Donnerstag, 19. Dezember 2013

15. März 2013, Tankwa Karoo NP > Vanrhynsdorp

Ein neuer Morgen bricht an und wir stehen auf, all unsere tierischen Freunde von gestern wieder antreffend – wie alte Bekannte. Auch die kleinen Bienchen begrüßen uns erneut und sind ebenso lästig bei der Sache wie am vergangenen Morgen. Heute aber können wir ihnen die Zeit nicht zugestehen, unser Spülbecken zu trocknen, unseren Abfallbeutel nachhaltig zu bevölkern und in unseren Mund- und Augenwinkeln nach verwertbarem Nektar zu suchen. Heute nämlich ist wieder ein Ortswechsel geplant und wir möchten uns nicht vertrödeln. Die Bienen jedoch haben dafür wenig Verständnis, wollen einfach nicht weichen. Mit viel Mühe und Überredungskunst gelingt es uns schließlich doch, unser Equipment und den Müllbeutel weitestgehend immenfrei ins Auto zu verfrachten. Gut, ein paar besonders hartnäckige Bienen müssen leider dran glauben und uns nach Vanrhynsdorp begleiten, einige glücklichere Exemplare dürfen hingegen am Office schon wieder aussteigen; hier nämlich geben wir unseren Abfall ab und checken ordnungsgemäß aus. Dann treten wir den Weg aus dem Park heraus an.

Frühstück in der Sonne
Schwuppdiwupp, alles gepackt!
Abschied von der Traum-Hoodia










Er führt uns zunächst Richtung Norden, danach geht es ostwärts – aber nur sehr langsam. Denn wieder mal gibt es unendlich viel zu sehen. Unser erster Stopp erfolgt bereits nach einer knappen halben Stunde der Fahrt und schuld daran ist ein ganzer Wald von Tylecodons. Wie knubbelige Skulpturen stehen die großen caudiciformen Dickblattgewächse mit der goldgelben, pergamentartigen Rinde in der Morgensonne und leuchten uns verführerisch an. Natürlich müssen wir sofort aussteigen und die Schönheiten betrachten, befühlen und ihren Wuchs und die Größe auf uns wirken lassen. Es sind unfassbar kompakte Exemplare, eines schöner als das andere, die hier auffällig dicht nebeneinander stehen. Heinz springt von einem Bäumchen zum nächsten, kann sich nicht festlegen, welches das Eindrucksvollste, das Schönste von ihnen ist. Und wieder flackert das Bild vom heimischen Garten vor unseren Augen auf. Wäre es bei uns nur heißer, gäbe es keinen Winter, würde das Ausgraben und Exportieren von Pflanzen nicht verboten sein und könnte man so einen Muster-Tylecodon problemlos als Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen, würden wir wohl auch schon den Spaten zücken… Doch nein. Es sind nicht nur zu viele Konjunktive, die unserem Verlangen im Wege stehen. Es ist eben schlichtweg eine kleine Träumerei, die uns Freude macht – und zudem völlig legal ist und den Pflanzen keinen Schaden zufügt. Trotzdem fällt es uns schwer, die imposanten Knubbel-Gestalten wieder zu verlassen, ohne sie allesamt nicht doch noch aufs Autodach zu packen. Aber Spaß beiseite. Wir verabschieden uns von diesem einzigartigen Tylecodon-Wald, indem wir ihn stattdessen lediglich in unser Gedächtnis packen. Das ist besser für alle Beteiligten, hält das Transportgewicht im Rahmen und, am allerwichtigsten, kann uns von niemandem genommen werden.

Zwischenstopp
Das Tylecodon-Tal
Tylecodon paniculatus










Dann schlichten wir uns erneut in den Wagen, um unseren Weg fortzusetzen. Bald steigt die Straße an, zuerst nur leicht, bald aber immer steiler und windet sich in engen Serpentinen über mehrere hundert Höhenmeter nach oben. Wir erklimmen den Gannaga Pass und sehen die ganz Zeit wie gebannt aus den Autofenstern: zu unserer Linken türmen sich mächtige Felsen, deren brüchige Strukturen zahlreichen Pflanzen ein sicheres und nährstoffreiches Zuhause bieten, zu unserer Rechten eröffnet sich ein Tal, an dessen Ende man weit in den Nationalpark hineinblicken kann. Und schon wieder müssen wir anhalten, um diesen spektakulären Ausblick ausgiebig zu genießen. Allerdings merkt man deutlich, dass wir ganz schön hoch oben sind, denn der vormals heiße Wind, der uns im Tal noch zum Schwitzen brachte, ist hier droben eine mehr als erfrischende Brise, die uns Gänsepickel auf die Haut zaubert. Es tut zwar gut, ein wenig Abkühlung zu bekommen, doch allzu lange halten wir es trotzdem nicht aus und hüpfen dankbar zurück ins warme Auto, um bald darauf eine windverblasene Hochebene zu überqueren. Hier befindet sich die Gannaga Lodge, die zu den wenigen festen Unterkünften im Park zählt. Besonders einladend jedoch wirkt das Ressort nicht auf mich. Ich kann nicht sagen, was genau es ist, das mich sofort an den Film „Shining“ denken läßt. Wahrscheinlich aber sind es mehrere Signale, die gleichzeitig ein Unwohlsein in mir erzeugen. Eine grasbewachsene, windgepeitschte Ebene, öde, vegetationsarm; ein Gebäudekomplex, der unbelebt wirkt und überdimensioniert erscheint; Fenster, die mich wie tote Augen anstarren und eine spürbare Kälte – temperaturbedingt und zusätzlich verstärkt durch den Odem der Örtlichkeit. Ein seltsamer Ort mit befremdlicher Ausstrahlung, der sicher nicht auf der Wunschliste zukünftiger Urlaube stehen wird.

Am Fuße des Passes
Ganz oben auf dem...
... Gannaga Pass










Ich bin richtig erleichtert, als wir die Lodge endlich hinter uns lassen, das nördliche Parkgate durchfahren und unseren Weg Richtung Middelpos und Calvinia fortsetzen – der Knersvlakte entgegen. Doch bis dorthin sind es noch viele, viele Kilometer, die uns weiter auf relativ großer Höhe dahinführen. Komisch. Mein inneres Gefühl nämlich erwartet irgendwie einen baldigen Abstieg, doch der will und will nicht kommen. Stattdessen halten wir das Höhenniveau, klettern sogar noch ein wenig nach oben. Auf der Landkarte kann man es deutlich sehen, meine Erwartungshaltung jedoch weigert sich weiterhin standhaft, das normal zu finden. Was ist nur los mit mir? Hat mich die Geister-Lodge so aus dem Gleichgewicht gebracht, dass mich meine topografischen Sinne nun total im Stich lassen? Naja, egal, es wird sich schon wieder einkalibrieren. Und das tut es tatsächlich. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die Landschaft wieder ansprechender wird. Mit einem Mal nämlich tauchen große, ovale Zeugenberge auf, deren flache, rostbraune Plateaus sich gegen den blauen Himmel abzeichnen und mich von einer Sekunde auf die andere von „Shining“ in einen Cowboyfilm transferieren. Wenn ich nicht genau wüßte, wo ich bin, würde ich mich jetzt glatt in Amerika, mitten in Colorado, wähnen und gleich müsste der Marlboro-Man mit seinem schnaubenden Hengst unseren Weg kreuzen. Mhm, irgendwas ist da bei der Kalibrierung schiefgelaufen…

