal
Können wir! So verlassen wir Fort Portal und machen uns auf den Weg zum Kibale, zur Primate Lodge, wo wir die nächsten beiden Tage zubringen werden. Wohlgemut biegen wir am Stadtrand von Fort Portal, der vorbildlichen Beschilderung folgend, auf eine unbefestigte Straße ab, die Sonne strahlt, doch direkt vor uns dräuen dunkle Wolken, denen wir mit jedem gefahrenen Kilometer immer näher kommen. Und dann, wir sind noch keine 5 Kilometer von Fort Portal entfernt, plöddert es plötzlich los. Es schüttet wie aus Kübeln, man kann kaum noch den Verlauf der Straße erkennen, aber, wieder von einer Sekunde auf die andere, geht das Geschütte in ein sanftes Nieseln über und begleitet uns die nächsten Kilometer, ohne unsere Fahrt weiter zu beeinträchtigen. Doch dann kommt es dicke! Die vormals recht griffige Lehmstraße verbreitert sich mit einem Male auf autobahnähnliche Ausmaße, schwere Baustellenfahrzeuge kehren das Unterste nach oben, der vormals festgefahrene „Belag“ ist völlig zerwühlt und hat, dem Regen sei Dank, eine schmierseifenartige Konsistenz angenommen. Eine Weile geht es flach dahin, und wir schlittern wir relativ kontrolliert durch die Gegend. Dann aber geht es in eine Senke hinab und, naturgemäß, auf der anderen Seite wieder nach oben. Und bereits auf den ersten Metern des Gefälles geraten wir bedenklich ins Trudeln.

Es dräut!
Die Straße schwimmt ...
... und ist so rutschig
wie Schmierseife









Bremsen, lenken, was ist das? Die Autos reagieren auf nichts mehr, die Reifenprofile sind komplett dicht, wir haben Gegenverkehr in Form eines riesigen Lasters, der sich schlingernd die gegenüberliegende Hügelseite herabquält und wir entscheiden, dass wir wohl besser erst mal stehenbleiben und abwarten sollten. Anhalten? Können vor Lachen! Extrem vorsichtig bringen wir unsere Kisten schließlich mit einer Kombination aus Motorbremse und bedachtem Querlenken zum Stehen. Quälend langsam schlittert der Lkw den Gegenhang herunter und wir beobachten das Geschehen mit gespannter Besorgnis. Doch Jochen will nicht länger untätig herumsitzen und steigt aus dem Auto, um eine einigermaßen befahrbare Spur für uns auszumachen, kommt jedoch nicht weit, denn der Schlamm der Straße legt mit jedem Schritt eine neue, klebrig-schwere Erdschicht auf seine Sohlen. Nach 10 Schritten ist er deshalb ungefähr 5 Zentimeter größer und bewegt sich wie Herman Munster. Schimpfend und fluchend storcht er zum Wagen zurück, streift die Lehmschicht so gut es eben geht von seinen Sandalen und hievt sich wieder auf den Fahrersitz. „Keine Chance!“, sagt er frustriert. „Wir warten jetzt ab, bis der Lkw vorbei ist und dann müssen wir es einfach auf gut Glück versuchen.“ Tja, richtig wohl ist uns dabei allen nicht, doch es ist die einzige Möglichkeit, die uns momentan offensteht. Zehn Minuten später ist es dann so weit; der Truck ackert ächzend an uns vorbei, die Fahrbahn ist frei und Jochen wirft den Motor an. „Annette, wir fahren jetzt los. Bleibt ihr so lange stehen, seht euch genau an, welche Strecke wir nehmen kommt dann hinterher.“

Bedächtig steuert Jochen unseren Landy die schmierige Piste talwärts, wir krallen uns in den Sitzpolstern fest, denn es ist deutlich zu spüren, dass wir null Bodenhaftung haben. Wir schlingern, wir driften, wir eiern Meter für Meter nach unten, rutschen aber immer weiter nach rechts und kommen der schlammigen Böschung dabei gefährlich nahe. Dann endlich haben wir den tiefsten Punkt erreicht, gerade mal noch einen knappen Meter von dem Erdwall entfernt. Jochen stoppt aufatmend, kurbelt das Fenster herunter und gibt Annette das Signal für ihren Start. Doch nichts passiert – nur Annettes Arm fuchtelt heftig gestikulierend herum und versucht zu signalisieren, dass sie das Wagnis nicht eingehen will. „Verdammt, wo bin ich denn hier?“, schreit Jochen, schält sich aus dem Wagen und stapft fluchend die Piste zu Annette nach oben.

