Mittwoch, 20. August 2008

Reisebericht Botswana-Sambia: 23. Juni - 3. August 2008

BOTSWANA
23. Juni 08 - Ankunft in Maun, Übernachtung im Maun Rest Camp
24. Juni 08 - Heliflug Delta, Fahrt nach Kaziikini, Übernachtung Campsite
25. bis 28. Juni 08 - Moremi Game Reserve, 2 Nächte Xakanaxa, 1 Nacht North Gate
28. Juni 08 - Khwai Community Campsite
29. bis 30. Juni 08 - Chobe NP, Savuti Campsite
01. Juli 08 - Chobe NP, Linyanti Campsite
02. Juli 08 - Chobe NP, Ihaha Campsite

SAMBIA
3. bis 4. Juli 08 - Livingstone, Victoria Fälle, Livingstone Safari Lodge, Campsite
5. bis 6. Juli 08 - Lochinvar National Park
7. Juli 08 - Zambezi Breezer Lodge, Campsite
8. bis 9. Juli 08 - Mvuu Lodge Campsite, Lower Zambezi National Park
10. Juli 08 - Lusaka
11. Juli 08 - Mkushi Forest Inn
12. bis 13. Juli 08 - Kasanka National Park
14. Juli 08 - Livingstone Memorial, Lake Waka Waka
15. Juli 08 - Bangweulu Swamps, Nsobe Camp
16. Juli 08 - Lake Waka Waka
17. Juli 08 - Samfya
18. bis 19. Juli 08 - Lumangwe Falls
20. bis 22. Juli 08 - Isanga Bay Lodge (Mpulungu, Lake Tanganjika)
23. Juli 08 - Kapishya Hot Springs
24. bis 26. Juli 08 - Mutinondo Wilderness (Wandern, Reiten)
27. bis 30. Juli 08 - South Luangwa NP via Escarpment Road; Übernachtung Wilderness Camp, Autosafaris, Night Safari
31. Juli 08 - Great East Road, Bridge Camp am Luangwa
01. bis 02. August 08 - Lusaka (Shoppen, Stadtbesichtigung, Marktbesuch)
03. August 08 - Heimflug

22.-23. Juni 2008 - Anreise München-Maun (Warum schnell, wenn’s auch mit BA geht?)

So, das Ränzlein ist erneut geschnürt und ich bin bereit für meine 17. Afrikareise. Mein Freund Heinz bringt mich zum Flughafen und wir verabschieden uns schweren Herzens für 6 Wochen. Davon abgesehen ist meine Vorfreude ungetrübt – bis jetzt. Normalerweise gibt es über eine hübsch gebuchte Fluganreise nichts zu berichten: Einsteigen, fliegen, umsteigen, weiterfliegen, ankommen und gut ist’s. British Airways – The Way To Fly...

Nicht so aber diesmal! Nachdem ich die letzten Minuten mit Heinz ausgekostet habe, eile ich zu meinem Gate, ein paar Minuten vor offiziellem Closing. Alle Passagiere sitzen noch da, die Fluganzeige leuchtet vorbildlich, allein das Gate ist nicht besetzt. Daran soll sich auch die nächsten 120 Minuten nichts ändern. Zur Abflugzeit um 16.15 Uhr rattert die Anzeige zwar auf ein „Delayed; 17.45 Uhr“, danach aber passiert nichts mehr. Keine Durchsage, keine Zeitangabe, nichts. Um 18.00 Uhr erscheinen die Boarding-Mädls, sind aber nicht wirklich ansprechbar, denn sie hängen, sobald jemand Erkundigungen einholen will, angestrengt am Telefon; eine telefoniert, die andere gestikuliert und nickt problemgeschwängert. Gegen 18:20 Uhr wird urplötzlich in hektisch-imperativem Tonfall zum Boarden aufgerufen, alle schlichten sich eilig in die Maschine und mit über 2,5 Stunden Verspätung heben wir endlich ab.