Welcome to Cowboy Country
Zeugenberg mit Mütze
Flache Zeugenberge










Doch immerhin fühle ich mich jetzt wieder ein wenig wohler und steige gerne aus dem Auto, als wir eine kleine Pause machen. Der rauchende Cowboy besucht uns dabei natürlich nicht, dafür aber entdecken wir, immerhin, erneut einige interessante Pflanzen, die eindeutig sukkulent sind. Oder sollte ich besser sagen: waren. Denn sukkulent bedeutet ja saftreich, eine Eigenschaft, die man unseren Funden jedoch im Moment eindeutig nicht zuerkennen kann. Nichtsdestotrotz werde ich herausfinden, was hier vor sich hinvegetiert, denke ich mir entschlossen, während ich einen wirklich saftreichen Apfel verzehre. Als wir alle einen kleinen Snack zu uns genommen und unsere Blasen erleichtert haben, geht es weiter durch Marlboro Country. Und weiterhin zeigt mein innerer Höhenmesser abwärts. Doch es dauert noch sehr lange, bis er und die tatsächliche Höhe wieder eine gemeinsame Diskussionsgrundlage finden. Kurz vor Calvinia endlich ist so weit. Wir verlieren an Höhe, die Roggeveldberge verschwinden endgültig im Rückspiegel und machen den Hantamberge Platz. Die Täler sind wieder weiter geworden, die Ebenen flacher, großzügiger, und ich fühle mich jetzt richtig befreit, kann wieder tief durchatmen. Ach, das war es also! Als Bayerin bin ich zwar ein Kind der Berge, fühle mich jedoch sofort eingeengt, sobald da was um mich herum aufragt, mir die Sonne nimmt und mich bequetscht. Dass mich ein Hochplateau, dessen Ränder ich nicht sehen kann, in vergleichbare Bedrängnis versetzt, war mir bis dato zwar neu, erklärt aber, für mich total nachvollziehbar, was mich in den letzten Stunden so aus den Gleichgewicht gebracht hat.

Octopoma nanum
Pelargonium sp. (?)
Gomphocarpus fruticosus










Allmählich aber pendelt sich mein topografisches Gefühlsleben wieder ein, vor allen Dingen, weil auch die Karte mir bestätigt, dass es nun tatsächlich bald abwärts gehen wird. Zunächst jedoch müssen wir noch einen kurzen Tankstopp in Calvinia einlegen und wollen bei der Gelegenheit auch gleich noch unsere Vorräte auffüllen. Die Tankstelle liegt direkt an der Hauptstraße und wir hegen die Hoffnung, hier auch einen Supermarkt vorzufinden, sodass wir nicht in den Ort hinein müssen. Leider aber müssen wir doch, so eröffnet uns der freundliche Tankwart. Nun gut, wat mutt, dat mutt. Ohne große Begeisterung kurven wir durch die wenig einladenden Straßen Calvinias, bis wir endlich fündig werden und unser Auto direkt vor einem mittelgroßen Geschäft abstellen. Ein Blick die Straße runter, ein Blick die Straße rauf: es ist wohl besser, wenn Heinz und ich beim Wagen bleiben, während Annette und Jochen einkaufen gehen. Nun ist es nicht so, als wären wir hier in einem total heruntergekommenen Viertel gelandet, nein, aber es treiben sich doch eine erstaunliche Anzahl recht abgerissen wirkender Gestalten herum, deren Fokus auf den Kunden des Supermarktes liegt. Jeder, der mit Tüten bepackt oder einen Einkaufswagen schiebend, den Laden verläßt, wird sofort belagert und angebettelt. Und der extra abgestellte Sicherheitsmann des Geschäfts geht seinen Pflichten deutlich gelangweilt und lückenhaft nach. Obwohl wir stets darauf achten, unser Equipment möglichst so im Laderaum zu verstauen, dass es keine Begehrlichkeiten weckt, so ist es doch offensichtlich, dass wir bis unters Dach voll sind. Verständlicherweise möchten wir niemandem die Gelegenheit geben, mal nachzusehen, ob da nicht doch was Brauchbares zu holen ist. Und so, wie sich die Bettler hier geben, können die alles brauchen. Also bleiben Heinz und ich bei unserem Hausstand und halten später, als unsere Freunde den Einkauf in den Landy packen, die aufdringlichen Herrschaften von unaufgefordertem Zupacken ab. Solche Situationen vor Supermärkten, Tankstellen oder Getränkeläden sind übrigens nicht unüblich, aber, mit derartiger Vehemenz, auch nicht alltäglich, das sei der Ordnung halber gesagt. Dennoch sind wir immer ganz froh, uns nicht allzu lange in einer größeren Ansiedlung aufhalten zu müssen. Auch jetzt, nachdem wir alles „zivilisatorische“ erledigt haben, machen wir uns schnellstmöglich wieder auf den weg, hinaus aus Calvinia, hinaus auf die R27, die uns an weitem, eingezäuntem Weideland vorbeiführt. Wir wären nicht wir, würden wir nicht auch hier, auf diesen botanisch recht uninteressanten Flächen doch bald etwas entdecken, das uns erneut zum Anhalten nötigt: seit geraumer Zeit schon begleiten uns am Straßenrand frischgrüne, im Wind wogende Sträucher, die seltsam stachelige Früchte tragen. Und das müssen wir uns näher betrachten!. Bei der nächstbesten Gelegenheit stoppen wir den Landy auf dem Bankett und statten den auffälligen Pflanzen einen Besuch ab. „Papsthoden, das sind Papsthoden!“, freue ich mich und ernte ratlose Blicke meiner Freunde. Nein, die Dinger heißen sicher anders, aber der schwule Florist, bei dem ich immer Sträuße für besondere Gelegenheiten bestelle, lässt es sich nicht nehmen, mir jedesmal ein paar dieser Stachelteile in das Bukett zu binden und mich, ebenfalls jedes Mal, freudig strahlend zu fragen, ob ich gewusst hätte, dass dies die Hoden des Papstes seien… Nun ja, es gibt schönere Vorstellungen als die, die Kronjuwelen seiner Heiligkeit zu verschenken, aber in Wirklichkeit handelt es sich ohnehin um etwas anderes: es ist ein Gomphocarpus, ein Seidenpflanzengewächs, das unscheinbare, aber wunderschöne Blüten und eben diese luftgefüllten, bestachelten Samenstände trägt. Wir freuen uns über diese Entdeckung und ich, für meinen Teil, freue mich auf den nächsten Besuch bei meinem Floristen…

Oberhalb des Passes
... und unterhalb...
Gomphocarpus "papsthodiensis"










Nun aber wird es Zeit, wieder ein paar Kilometer gut zu machen, was uns tatsächlich ohne weitere Unterbrechung gelingt. 90 Kilometer nach Calvinia dann, ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht, geht es endlich richtig bergab – der Vanrhynspass lässt uns auf engen Serpentinen beträchtlich an Höhe verlieren. Doch nicht nur topografisch gesehen geht es bergab, auch das Wetter ändert sich plötzlich schlagartig. Der vormals strahlend blaue Himmel nebst der vereinzelten Schäfchenwolken zieht sich immer mehr zu, finster dräut dunkelgraues Gewölk und platziert so manchen Regentropfen auf unserer Windschutzscheibe. Hallo, wir wollen morgen in die Knersvlakte, wir können jetzt keinen Regen gebrauchen! Es wäre wirklich eine mittlere Katastrophe, würde hier und jetzt ein Tief anrücken, denn der Besuch der, unter Botanikern weltberühmten, Quarzflächen ist einer meiner lange gehegten Wünsche, für dessen Erfüllung jedoch niederschlagsfreies Wetter unabdingbar ist. Aber es ist ja erst morgen so weit und bis dahin kann sich noch einiges tun. Hoffnungsfroh kurven wir den Pass runter und erreichen zirka einer Stunde später das Örtchen Vanrhynsdorp, Ausgangspunkt unserer geplanten Exkursion in die „Ebene der knirschenden Steine“. Und ausnahmsweise sind wir diesmal ziemlich unvorbereitet: weder wissen wir, wo wir übernachten sollen, noch, wo genau sich die Quarzebenen befinden. Das jedoch hoffen wir rasch im Ort herausfinden zu können. Annette hatte für die Übernachtung vor Antritt unserer Tour per Mail zwar noch bei einem Community Trust angefragt, bis zum heutigen Tage aber keine Antwort erhalten. Telefonnummer hat sie keine und Internet ist momentan natürlich auch keine Option. Aber da gibt es ja noch meine Kontaktadressenliste, auf der alle relevanten Nummern verzeichnet sind. Mal sehen, ob das Ding was taugt! Wir wählen also die Nummer des Griekwa Ratelgat Community Trusts und bekommen in der Tat sofort Verbindung. Eine Dame ist dran.„Ah, Reservierung, soso“, murmelt sie, „da muss ich erst mal in den Mails nachsehen. Ja, da ist letzte Woche was gekommen, aber das hat noch niemand bearbeitet.“, eröffnet sie uns. „Und außerdem haben wir ohnehin geschlossen!“ Spricht’s und legt auf.