Dort findet ein großes Palaver statt und man merkt deutlich, dass unsere beiden Freunde am Ende ihrer Nerven sind. Annette, weil sie sich die schlitterige Fahrt einfach nicht zutraut und Jochen, weil er wieder mal übernehmen muss, obwohl er mindestens genau so großen Respekt vor der seifigen Talfahrt hat, wie Annette. Der lautstarke Wortwechsel dient also in diesem Falle, wie übrigens öfter mal, lediglich dem Stressabbau und ist weniger giftig gemeint, als er sich anhört. Trotzdem wohnen wir dem Gezeter etwas unangenehm berührt bei; wir können nicht helfen und wissen, wie anstrengend solche Fahrbedingungen für alle, hauptsächlich aber natürlich für den Fahrer sind. Doch es wird schon gutgehen...

Vorsicht ist geboten!
Das Schlimmste liegt
hinter uns
Ankunft Kibale










Schließlich wuchtet sich Jochen mit erdbeklumpten Sandalen in den Wagen seiner Gattin und startet die Schlitterpartie nach unten. Den Kurs, den er dabei nimmt, ist ein wenig anders als der unsrige – und viel sicherer. Nach ein paar Minuten steht der weiße Landy unfallfrei neben unserem und wir alle sind zutiefst erleichtert! Jochen überlässt daraufhin erneut Annette das Steuer und gemeinsam klettern wir langsam und vorsichtig die vor uns liegende Steigung nach oben. Rauf ist ja oft leichter als runter – das bewahrheitet sich auch hier und bald haben wir die kritische Passage bravourös hinter uns gebracht. Die weitere Strecke hält nun Gott sei Dank keine Herausforderungen dieser Art mehr für uns bereit, nach ein paar Kilometern endet der Bauabschnitt sogar und wir bewegen uns bis zum Camp auf zwar nassem, aber immerhin doch weitestgehend festem Untergrund. Mit schlammbespritzen Autos, aber glücklich, laufen wir schließlich am Nachmittag in der Kibale Primate Lodge ein, wo wir erst mal alle Formalitäten erledigen (mittlerweile wissen wir ja, wie wichtig gewisse Papiere und Stempel sind). Tja, und dann heißt es Abschied nehmen, zumindest kurzfristig: Gabi und Erika haben nämlich in ein Baumhaus für die nächsten zwei Nächte gebucht und freuen sich schon sehr darauf, bei dem stetig niedergehenden Regen ein festes Dach über dem Kopf zu haben; noch dazu ein so exquisites. Hoch oben in den Baumwipfeln nämlich wurden einige Häuschen errichtet, in denen man, praktisch vis a vis mit der Natur, die Nacht verbringen kann und, das ist besonders verlockend, zudem noch die Möglichkeit hat, bis spät in den Abend auf einem kleinen überdachten Balkon zu sitzen und den Geräuschen der Dunkelheit zu lauschen. So zumindest stellt sich Gabi das vor, die ähnliches schon mal in der Chimpanzees Lodge erleben durfte...