Meine Hoffnungen, in London den Anschlussflug nach Johannesburg zu bekommen, sind gegen Null gesunken, steigen aber wieder, als an Bord die Ursache für die Verzögerung bekannt gegeben wird: ein heftiges Unwetter über Heathrow hat alles lahmgelegt. Alles? Also wohl auch meinen JHB-Flug. Der Pilot gibt Gas und wir holen 20 Minuten der Verspätung rein. Ankunft in Terminal 5, der neuen Prunklocation der britischen Luftfahrt. Ich rase hoffnungsvoll durch den Transitbereich, um dann am Securityschalter bedauernd belehrt zu werden, dass mein Anschlussflug zwar erhebliche Verspätung, das Gate aber schon geschlossen hätte – und das vor ungefähr 5 Minuten. Alles Flehen hilft nix; aufs Höflichste werde ich ersucht, ein Rebooking für den nächsten Flug zu erwirken, der um 21.15 Uhr gehen soll. Gesagt, getan. Der Rebooking-Fuzzi versichert mir hoch und heilig, dass von nun an alles fast beinahe nach Schedule ginge.

Ich rase durch das mir unbekannte, neue Terminal und lese auf dem nächsten Monitor: mein Flug ist pünktlich angeschlagen, obwohl schon deutlich über der Zeit, aber die Gate-Information fehlt. Mir schwant Böses, was sich auch bestätigt, als ich mir einen Flughafen-Uniformierten greife. Ja, ob ich’s denn nicht vernommen hätte, dass ALLE Flüge extremely delayed wären?! Doch, doch, schon, nur der Fuzzi vorhin hatte was anderes gesagt. Justament in diesem Augenblick blinkt ein wunderschönes „Delayed“ hinter meinem Flug auf. Toll! Per SMS informiere ich Annette, Joachim und Jürg, die mich morgen in Maun erwarten.

Naja, gut, denke ich mir, dann nutze ich halt die Zeit, um meinen Weiterflug von JHB nach Maun vorzuorganisieren und suche nach einem BA-Schalter. Mehrere dieser hochtechnisierten Arbeitsplätze thronen prominent im riesigen Transitbereich von T5 – sind aber nicht besetzt, obwohl der Slogan „At your service“ über jedem Schalter prangt. Sämtliche Personen, die wenigstens semi-offiziell nach BA aussehen und mir über den Weg laufen, werden befragt, verweisen mich aber allesamt auf die verwaisten Schalter. Das macht Freude! OK, beschließe ich fatalistisch-genusssüchtig, postiere ich mich halt irgendwo, in Sichtweite eines Monitors und mach’s mir bei einem Bierchen gemütlich. Doch nicht mal das ist mir vergönnt! Dieser polierte Stein-Stahl-Glastempel, der sich da Terminal 5 nennt, hat zwar viele Restaurants, in denen man Getränke erwerben kann, aber mehr als ein Kombucha-Drink in Lindenblüte/Hollunder-Geschmack, rechts-, links- und sonst wie drehenden Joghurtschlabbers oder einer Latte Macchiato, die hier offensichtlich schon fast unter’s Drogengesetz fällt ist hier nix zu holen. Bin kurz davor, dass mir der Kragen platzt, aber, oh Wunder, auf ein Mal flackert eine Gateinfo über den Bildschirm. So mache ich mich auf den Weg, folge den Beschilderungen, besteige diesen imponierenden Zubringerzug, dessen Stationsschilder einen eindrücklich warnen, nur einzusteigen, wenn man auch wirklich sicher ist – ansonsten würde die Korrektur des Irrtums mindestens 25 Minuten kosten – und komme schließlich pünktlich vor den Toren meines genannten Gates an.

Auf dem Display leuchtet noch mein ursprünglicher Flug, die Passagiere für den neuen dürfen aber nicht in den Wartebereich, denn das Boarding für den alten ist noch nicht komplett abgeschlossen! So wenigstens informiert mich ein ebenfalls rebookter Passagier, dessen Hals vor Zorn kaum noch in seinen Hemdkragen passt. Ich kann es auch nicht fassen! Natürlich ist kein Personal mehr da und als man uns endlich durchlässt, setze ich mich auf einen Plastikschalen-Stuhl, der noch warm ist von einem Vorgänger, der vielleicht, welch Ironie, jetzt auf meinem reservierten Platz in der Ursprungs-Maschine sitzt.