Empfangs-Komitee...
... des Caravan-Parks
Belagertes Lager










Mhm, das fängt ja gut an! Aber in meiner Liste habe ich noch ein zweites Etablissement notiert, das hier Übernachtungsmöglichkeiten offeriert. Vielleicht haben wir da mehr Glück. Vanrhynsdorp Caravan Park nennt sich das Ressort, das wir auch, nach einiger Suche, endlich am Ortsrand ausfindig machen. Schwungvoll kurven wir durch das Einfahrtstor, halten vor der Rezeption und kämpfen uns zwischen vier uns begrüßenden Hunden zum Office vor. Dort jedoch fällt der Willkommensgruß deutlich verhaltener aus. Eine junge Dame hängt sichtlich gelangweilt vor der Glotze und empfängt uns zwar einigermaßen freundlich, aber ein leichter Unmut über unsere Dreistigkeit, mitten am Nachmittag zu stören, ist nicht zu übersehen. Nach demonstrativ gequältem Seufzen und Stöhnen, bei dem immer wieder ein wenig Alkoholdunst in unsere Nasen zieht, bequemt sie sich endlich doch, uns einen Stellplatz zuzugestehen. Aber nicht hinten, auf dem Caravangelände, tut sie uns kund, sondern vorne, neben dem Sanitärgebäude. Etwas anderes könne sie uns nicht anbieten. Begründung nennt sie uns allerdings keine. Nach kurzer Inspektion des zugewiesenen Stückchen Rasens und des verlotterten Waschhauses entscheiden wir uns zum Bleiben; was sollen wir auch machen, wir brauchen einen Übernachtungsplatz. Gelangweilt nimmt die Lady unseren Entschluss zu Kenntnis, zeigt aber erstmalig eine erkennbare Regung, als wir nach der Knersvlakte fragen. Eine Augenbraue wandert nach oben, der schläfrige Gesichtsausdruck wandelt sich in einen ratlosen. „Knersvlakte? Was soll das sein?“ Wir erklären. „Nie gehört!“, ist der abschließende Kommentar der Frau, die in gerade mal 20 Kilometern Entfernung dieses botanischen Hotspots wohnt! „Aber versuchen Sie es doch mal bei der Gärtnerei, die könnten das wissen.“, meint sie und macht eine vage Handbewegung Richtung Ortschaft. Vielen Dank für den netten Empfang und die tatkräftige Unterstützung, Fräulein Schnarchnase, und entschuldigen Sie nochmals die Störung!

Kopfschüttelnd setzen wir uns wieder in den Wagen und machen uns auf die Suche nach besagter Gärtnerei, die ich, dem Himmel sei Dank, auch in meine Liste aufgenommen hatte. Kokerboom Kwekery, Voortrekkerstraat. Hah, an der Voortrekker sind wir vorhin vorbei gekommen. Mit dieser Orientierungshilfe ist auch die Gärtnerei rasch gefunden und wir haben sagenhaftes Glück: es ist Samstag Nachmittag, 16 Uhr, die Angestellten der Gärtnerei machen gerade Feierabend und wir kommen, buchstäblich in letzter Minute, noch auf das Betriebsgelände. Und obwohl man hier gerade die Schotten fürs Wochenende dicht machen will, werden wir äußerst freundlich empfangen, erhalten alle gewünschten Informationen und dürfen uns sogar noch in aller Ruhe in den Gewächshäusern umsehen! Und die, beziehungsweise das, was sie beherbergen, treibt uns fast die Tränen der Begeisterung in die Augen: Sukkulenten, soweit man blickt! Fein säuberlich beschriftet und nach Altersgruppen geordnet, ist hier alles zu finden, was unsere Herzen begehren. Alles und noch mehr, sogar richtige Raritäten. All diese Schätze könnte man natürlich käuflich erwerben. Könnte, wenn man sie anschließend auch mit in die Heimat bringen dürfte. Das aber ist uns leider nicht gestattet und so begnügen wir uns, mit glänzenden Augen und großem Bedauern, das Paradies eben nur optisch in uns aufzusaugen. Ach, wenn das Wörtchen wenn nicht wär! Leider aber können wir seine Existenz nicht ignorieren und auch nicht, dass die Gärtnerei eigentlich schon geschlossen hat.

Um nun die Geduld der freundlichen Gärtnersdame und auch unsere Leidensfähigkeit nicht über Gebühr zu strapazieren, verabschieden wir uns recht bald – wenn auch schweren Herzens. Doch wir wissen nun immerhin, wo genau die Knersvlakte ist, haben die Telefonnummer des Herrn, der uns reinlassen wird und unsere Übernachtung ist ebenfalls gesichert. Was also wollen wir mehr?! Froh über unseren erfolgreichen Besuch in der Sukkulenten-Gärtnerei kehren wir schließlich zum Caravan Park zurück, um endlich, mit Hilfe der uns schwanzwedelnd begrüßenden Hunde, unser Lager zu errichten und den Abend einzuläuten. Dieser wird auch, wider Erwarten, doch noch ganz gemütlich. Zwar hält uns, unter anderem, ein dickes Haarbüschel im Abfluss der Dusche von ausgiebigerer Körperpflege ab, aber gegen die aufkommende, fast beißende Nachtkälte schützt uns entsprechende Kleidung (und eine Katze auf dem Schoß), und gegen eventuelles Ungemach seitens der nicht eben vertrauenerweckenden Nachbarschaft, von der uns nur ein windiger Zaun trennt, die tröstliche Präsenz der Hunde. Sie weichen den ganzen Abend, die ganze Nacht nicht von unserer Seite und sind nur zu uns so freundlich…


Weitere Impressionen des Tages:

Schnell noch ein Abschiedsfoto
Was hier alles wächst!
Im Tylecodon-„Wald“











Auf dem Gannaga Pass
Prächtiger Tylecodon
Packaktion











Unscheinbar aus der Entfernung,
wunderschön im Detail:
Zygophyllum retrofractum











T. paniculatus - Samenstände
T. paniculatus - Stamm
Ausschwärmen für Details










Vegetation auf dem Gannagas
Tylecodon wallichii - Detail
Octopoma nanum











Tylecodon paniculatus
Gefährt und Gefährte
Feldstudien











Gannaga Pass
Blick zurück in den Tankwa
Landschaft unterwegs











Unsere Lagerwachen
Katzenbesuch
Hund, schau halt her!