Wir übrigen gehen natürlich auch davon aus und beneiden die beiden aufs Heftigste, zumal der Regen in der letzten halben Stunde wieder erklecklich zugelegt hat. Doch es hilft ja nix; Heinz und ich hätten ebenfalls die Möglichkeit gehabt, ein Baumhaus zu buchen, hatten uns aber dagegen entschieden, weil wir einfach gerne campen – sofern das Wetter schön ist. Das ist es gerade definitiv nicht, weshalb wir uns nun besonders schwerer Herzen von unseren beiden Mitreisenden verabschieden und dem Campingplatz zustreben, der auf einer großzügigen Waldlichtung unterhalb der Lodge liegt. Wir suchen uns einen Platz, der möglichst nicht in einer Senke liegt, kramen unsere Regenjacken aus dem Laderaum und starten den Lageraufbau. Hierbei empfiehlt sich, aufgrund des heftigen Regens, erst mal das Gazebo zu errichten, unter dessen großer Plane wir dann die Zelte ohne Wasserzufuhr von oben in Standmodus bringen können, bevor wir sie nach draußen schleppen, einrichten und das Gazebo anschließend als Regenschutz für unsere weiteren abendlichen Aktivitäten nutzen.

Sauwetter!
Bah, ist das ungemütlich! Regenwasser läuft uns in den Nacken, der Boden ist matschig durchtränkt, Annettes und meine Brille laufen ständig an, unsere Schuhe durchfeuchten sich, der Regen lässt nicht nach und wir pendeln ständig zwischen Schwitzen und Frösteln. Dann endlich ist es geschafft: die Zelte stehen, sind eingerichtet, wir sitzen unter der Plane des Gazebos, genießen unseren wohlverdienten Sundowner und kuscheln uns wohlig in all die warmen, trockenen Klamotten, die wir noch greifbar hatten. Prost! Darauf, dass das Leben eben nicht immer ein Ponyhof ist...

Als die Dämmerung hereinbricht, also so wirklich, nicht nur das diffuse Regengedämmere, machen wir uns an die Zubereitung unseres Abendessens – und denken mal wieder neidvoll an Gabi und Erika; die werden heute im Restaurant der Lodge verköstigt und müssen sich um nichts kümmern. Im Gegensatz zu uns. Wir schälen, wir schnibbeln, wir braten, wir aromatisieren – wir essen. Das Spülen verschieben wir auf morgen, keine Lust mehr! Gesättigt pressen wir uns in die klammen Sitzschalen unserer Camping-Klappstühle und beschließen soeben, bald zu Bett zu gehen, natürlich nicht ohne noch ein paar Stoßgebete für besseres Wetter in den regenverhangenen Himmel gesandt zu haben, als es plötzlich lautstark raschelt, zwei Lichtkegel auf uns zu wandern und mit einem Male Gabi und Erika vor uns stehen, um Asyl bittend! Ihr Sky Treetop House wäre eine Frechheit, eine Zumutung, absolut unakzeptabel und alles andere als luxuriös, geschweige denn gemütlich! Kein Balkon, ein Eimerchen für die Notdurft – und das auf gefühlten fünf Quadratmetern – ein Stockbett und somit definitiv nicht das, was sich die beiden erwartet hatten! Enttäuscht sind sie nun den nicht ganz kurzen Weg durch die Dunkelheit zu uns runtergestapft, um wenigstens hier noch ein wenig in den Genuss einer afrikanischen Nacht, gepaart mit relativem Komfort, zu kommen. Wir können es kaum glauben, tun aber natürlich alles erdenklich Mögliche, um es unseren beiden enttäuschten Lodgisten so kommod wie möglich zu machen. Unser eigenes, feuchtes Elend rückt dabei völlig in den Hintergrund. So verbringen wir einen sehr vergnüglichen Abend unter der Gazebo-Plane, auf die der Regen weiterhin ausgiebig herunterprasselt und, als sich unsere Wege wieder trennen, sind mit einem Male wir Camper im Vorteil: WIR nämlich müssen nur zwei, drei Meter durch den nassen Himmelssegen, bevor uns ein trockenes, warmes Schlafsäckchen empfängt, Gabi und Erika hingegen steht der ganze weite Weg in ihr enges Baumhaus, Hinaufklettern inklusive, noch bevor...

Kommt gut heim ihr zwei! Und hoffen wir auf besseres Wetter für morgen. Gute Nacht!



Weitere Impressionen des Tages:


Kleiner Laden
Marktfrauen
Marktfrauen
Mal wieder geteert
Teeplantage bei Fort Portal
Teeplantage bei Fort Portal