Doch was soll ich machen? Statt um 19.05 Uhr, respektive rebooked auf 21.15 Uhr, fliege ich endlich um 23.30 Uhr Richtung JHB. Insgesamt also satte 4 Stunden 25 Minuten später als geplant. Immerhin fliege ich; schade ist nur, dass meine Umsteigezeit in JHB, von mir großzügig geplant auf 3 Stunden 50 Minuten, nun um mehr als eine halbe Stunde überreizt wird. Da ich es nicht ändern kann, ergebe ich mich meinem Schicksal und avisiere die Purserette meines Fluges, ich hätte noch mit ihr zu reden, wenn sie denn mal Zeit hätte, sich meiner anzunehmen. Als nach dem Servieren des Essens, dessen Überreste-Beseitigung, dem Anlaufen des Unterhaltungsprogramms endlich Ruhe einkehrt, schmiegt sich ein graumelierter Saftschubser an meine Armlehne und überreicht mir einen Fragebogen, den ich bitte gerne bezüglich meiner Zufriedenheit mit der BA ausfüllen solle. Mhm?! Ein Zufalls-Generator hätte mich auserwählt, als eine von 15 Personen an Bord dieser Maschine, an dieser Umfrage teilzunehmen. Mhm!! Ich beglückwünsche den armen Steward zur randomisierten Auswahl des Computers seines Arbeitgebers. Besser hätte man es nicht treffen können!

Auf meine diesbezüglichen Gratulationen hin macht Stephen, so heißt der Serviceknabe, turbobedauernde Kulleraugen und verspricht mir, er werde alles in die Wege leiten, was zu meinem möglichst unbehelligtem Weiterkommen mit der Air Botswana nötig wäre. Ich solle ihn doch beim Aussteigen noch mal darauf ansprechen, nicht, dass es in Vergessenheit geräte... Klar, Stephen, du machst das! Als ich um 11.00 Uhr vormittags (also 50 Minuten NACH dem planmäßigen Abflug nach Maun) von Bord und an ihm vorbei gehe, strahlt er mich wieder erkennend an und verkündet mir, ich solle doch zum Air Botswana-Schalter gehen, die würden alles für mich regeln. Auf meine Frage, ob das in trockenen Tüchern ist, gesteht er mir, er hätte niemanden erreichen können (hat er es überhaupt versucht?), aber die Leute wüssten schon, was zu tun wäre. Auf die Idee, zur Air Bots zu gehen, wäre ich nun selbst nicht gekommen... Trotzdem danke, Stephen!

Im Eiltempo passiere ich die Immigration, pflücke meine Reisetasche vom Band (uih, es ist eines der ersten Gepäckstücke, unglaublich) und erspähe im Transitbereich einen Air Bots-Schalter. Kurz schildere ich mein Problem. Der Gesichtsausdruck der Schaltertante ändert sich von geschäftlich auf strahlend und sie sagt: Madam, you are VERY lucky! Meine Maschine nach Maun hat eine derartige Verspätung, dass ich mir nichts, dir nichts, mitfliegen kann! Gelobt sei Afrika, wo es, nicht nur sprichwörtlich, keine „Hurry“ gibt!

Statt um 10.10 Uhr fliegt das Maschinchen, bis auf den letzten Platz besetzt, erst um 13.30 Uhr und ich bin endlich in Maun! Annette, Jochen und Jürg holen mich vom Airport ab und wir fahren zum Maun Rest Camp.

Mann, bin ich froh, dass ich da bin! Das Maun Rest Camp gefällt mir auf Anhieb; es liegt am direkt am Thamalakane-Ufer, es sind kaum andere Reisende da, die Vögel zwitschern in den Bäumen, die Grillen zirpen, es riecht nach Afrika und ich bin DA!