Tylecodon orbiculatus
Tylecodon-Samenstände

Dienstag, 10. Dezember 2013

14. März 2013, Erkundungstag im Tankwa Karoo NP

Heinz und ich erwachen am frühen Morgen vom Rumoren unserer Freunde, robben aus unserem Zelt und werden mit heißem Wasser und gedecktem Tisch in Empfang genommen. Relativ wortlos – was in unser aller Sinne ist, denn keiner von uns ist ein Freund großer Reden, so direkt nach dem Aufstehen. Und es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis: bei Sonnenaufgang schweigend ein Frühstück zu genießen – frühstücken tu ich zuhause nur am Wochenende, gemeinsam mit meinem Schneck, aber sicher nicht bei Sonnenaufgang, eher deutlich später – und noch dazu mit zwei anderen, mir lieben Menschen – das hab ich zuhause auch selten – und das mitten im Busch – hab ich das ganze Jahr über nicht im Programm. Wenn dieser ganze erwachende Naturmorgen stillschweigend auf einen einwirken kann, mit all dem Insektengesumme, dem Nichtgerede, der erstaunlich schnell aus der Kühle des Morgens entstehenden Hitze – dann ist das reines, ungefiltertes Wohlgefühl, purer Genuss. Erst recht, da die nachtaktiven, angsteinflößenden Solifugen jetzt allesamt verschwunden sind und lieblicheren Geschöpfen Platz gemacht haben. In den Bäumen am Rande unserer Campsite tummeln sich laut schnatternd einige Webervögel, auf den sich aufheizenden Felsen flitzen zahlreiche Echsen umher und hin und wieder flappt ein bunter Schmetterling vorüber, obwohl weit und breit keine nennenswerte Blüte sichtbar ist. Ohne jegliche Eile genießen wir das Frühstück – einer der Vorzüge von Tagen, an denen wir keinen Campwechsel vornehmen müssen. Dann, als alle satt sind und wir unser Equipment gespült und sicher verstaut haben, machen wir uns langsam auf unsere geplante Erkundungstour im Park. Wir hätten es allerdings noch gut eine ganze Weile auch im Camp ausgehalten, wäre da nicht recht spezieller Besuch erschienen. Ein riesiger Schwarm winziger Bienen fiel schon bei den Frühstücksvorbereitungen über uns und unsere Lebensmittel her und es gestaltete sich etwas schwierig, einen Bissen oder die Tasse bienenfrei zum Munde zu führen. Die kleinen Insekten schienen zwar nicht stechen zu können (oder zu wollen), aber lästig waren sie auf Dauer trotzdem. Beim Abspülen jedoch kennt ihre Begeisterung dann erst recht keine Grenzen mehr: Wasser im Überfluss! In Trauben umsummen sie unsere nassen Hände, das gespülte Geschirr und schließlich auch das geleerte, aber noch feuchte Spülbecken. Freunde, vergnügt euch gerne mit der Restfeuchtigkeit, wir fahren dann mal, ja?! Gesagt, getan. Die kleinen, emsigen Immen hinter uns lassend, kurven wir aus unserem Tal Richtung Südwesten, schrecken einen langbeinigen Sekretär auf, der hektisch flatternd vor uns flieht, umrunden einen felsigen Hügel und durchfahren eine Art kleines Trockenflusstal. Hier sieht es aus, als könnte es sich lohnen, mal auszusteigen!

Die Morgensonne tut allen gut
Flüchtender Sekretär
Salsola sp.










Dieses Sichtreibenlassen und das Anhaltenkönnen, wann immer uns danach gelüstet, ist ein weiterer Vorteil eines Tages ohne Campwechsel, wäre aber auch nur halb so entspannend, würden wir nicht alle Vier am selben Interessenstrang ziehen. Und das tun wir, denn kaum ruft einer „Stopp“, wie jetzt gerade, halten wir an und gehen auf Erkundungstour. Jochen und Annette klettern das sandig-steinige Flussbett hinauf, während Heinz und ich eher felsigeren Gefilden zustreben, denn sie sind die idealen Standorte für unsere kleinen Lieblinge. Schon auf den ersten Metern werden wir fündig: eine riesige Hoodia reckt ihre stacheligen Triebe gen Himmel und präsentiert uns einige sehr hübsche, sichelförmige Samenstände, die sich allesamt schon in die Umgebung entleert haben. Während mein Schneck sich nun auf die Suche nach jungen Hoodias macht – die man erstaunlicherweise sehr selten findet, klettere ich weiter und stoße auf viele, recht verschiedenartige Sukkulentenpölsterchen, an deren Samenkapseln ich nun endlich meinen extra mitgebrachten Pumpzerstäuber ausprobieren kann. Die Klappmechanismen der Wunderknöpfchen funktionieren, wie auch gestern schon, allesamt tadellos und prompt. Meine größte Freude aber habe ich an dem extrem differenten Innenleben der Kapseln: sie unterscheiden sich nämlich nicht nur in der äußerlichen Größe und der Kammernanzahl, sondern auch in ihrer inneren Konstruktion. Da gibt es, nun auch für mich deutlich sichtbar, eklatante Unterschiede in der Gesamtkonstruktion der für die Kapselöffnung relevanten Teile.

Drosanthemum sp.
Hoodia-Hügel
Euphorbia ramiglans










Eifrig besprühe, begutachte und fotografiere ich die Zauberknöpfchen und bin begeistert. Vielleicht finde ich so ja doch noch den Einstieg in die tieferen Weihen der Aizoaceen-Bestimmung. Das aber ist eine Sache, die ich mir für zuhause, für lange, dunkle Winterabende aufheben will, denn jetzt habe ich weder die richtige Literatur hierfür zur Hand noch die rechte Muse. Es gibt viel zu viel zu sehen! So also kraxle ich voller Tatendrang weiter, stoppe hier, knipse da und sprühe dort. Plötzlich stolpere ich beinahe über ein höchst interessantes Gebilde: eine stachelige Wurst mit diversen kleineren Seitentrieben auf halber Höhe. Das ist keine Hoodia, das muss eine Euphorbie sein, wie wir sie noch nie gesehen haben. Schneck, wo bist du?!? Minuten später kommt Heinz tatsächlich den Hügel herab und sieht sich meinen Fund an. „Mhm, ja“, sagt er, „das ist eine Euphorbie. So eine hatte ich weiter oben auch. Hab sie erst gar nicht gesehen, erst, als ich sie beinahe niedergepieselt hätte... Aber welche das genau ist, weiß ich leider auch nicht!“ Egal, wir werden es herausfinden, auch wenn die Pflanze aufgrund der heftigen Trockenheit schon etwas ramponiert aussieht. Beglückt über unseren Fund und den erfolgreichen Zwischenstopp, wandern wir langsam wieder nach unten, wo wir auf Annette stoßen, die sich gerade ein tierisches, schon recht trockenes, aber formschönes Häufchen näher besieht und rätselt, welches Wesen das wohl hinterlassen haben könnte. Sieht ja fast nach Katze aus, ein Caracal vielleicht? Pfotenabdrücke finden wir leider nicht. Dafür aber besprühe ich die Wurst kurzerhand mit meinem Zerstäuber, um sie wenigstens geruchlich wieder zum Leben zu erwecken. Puh, das war keine gute Idee! Eine streng riechende Wolke fährt in unsere Nasen und wir nehmen lieber etwas Abstand. Nun aber wissen wir wenigstens eines ganz sicher: es ist eindeutig Fleischfresserkot!

Mesemb-Kapseltypen: nur schematisch, trotzdem aber wunderschön!










Wir freuen uns wie die Kinder über die reanimierte Kackwurst und steuern nun, heftig kichernd, weiter hügelabwärts, wo uns Jochen bereits erwartet. Er schüttelt väterlich den Kopf über unsere Albernheit, kann sich ein kleines Grinsen jedoch auch nicht ganz verkneifen. Ach, es ist schön, so entspannt herumzualbern und sich zu amüsieren, sei es auch nur über irgendeinen Scheiß – im wahrsten Sinne des Wortes.

Kackwurst vor der Reanimation
Einsame Oryx
Drosanthemum sp.










Jetzt aber wenden wir uns wieder ernsteren Dingen zu, klettern ins Auto uns fahren weiter westwärts. Die Landschaft wird hier wieder flacher und bedeutend vegetationsärmer. Das ist zwar schade, doch auf diese Weise machen wir wenigstens mal wieder ein paar Kilometer und lernen auch andere Teile des Parks kennen. Und sehen ein paar Tiere; einige Hörnchen, diverse Vögel, eine Oryx. Das war’s dann aber auch schon. Zudem sind die Tiere allesamt recht scheu, sodass wir ihren Anblick nicht mal ausgiebig genießen können. Jetzt dürfte allmählich mal wieder was passieren, denken wir uns gerade, als wir, nach vielen, recht ereignislosen Kilometern, unversehens an der nördlichen Parkgrenze ankommen. Von dort führt ein 4x4-Track Richtung Westen. Den will sich Jochen, der passionierte Geländefahrer, natürlich nicht entgehen lassen und biegt entschlossen ab. Zuerst ist die Strecke noch recht harmlos und Jochen beginnt bereits leicht ungeduldig zu werden; erst recht, als Heinz und ich ihn erneut um einen Stopp bitten. Wir passieren nämlich gerade den Fuß eines ausladenden, sehr felsigen Hügels, der von wundervollen Sukkulenten bewachsen ist. Riesige Euphorbienbüsche, knubbelige Tylecodons mit goldgelben, sich schälenden Stämmen und ausladende Sarcocaulon-Pflanzen, die zartgrüne Blättchen treiben.

Der erste Schatz-Hügel
Euphorbia decussata
Euphorbia hamata










Mann, wenn man bedenkt, wie langsam solche Pflanzen wachsen, dann wird man richtig ehrfürchtig angesichts derartiger Prachtexemplare. Die müssen alle schon viele, viele Jahre auf dem Buckel haben! Bewundernd klettern wir durch die glühend heißen Felsen und wünschen uns im Geiste einen solchen Hügel im Garten zuhause, natürlich mit dem entsprechenden Klima... Das aber wird wohl allein beim Wunsch bleiben. Tja, wenn ich da an meine Schätzchen auf der Fensterbank denke, wird mir ganz wehmütig ums Herz: einerseits liebe ich ja unser Klima und den Wechsel der Jahreszeiten, andererseits dauern mich meine heimischen Exoten, wenn sie den Wachstumsrhythmus ihrer Heimat beibehalten. Beibehalten müssen, denn er ist in ihren Genen verankert. Ist hier Sommer, frostet bei uns zuhause der Winter. Egal, da wird in der südafrikanischen Heimat gewachsen, so also auch bei uns. Ein schwieriges Unterfangen jedoch, wenn lediglich die wenig kraftvolle Wintersonne ihren Dienst tut. Doch mehr als ein Südfenster kann ich meinen Lieblingen halt leider nicht bieten, freue mich aber umso mehr über jeden Zuwachs-Millimeter, den sich die Pflanzen fern der Heimat unter meiner Fürsorge erkämpfen. Deswegen ist es auch etwas ganz Besonderes, diese zähen Kämpfer in ihrer natürlichen Umgebung, in ihrem ursprünglichen Habitat, so strotzen zu sehen!

Was man nicht alles findet:
Flechten aller Farben
und auch totes Material










Nur schweren Herzens verabschieden Heinz und ich uns schließlich von diesem Wundergarten und schlichten uns wieder ins Auto, wo Jochen bereits hufescharrend auf uns wartet. Er will endlich richtigen 4x4-Spaß haben und den soll er natürlich bekommen. Dass dieses Vergnügen sich allerdings als recht speziell entpuppen soll, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Fahrweg wird nun allmählich immer steiler und unwegsamer, Jochen strahlt und der Landy frisst sich tapfer durch das spannende Gelände. Plötzlich teilt sich die Piste – ein Pfeil deutet in Fahrtrichtung nach rechts, einer entgegen der Fahrtrichtung nach links – was in etwa eine Offroad-Einbahnstraße andeutet. Nein, nicht nur andeutet – das ist zweifellos auch so gemeint. Jochen aber hat im Moment eher einen Linksdrall und setzt sich über die Pfeilschilder hinweg. „Was soll schon sein? Wir sind ohnehin alleine hier und sollte Gegenverkehr kommen, fahr ich halt rückwärts wieder runter, no problem!“, meint er sorglos. OK, wenn er unbedingt will – wir haben nichts dagegen, wissen, dass er ein sauguter Fahrer ist und wollen ihm den Spaß nicht verderben. Also fahren wir links. Bald geht es durch eine tiefe Ablaufrinne, die uns fast den Auspuff kostet. Aber gut, das wäre in der entgegengesetzten Richtung auch nicht anders gewesen. Anschließend führt die Spur steil bergauf, steiler, immer noch steiler, der Schotter spritzt unter unseren Reifen, der Wagen kämpft und Jochen strahlt noch mehr. Mit Müh und Not schaffen wir schließlich die letzten Meter auf den lange schon sichtbaren Hügelkamm, gerade noch, bevor wir nach hinten wegrutschen. Jochen drückt kräftig, aber auch sehr feinfühlig auf die Tube, der Landy steht wieder waagerecht. Als wir aber in den Abgrund vor unseren Reifen blicken, wissen wir endlich, warum das hier als Einbahnstraße deklariert wurde. Ein bisschen zu viel Gas und man poltert auf der anderen Bergseite senkrecht wieder runter...

Noch sind wir ganz unten
Ganz oben auf dem Leeubberg
Panoramasicht










Das hätte also echt in die Hose gehen können. Entsprechend blass um die Nase ist Annette, die immer in großer Sorge ums Auto und dessen Insassen ist. Jochen, der von ihr ob seines Leichtsinns sogleich heftig ausgescholten wird, quittiert ihre Predigt jedoch nur mit einem beseelten Lächeln. „Was willst du, Mausi, wir stehen doch gut hier oben!“ Und wo er recht hat, hat er recht. Nichtsdestotrotz: sollten wir nochmal hierher kommen, dann werden wir die Einbahnstraße wohl besser in richtiger Richtung befahren; sicher ist sicher.

Weiter Blick in den Park
Es geht überall runter...
... oder eben rauf










Sicher ist auch, dass die Aussicht von hier oben gigantisch ist. Leider, und das stelle ich im Nachhinein beim Sichten der Fotos fest, lässt sich das Ganze bildtechnisch nur unzureichend festhalten. Auch die Steigung der letzten Meter, die in etwa dreißig Grad betragen haben dürfte, flacht sich auf den Fotos deutlich ab. Komisch, es sind immer die abenteuerlichsten Passagen, die man so oder sogar in etwas übertriebener Weise im Gedächtnis behält, den Daheimgebliebenen jedoch nie in auch nur annähernder Form nahebringen kann. Tja, deswegen reist man wohl – um das alles hautnah erleben zu können. Mit zwei greif- und spürbaren Abgründen neben uns stehen wir nun also hier oben, genießen die Aussicht, lassen uns den Wind um die Nase wehen, recht viel mehr jedoch ist nicht zu tun, denn wir sind schon wieder in einer ziemlich vegetationsarmen Zone gelandet. Lediglich ein recht großer Codon, bereits reichlich mitgenommen durch die Trockenheit und seinen ausgesetzten Standort direkt an der schmalen Bergkante, präsentiert uns willig einige seiner stachelbewehrten Blätter und ein paar Samenkapseln, die ich so deutlich noch nie gesehen habe: wie hölzerne Tropfen thronen die Nüsschen inmitten einer perfekten Krallenfassung aus Kelchblättern. Ein Schmuckstück der Natur, das zu entdecken man schon sehr genau hinsehen muss. Genau hinsehen müssen wir übrigens auch, als wir wieder ins Auto gestiegen sind und uns auf den Weg hinab in die Ebene machen. Puh, ist das ein Gefälle! Manchmal sehen wir nur den Himmel durch die Windschutzscheibe, während sich die Vorderreifen bereits an der nächsten Abstiegskante befinden. Annette krallt sich vor Aufregung am Armaturenbrett fest, aber Jochen steuert den Landy sicher hinunter ins Tal.