Zur Übernachtung war ursprünglich das Audi Camp angedacht, aber da Annette und Jochen Wochen zuvor dort nächtens überfallen und ausgeraubt worden waren, wurde nach einer sichereren Alternative gesucht. Die örtliche Polizeistatistik ergab, dass Maun Rest Camp „am wenigsten oft von allen Camps“ überfallen wurde. Das hat doch was, oder? Nein, im Ernst; wie ich schon letztes Jahr feststellen musste, hat sich Maun derart zum Nachteil verändert was mein persönliches Wohlempfinden anbelangt. Es glänzt, es teert, es touristet, es shopt, es kreditcardet, es klimatisiert – kurzum: es ist zu einer Drehscheibe des boomenden Tourismus in Bots geworden. Da steigen mehrmals am Tag mehr oder weniger arglose „wandelnde Lebensversicherungen“ aus; die ganz Geldigen werden ausgeflogen; solche wie wir übernachten in-um-und-um-Maun-herum und je mehr wir uns in unserem relativen Reichtum afrikaselig zusammenrotten, umso angreifbarer und leichter ausraubbar werden wir.

Auch wenn wir „relativ“ sicher sind, wir schließen alles so weg, dass im Normal- und auch im Spezialfall keiner drankommt und genießen den Abend miteinander.

24. Juni 2008 - Maun, Heliflug > Kaziikini


Ganz früh, noch bevor die Sonne rauskommt, stehen wir heute auf, denn etwas ganz Besonderes steht auf dem Programm: ein 90-minütiger Heliflug über das Okavango-Delta. Pünktlich um viertel nach sieben stehen wir bei Okavango Helicopters bereit, dick eingepackt in Pullis und Windjacken, da es relativ frisch ist und beim Fliegen sicher noch kälter wird. Unsere Pilotin Annie lotst uns durch den Mauner Airport, wo wir durch die Sicherheitskontrolle müssen. Joachim hat wie immer sein recht beachtliches Taschenmesser dabei, muss es durch das Röntgen schieben, um es sich danach wieder in die Tasche stecken zu dürfen.

Auf dem Rollfeld steht schon unser Helicopter, ein Bell. Annie stellt uns vor die Alternative: ein Flug mit geschlossenen oder ausgehängten Türen. Natürlich wollen wir letzteres, auch wenn es dann ganz schön zugig wird. Wir quetschen uns in den Heli, setzen die Kopfhörer auf und schnallen uns an. Joachims Gurt macht Zicken, er will nicht zu bleiben. Das macht ein leicht mulmiges Gefühl, angesichts der ausgehängten Türen, aber schließlich ist er zu und wir vertrauen darauf, dass er es auch bleibt.

Und dann geht es los! Es ist ungeheuer laut und wahnsinnig windig. Die ersten Flugkilometer sitzen wir noch etwas verkrampft und stemmen uns mit den Füßen gegen den Türrahmen. Annie steuert auf das Delta zu und fliegt ein paar enge Kurven. Wenn man ein paar Mal im 45-Grad-Winkel über der Türöffnung hängt, nur gehalten vom Gurt, dann verliert sich die Verkrampfung und die Faszination gewinnt die Oberhand.

Ich bin ein ausgesprochener Fan von Michael Polizas „Eyes over Africa“ und häufiger Gast bei google Earth, aber das Delta mit eigenen Augen von oben sehen zu können, ist unvergleichlich. Diese Farben, das wogende Gras, die Papyrusinseln, das Glitzern des Wassers in der aufgehenden Sonne! Unzählige glasklare Wasserwege, Tümpelchen und Tierpfade malen grafische Strukturen in die unter uns liegende Landschaft. Wir überfliegen riesige Herden von Zebras, Gnus und Lechwes, sehen unzählige Vögel, die sich, vom Hubschrauber gestört, in die Lüfte erheben, Giraffen, die in elegantem Lauf vor uns Reißaus nehmen. Überall stehen Elefanten, im Wasser, zwischen den Bäumen, im Gras. Am faszinierendsten aber sind die Hippos; da das Wasser unglaublich klar ist, sieht man nicht nur ihre Köpfe, sondern auch den ganzen Rest des Körpers unter Wasser. Es ist unglaublich schön und die Zeit vergeht, im wahrsten Sinne des Wortes, wie im Fluge. Viel zu schnell sind wir wieder zurück in Maun, fahren zum Camp, wo wir andächtig schweigend unser Frühstück einnehmen. Auch, wenn so ein Heliflug kein ganz billiges Vergnügen ist: es lohnt sich auf der ganzen Linie und ist unvergesslich!