Codon-Kapseln
Steile Abfahrt
Annette lotst besorgt










Toll war es dort oben, auf dem Leeuberg! Dennoch sind wir alle froh, wieder heil unten angekommen zu sein und ebenen Boden unter den Reifen zu haben. Dort schließlich, am Fuße des Bergs, macht die Pad dann einen weiten Schlenker nach Südosten und wir können unsere Bergroute nochmal von unten betrachten: mhm, da oben waren wir. Sooo steil sieht das gar nicht aus... Während wir noch ungläubig unsere Auf- und Ab-Strecke vom Flachen aus begutachten, öffnet sich zu unserer Rechten eine Ebene, wie sie interessanter nicht sein könnte. Sie ist extrem trocken, heiß, steinig und wird von sehr dunklen, teilweise schieferartig aufgefächerten, scharfkantigen Steinen dominiert. Zwischen dem aufgeheizten Geröll – das sehen wir schon aus dem fahrenden Auto heraus – sprießen allerlei Sukkulenten. Stopp!!! Jochen bremst brav, Heinz und ich stürmen aus dem Wagen – und befinden uns erneut im Paradies! Noch keine drei Meter sind wir vorsichtig über die Geröllebene getapst, als Heinz auch schon entzückt aufquiekt: „Eine Tanquana, eine Tanquana, Schneck, ich hab eine Tanquana gefunden!“ Eine Tanquana! Diese Erregung kann wahrscheinlich nur jemand verstehen, der sich näher mit Sukkulenten beschäftigt – eine Tanquana, das ist, vom Stellenwert her, so was ähnliches wie ein freilebender Balistar für einen Ornithologen. Naja, nicht ganz so selten, aber trotzdem hoch endemisch; Tanquanas wachsen nur auf Dwyka- und Ecca-Schieferfeldern in einem kleinen Gebiet zwischen der Großen, der Kleinen und der Tankwa Karoo. Welch ein toller Fund also!

Tanquana prismatica
Tanquana prismatica
Tanquana prismatica










Mit Fotoapparat, Pumpzerstäuber und einer gehörigen Portion Andacht fallen wir vor der Pflanze auf die Knie. Mann, ist die schön! Ein paar horstartig angeordnete, im Querschnitt dreieckige, hochsukkulente Blätter, teilweise rosa angehaucht, anmutig in Paaren hornförmig nach oben gebogen, ragen nur wenige Zentimeter aus dem Boden. Zwischen den strotzenden Blättern sitzen gar allerliebste Samenkapseln mit 10 tortenstückartigen Deckelchen, die mir förmlich entgegenschreien: „Mach mich nass, bitte, mach mich nass!“ Wie ferngesteuert folge ich dieser Bitte, die wohl nur ich allein vernehme. Pfhht, pfhht, pfhht – und schon ist eine Kapsel befeuchtet. Folgsam tut sie, wofür sie bestimmt ist – sie öffnet sich. Formvollendet recken sich die spitzen Kreissegmente nach oben, wölben sich nach außen und umkränzen innerhalb einer guten Minute, Sternzacken gleich, die vormals recht unscheinbare Kapsel. Und wieder mal bin ich hingerissen, kann kaum glauben, dass es erneut funktioniert hat, fühle mich unsäglich klein angesichts dieses Mechanik- und Symmetriewunders. Fasziniert robbe ich um die Pflanze herum, versuche sie in ihrer Schönheit einzufangen. Dabei brennt mir die Mittagssonne heiß auf den Kopf und plötzlich nehme ich die Tropfen wahr, die ich mit meinem Pumpzerstäuber auch in den Blattachseln der Tanquana hinterlassen habe. Nein, das ist nicht gut, das schadet der Pflanze, denn diese Wasseransammlungen wirken wie ein Brennglas – sie bündeln die Sonnenstrahlen, lenken sie auf die empfindliche Epidermis und zerstören diese. Vorsichtig tupfe ich deshalb mit einem Zellstofftuch alles wieder trocken, achte sorgsam darauf, nichts zu zerstören, keine Nässe stehen zu lassen – und ernte schon wieder fragende Blicke meiner Mitreisenden…

Offene Tanquana-Kapseln
Cephalophyllum sp.
Typisches Gesteinsbild










Nur nicht von Heinz. Der nämlich weiß genau, was ich da mache und auch warum. Glücklich lächelnd, so einen Partner zu haben und hoch zufrieden über das Ergebnis meiner Trocknungsaktion, packe ich den Pumpzerstäuber schließlich weg. Prädikat ungeeignet! So werde ich den Rest dieses Urlaubs – und der hat ja gerade erst begonnen – wohl lieber wieder Spucke verwenden. Für den nächsten Urlaub aber kommt eine Pipettenflasche ins Gepäck; allein schon wegen der unschönen Spuckebläschen auf den Fotos... Mit diesem beruhigenden Gedanken im Hinterkopf streife ich weiter über die Schieferebene und entdecke noch diverse andere Pflanzen, die ebenso schön wie bizarr sind, mir aber „erkennungsdienstlich“ sicher noch einiges abverlangen werden. Auch Heinz, der sofort sein neu erworbenes Buch gezückt hat, ist weitestgehend ratlos. Egal. Diese Geröllfläche ist auf jeden Fall eine botanische Fundgrube, wie sie schöner nicht sein könnte. Schön ist sie aber nicht nur, weil sie ein kleines Universum an Sukkulenten beherbergt, sondern auch wegen der auffälligen Steine, die geologisch hochinteressant sind: wir befinden uns hier auf einer Fläche, auf der sich zwei der ältesten Gesteine der Karoo-Gruppe gar pittoresk und sukkulentenfreundlich verteilt haben. Es mischen sich blau-grünliche Tonsteine und harte, dunkle Sandsteine der Ecca-Gruppe (290–260 Millionen Jahre) mit blaugrauem Tillit und schieferigem Siltstein der Dwyka-Gruppe (300–290 Millionen Jahre) und schaffen somit ideale Bedingungen – zum Beispiel für die Tanquana, die ausschließlich auf derartigen Böden gedeiht.

Malephora crassa - Detail
Malephora crassa
Malephora crassa - Kapseln










Über die geologische Herkunft der die Fläche bedeckenden Steine allerdings machen wir uns im Moment nur am Rande Gedanken, denn die felsigen Bruchstücke haben eine ganz besonders unangenehme, gemeinsame Eigenschaft, Geologie hin oder her: sie sind überwiegend von sehr dunkler Farbe, speichern somit extrem wirksam die Hitze der frühen Nachmittagssonne und geben diese in geballter Form wieder ab – an uns. Wir schwitzen wie die Schweine und fühlen uns beinahe wie Grillhähnchen – kurz vor der letzten Garstufe. Bevor wir also noch knusprig werden, verabschieden wir uns von der Füllhorn-Ebene und tuckern weiter. Ein kurzer Schlenker führt uns zunächst nach Varschfontein, wo ein in der Karte verzeichnetes Wasserloch tierische Abwechslung verheißt. Verheißung jedoch ist kein Versprechen, wie wir deutlich erkennen dürfen, als wir dort ankommen. Nichts los, aber so gar nix. Keine Antilope, kein Vogel und nein, nicht mal eine einzige interessante Pflanze. Recht schnell also verlassen wir den trügerischen Ort an der nördlichen Grenze des Nationalparks und machen uns wieder auf den Weg, zurück zum Camp.

Drosanthemum sp. (?)
Leipoldtia sp.
Leipoldtia sp. - Kapseln










Die Route führt uns nun in westlicher Richtung über schier endlose Ebenen, die zu dieser Jahreszeit allesamt, naja, sagen wir mal, recht eintönig sind. Gut, es wachsen überall Pflanzen – die üblichen Verdächtigen wie Augeas – aber sonst... Es staubt, es ist heiß und die landschaftliche Schönheit der uns umgebenden Hügel leidet zudem ein wenig unter dem harten Licht der Sonne. Nach vielen Kilometern endlich, es ist bereits später Nachmittag, erreichen wir Abrahamsknie'e, ein weiteres Wasserloch, nicht weit von Skaapwagterspos, unserer Campsite. Und jetzt sieht die Szenerie schon deutlich plastischer aus: die Sonne neigt sich gen Horizont, taucht jede auch noch so kleine Erhebung in warmes, zeichnendes Licht, die Farben beginnen zu glühen, zu leuchten, und selbst die allgegenwärtigen Augeas werfen Schatten, die die Umrisse der proper-blättrigen Jochblattgewächse im milde wehenden Wind wie riesige, bebende Bäume erscheinen lassen. Lange treiben wir uns hier herum und jeder genießt etwas anderes. Jochen beispielsweise hatte das Wasserloch vor allen Dingen wegen der zu erwartenden Vögel angesteuert. Es sind auch einige da, leider aber lassen sie sich schlecht beobachten, denn der Trog, den sie zum Trinken und Baden nutzen, ist völlig freistehend und erschwert somit das unauffällige Anpirschen. Dennoch lässt sich Jochen nicht abschrecken, schleicht sich in großem Bogen an die Vögel heran und steckt mit seinem Tun auch Annette und Heinz an. Ich hingegen delektiere mich in der Zwischenzeit an den warmen Farbfacetten der Berge, die ihr Aussehen in der flach stehenden Sonne minütlich ändern und kann mich kaum sattsehen. Es ist einer der Momente, in denen ich mich von der Ewigkeit eingeholt und umfangen fühle, in denen irgendwie alles zeitlos erscheint. In diesem Zustand faszinierter Loslösung bemerke ich beinahe nicht, dass es immer kälter wird: die Sonne steht schon sehr tief, die Hitze des Tages bäumt sich in heftigen Thermikböen auf und ich bekomme Gänsehaut. Doch erst, als ich meinen Kopf unbewußt in einen ganz bestimmten Winkel zum Wind drehe, fällt mir die Temperaturänderung richtig auf: der stetige Luftstrom bläst an meinem Kopf vorbei und bringt meine kleinen Kreolen zum Pfeifen. Wie ein Tinnitus hört sich das an! Und der bringt mich wieder ins Hier und Jetzt, mitsamt der Gänsehaut, der Antwort meines Körpers auf die gesunkenen Temperaturen. Mit verschränkten Armen tauche ich deshalb schnell wieder bei meinen Reisegenossen auf, denen auch kalt ist. Wollen wir ins Camp fahren? Ja, das wollen und machen wir auch. Schließlich beginnt es schon zu dämmern - die Bienchen also dürften bereits in den Stock zurückgekehrt sein - dafür aber freuen wir uns auf die Sterne, auf ein ordentliches Abendessen und, ein klitzekleines bisschen sogar auf die zu erwartenden Solifugen...

Einfach...
...nur...
...schön!










Und was soll ich sagen?! Kaum sind wir, eine halbe Stunde nach Verlassen des frösteligen Wasserlochs, im windgeschützten Lager angekommen, erfüllen sich all unsere Erwartungen; die eine früher, die andere etwas später - und es gesellt sich sogar noch etwas dazu, mit dem wir nicht gerechnet hätten. Aber eins nach dem anderen: 17.45 Uhr, Ankunft Skaapwagterspos, Bienen absent, Sundowner zum Trinken bereit, Windstille, Vorbereitungen fürs Abendessen, gemütlich. Soweit alles planmäßig. Auch die Sterne erscheinen bald, ebenso die Solifugen, jedoch nur die winzigen. Dann aber, als wir gerade erlebnissatt unser Abendessen einzunehmen beginnen, fängt der Busch zu leben an. Im kleinen Stil, aufregend und schön jedoch ist es trotzdem: Annette und ich sind soeben servierbereit in den Startlöchern, als sich ein winziger Nachtfalter auf meinem Bauch - in Nabelhöhe - niederläßt. Ich wedle kurz mit der Hand, aber das Tier will nicht weichen. Also gut, kommt es eben mit zu Tisch. Nur der Platz ist ungünstig, denn gleich werde ich mich hinsetzen, meine Plauze in Nabelhöhe beugen und dann den armen Falter zerquetschen. Also versuche ich, das kleine Insekt von einem anderen Sitzplatz zu überzeugen, pflücke es vorsichtig, seine Flügel greifend, von meinem T-Shirt und verfrachte es auf die Plane unseres Gazebos. Denkste! Keine drei Sekunden später sitzt das Vieh wieder auf mir, diesmal knapp oberhalb des Nabels. Falterle, so geht das ned! Erneut arbeite ich daran, das anhängliche Teil aus der Gefahrenzone zu bringen - jedoch vergebens. Hier will es sitzen und basta! Also gut. Ich nehme mein Abendessen rücksichtsvoll mit extrem geradem Oberkörper ein, um nur ja nicht den Falter zu quetschen, der wie festgetackert auf meinem Bauch sitzt. Doch keine Handbewegung, kein Schattenwurf, kein Sonstwas bringt ihn aus der Ruhe. Er ist sehr klein, unscheinbar braungrau gemustert, starrt mir aber die ganze Zeit unverhohlen ins Gesicht, so lange, bis ich mich schließlich derart beobachtet fühle, dass ich mein Besteck niederlege, meine Kurzsichtbrille absetze und ihn ebenfalls ins Visier nehme. Rache ist süß! Aber, meine Güte, der Falter auch - und zwar so was von...!

Lichtstimmungen...
...am späten Nachmittag
Karg, aber faszinierend










Der Winzling nämlich hat riesengroße Knopfaugen, stumpelige, aber sehr fedrige Fühler, ein behaartes Näschen und ein Schnütchen, wie es putziger nicht sein könnte. Entzückt – und auf den ersten Blick heftig verliebt – lege ich mein Besteck beiseite. Schneck, kannst du mir mal meine Kamera holen? Ich muss dieses Schnuffelgesichtchen unbedingt fotografieren! Heinz bringt mir den Fotoapparat und ich beginne, den Falter zu knipsen. Shit, der ist zu nah vor der Linse! Mit der Hand unter meinem Shirt, versuche ich, das Gesichtchen des Mini-Insekts in den Brennweitenbereich meines Objektivs zu bringen. Geht aber nicht, denn sooo dehnbar ist der Stoff nun auch wieder nicht. Schneeeeeck, mach du doch mal, bitte! Schneck macht. Macht gerne, erst recht, als er sieht, was mich da so begeistert. Annette und Jochen lachen sich derweil tot über unsere Fotografier-Verrenkungen. Als sie jedoch das erste, brauchbare Bild auf dem Display meiner Kamera zu sehen bekommen, sind auch sie sofort unrettbar verloren, verliebt, hingerissen. Solange, bis Heinz mal wieder was aus dem Augenwinkel wahrnimmt: was Sauschnelles, was ziemlich Großes...