Nach dem Frühstück aber holt uns die Erledigungs-Liste wieder auf den Boden des Reisealltags. Zunächst statten wir dem Audi Camp einen Besuch ab, wo Annette und Joachim sich nach möglichen Entwicklungen in Sachen Überfall kundig machen wollen. Man erinnert sich an den Vorfall, aha, immerhin, der Campmanager aber ist plötzlich ein anderer als vor vier Wochen. Neuigkeiten gibt es nicht, man verweist uns auf den Satellite Post der Polizei vor den Toren Mauns. Auch dort gibt es keine neuen Erkenntnisse. Interessant ist nur, dass das „Auftragsbuch“ der Beamten randvoll ist – für jeden Tag existieren eine Vielzahl von Delikt-Einträgen. Und immer wieder ist das Audi Camp betroffen. In der Woche vor dem Überfall auf Annette und Joachim fanden bereits drei andere statt. Zweimal drangen die Diebe über den nicht wirklich protektiven Zaun ein, öffneten eines der herumstehenden Zelte (mit schlafenden Menschen darin) und entwendeten, was sie gerade in die Finger bekamen. Der dritte Überfall war geplanter und richtig übel. Mehrere Täter zwangen des nächtens sämtliche Zeltbewohner aus selbigen hervor zu kommen, sich auf den Boden zu legen, um dann in Ruhe alles ausräumen zu können. Ein Tourist muckte wohl auf und wurde ins Bein geschossen. Am Rande: das Audi Camp zeigt keine Tendenzen zu weitergehenden Sicherheitsmaßnahmen. Also Vorsicht!

Wir fahren weiter zur Polizeizentrale in Maun-City. Während Jürg und ich vor dem Stacheldrahtzaun beim Auto warten, steuert ein grauhaariger Herr nebst jungspündigem Begleiter schnurstracks auf uns zu. „West- oder Ostroute?“ fragt er uns ohne jegliche Begrüßung. „Mhm“, denke ich nach, „mittendurch, mehr oder weniger.“ Diese Antwort kommt, ohne genau zu wissen, was er denn will. Dann schwallt er los: „Ah, interessant, und wie denn dann? Seid ihr auch über Somalia gefahren und habt dort dies und jenes erlebt, weil ja und überhaupt, blabla...?“ Ach, er meint eine Durchquerung des gesamten afrikanischen Kontinents. Damit können wir im Moment nicht dienen. Als ich ihm zu verstehen gebe, dass wir schnöde Botswana-Sambia-Touris sind, dreht er wort- und grußlos auf dem Absatz um und hastet von dannen. Sein jugendlicher Begleiter zuckt entschuldigend die Schultern und dackelt dem Afrika-Checker hinterher.

Annette und Joachim haben in der Zwischenzeit herausgefunden, dass ihr Fall bei der Zentrale gar nicht aktenkundig ist. Auch die Vorlage des Original-Protokolls bringt kein Licht ins Akten-Nirwana. Also auf der ganzen Linie eine Nullnummer! So sind wohl Imagetank, Kamera, diverse Papiere und Kleidungsstücke für immer verloren, eingeschleust in den Kreislauf unergründlicher Hehlerkreise.

Kurz machen wir noch einige Besorgungen in Maun, unter anderem erstehe ich bei PEP eine Wolldecke für umgerechnet gut 2 Euro, um mich gegen die kommenden kalten Nächte gebührlich zu wappnen, bevor wir Richtung Kaziikini aufbrechen. Weit ist es nicht, aber die Strecke wird gerade überarbeitet und über Kilometer liegen, in regelmäßigen Abständen, Schotterpyramiden am Rande der Straße. Das macht die Angelegenheit etwas staubiger als üblich und sehr eng bei Gegenverkehr. Doch am späten Nachmittag sind wir da, schlagen unsere Zelte auf. Die Sonne geht unter und es wird, mit Verlaub, SAUkalt! Ein Schmetterling, der sich auf einem Ast in Augenhöhe niedergelassen hat, ist in eine Starre verfallen, die bis zu unserer Weiterfahrt am nächsten Morgen anhält. Armer Kerl, aber extrem entgegenkommend beim Fotografieren!