Altes Hirtenhaus
Pteronia sp.
Augea capensis










Und diesmal kriegen wir es auch zu Gesicht. Es. Es ist eine stattliche Solifuge, voll ausgewachsen, mit riesigen Chelizeren, superflink unterwegs und kein Tier, das ich gerne auf meinem T-Shirt sitzen hätte. Frrrrtzzzz, rrrrhhzzzzz, brrrrrtzzzz, so rennt das Spinnentier in einem Affenzahn auf dem sandigen Boden zu unseren Füßen herum. Unsere Köpfe zucken im Stakkato hin und her und wir wissen gar nicht, was wir jetzt zuerst tun sollen: fertig essen, aufstehen und der Muster-Solifuge fotografisch hinterherjagen oder einfach nur die Füße hochlegen und zusehen. Der Zeitraffer-Zickzackkurs der Walzenspinne allerdings ist so fesselnd, dass wir wie gebannt in unseren Stühlen kleben bleiben, die Füße auf dem Tisch, die Teller auf dem Schoß. Buschkino, Blockbuster! Als jedoch nach kurzer Zeit ein weiterer Protagonist, ein Skorpion, auf der Bildfläche erscheint, hält uns schließlich nichts mehr in unseren Kinositzen. Arachnophobia, Teil 27 1/2; Daddy Fattail versus Speedy Eightleg - und das live! Das muss man einfach fotografieren! Nun ja, die zwei Protagonisten folgen zwar ihrem eigenen Drehbuch, werfen sich nicht mordlüstern aufeinander, und tun auch sonst nichts wirklich Spektakuläres, aber spannend ist es trotzdem. Besonders wir, Zuschauer und Kameramänner zugleich, sind gefordert. Es ist eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, die beiden Spinnentiere im Fokus zu behalten, vor allen Dingen in dieser Dunkelheit, sie einigermaßen scharf auf den Chip zu bannen und nebenbei das Gesamtschauspiel nicht aus den Augen zu verlieren.

Meine neue Liebe:
Das Schnuffelgesicht
Ist der süß!










Dem kleinen Schnuffelgesichts-Falter, obwohl ich mich bemühe, rücksichtsvoll zu agieren, wird die Action bald zu viel und er verläßt in einem unbemerkten Moment den ungemütlich gewordenen Sitzplatz auf meinem Bauch. Tschüß Knuffi, ich werde dich nicht vergessen. Und dein herzerfrischendes Konterfei wird mir, als Bildschirmschoner, die drögen Arbeitstage der folgenden Monate deutlich versüßen. In diese Liga werden es die Fotos der Blockbuster-Hauptdarsteller zwar sicher nicht schaffen, dennoch freuen wir uns, ein paar gute Schüsse dieser flinken Nachtjäger zustande gebracht zu haben, bevor sie beide, ziemlich gleichzeitig, in der Dunkelheit verschwinden. Schade! Aber doch nicht richtig unangenehm, denn die direkte Präsenz der zwei schönen, jedoch wenig knuddeligen Tiere, schränkte unseren Bewegungsradius schon ein bisschen ein. Klar, sie können jederzeit wieder auftauchen. Dennoch nutzen wir ihre mehr oder weniger temporäre Absenz dankbar für die noch zu erledigenden Haushaltsaufgaben. Tisch abräumen, Essensreste verbrennen, Geschirrspülen und alles nachtsicher verstauen.

Skorpion
Solifuge
Spaß beim Fototermin










Es ist nicht unsere tägliche oder gar geschlechtertypische Aufteilung, aber heute spült eben Annette, ich trockne und unsere Männer sitzen am nahen Lagerfeuer und behalten im Gegenzug den Boden zu unseren Füßen im Auge. Und Heinz und Jochen nehmen ihre Aufgaben als Beobachter sehr ernst: „Macht ihr das auch schön? Huhu, hier steht noch ein Teller! Der Grillrost wäre jetzt auch zur Reinigung bereit!“, frotzeln sie. Als wir Frauen fast alles erledigt haben und uns gerne bald zu unseren Aufpassern ans Lagerfeuer gesellen würden, ruft Jochen warnend: „Achtung, Annette, da ist grad wieder eine Solifuge hinter dir.“ „Was sagst du?“, fragt Annette, dreht sich um hundertachtzig Grad und macht dabei mit ihrem linken Fuß den angekündigten Aggressor völlig unabsichtlich, aber umso zielsicherer platt. „Nichts, nichts, alles gut!“, japst Jochen und biegt sich vor Lachen. Annette ist etwas verwirrt, erst recht, als Heinz ebenfalls zu lachen beginnt und ich schließlich auch noch einfalle. Wir krümmen uns, wir heulen, weinen, wiehern, kichern, ersticken fast, haben Bauchweh, werfen uns weg. Je ratloser Annette wird, desto schlimmer plagen uns die Lachattacken. Es ist der Klassiker der nicht erklärbaren Situationskomik, der die Lachmuskeln der Beobachter bis aufs Äußerste strapaziert, den unfreiwilligen Komiker im Dunklen tappen läßt, bis er schließlich abwinkend oder gar beleidigt auf Erklärungsversuche verzichtet, und den man, sobald das Lachen einigermaßen abgeklungen ist, niemandem nachvollziehbar schildern kann. Und schon gar nicht, ohne erneut in tränenförderndes, zwerchfellstrapazierendes Gelächter auszubrechen. Ach, wie geil, wie gut das tut! Jetzt setzt wohl wirklich die absolute Entspannung ein. Selten genug erleben wir derartige Augenblicke im angespannten, termingetriebenen Alltag – und wenn, dann eher als entladend-hysterische Reaktion auf äußersten Stress. Davon sind wir heute jedoch weit entfernt; unser Lachen ist einfach nur von innen raus, höchst befreiend, tierisch albern und zudem nicht zu stoppen. Die arme Annette, der wir zwischen zumindest unseren Grundefür den Lachflash darlegen konnten, ist immer noch etwas irritiert, lacht aber inzwischen aus vollem Herzen mit, weil unser Gekicher derart ansteckend ist, dass man einfach nicht widerstehen kann. Und so beenden wir schließlich diesen Abend: mit den Füßen auf dem Tisch – solifugensicher –, den Sternenhimmel beobachtend, unsere Erlebnisse revue passieren lassend – und immer wieder loskichernd…


Weitere Impressionen des Tages:


Unser Camptal
Euphorbia ramiglans
Beim Kapsel-Besprühen









Euphorbia hamata
Cephalophyllum sp.
Euphorbia mauretanica










Zeitlose Landschaft
Brownanthus-Ebene
Sukkulenten-Hügel










Prachtexemplar E. hamata
Flechte
Warten auf uns  Zwei










Alles voller Sukkulenten!
Blick vom Leeuberg nach Süden
Blick vom Leeuberg nach Norden










Codon royenii
Panorama im Tankwa
Tylecodon wallichii










Tanquana prismatica
langblättrige Form
Tanquana prismatica
kurzblättrige Form
Pteronia sp.










Typisches Gestein...
...in der...
...Tankwana-Ebene










Berge mit Brownanthus-Ebene
Berge mit Euphorbien-Ebene
Augea capensis










Hoodia gordonii
Euphorbia ramiglans
Leipoldtia sp.
Brownanthus vaginatus
















Leeuberg
Annette
Annette und Jochen
Heinz
















Sarcocaulon sp.
Tylecodon wallichii
Tylecodon wallichii
Euphorbia mauretanica















Augea capensis
Wegweiser im Park