Dunkelheit und zunehmende Kälte senken sich auf uns herab, diverses Getier raschelt im umgebenden Gebüsch, wohlig hülle ich mich in meine neu erworbene Decke und schlafe beglückt dem nächsten Tag entgegen.

25.-28. Juni 2008 - Kaziikini > Moremi, Xakanaxa, North Gate

25. Juni – Kaziikini > Xakanaxa
SAUkalt, ja so war es heute Nacht! Hach, was war ich froh um meine Wolldecke, die zwar etwas streng riecht, mich aber nicht im Stich gelassen hat. Der Schmetterling sitzt immer noch regungslos im Ast, als wir nach Frühstück und Packaktion weiter Richtung Moremi fahren.

Nun hatten wir ja im Vorfeld einigen Hickhack bei der Buchung der Moremi-Camps und unsere letztendliche Bestätigung sicherte uns die erste Nacht in South Gate, dann folgte eine Nacht außerhalb und die dritte bekamen wir am North Gate. Schön, aber nicht wirklich befriedigend. Doch wir wären nicht in Afrika, würde sich dieses „Problem“ nicht einfach in Luft auflösen. Am South Gate informiert man uns bedauernd, es hätte im Moment kein Wasser und somit würde man uns bitten, doch nach Third Bridge oder Xakanaxa weiterzufahren. Fehlende Buchung für eine Nacht? Ach was! Sucht euch ein Camp aus und bleibt dort zwei Nächte! Nichts anderes wollten wir und entscheiden uns für Xakanaxa, nicht ohne einen kleinen Freudentanz aufgeführt zu haben.

Dieser Buchungswahnsinn speziell für den Moremi hat ja so einen gewissen abenteuerlichen Charme; solange man bekommt, was man will. Aber beim zunehmenden Ansturm der Touristenmassen führt sich das ganze selbst ad absurdum. Ein bisschen Besserung verheißt wohl, dass nun an jeder der innerhalb liegenden Campsites eigene Gates errichtet werden, an denen man in Zukunft vorsprechen, die Reservierungen nachweisen und sich registrieren muss. Wenn das dann auch über vernetzte Computer abgeglichen wird, könnte sich die Situation regeln, klären und sichtlich entspannen. Doch noch ist hier alles nicht so weit und wir freuen uns riesig, unsere fehlende Nacht so mir nix, dir nix, bekommen zu haben.

Genüßlich zockeln wir nach Xakanaxa, errichten dort auf einer Reservesite unser Lager (die Site ist kein bisschen schlechter als die „richtigen“, allein die Wasserstelle fehlt) und starten noch zu einem Afternoon-Drive. Dieser führt uns vorbei an marodierenden Elefanten, fluffigen Wasserböcken, über eine Furt nach Dead Tree Island, zurück an im Abendlicht schimmernden Vögeln und glitzernden Wasserflächen, bevor wir gen Sonnenuntergang wieder auf unserem „Notplätzchen“ landen. Nach einem gemütlichen Abendessen sitzen wir noch am wärmenden Lagerfeuer, bereit ins Bett zu gehen, als eine einsame Hyäne in ein paar Meter Entfernung an uns vorbei läuft und uns keines Blickes würdigt. Die Hippos schnorcheln geräuschvoll im nahen Schilf und - die Welt ist in Ordnung!

26. Juni - Xakanaxa
Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu einem Morning Drive, der etwas länger als geplant ausfallen soll. Erst sehen wir ein paar Elefanten, dann einige Wasserböcke und viele Lechwes, Frankolins, Giraffen, Hammerköpfe und Impalas. Friedvoll juckeln wir durch die Märchenlandschaft des Moremi, als wir auf einmal einen feststeckenden Geländewagen sichten. Nachdem der Fahrer fast eine Stunde auf passierenden Verkehr gewartet hatte, freut er sich über unser Rettungsangebot. Er steckt nicht zwar in der Scheiße, dafür aber in zähem Schlamm. Bis über die Achsen hat sich der Toyota festgefahren, in trügerisch grasig anmutenden Boden, der dann doch ungeahnt muddy war. Die Versuche, den weißen 4x4 nebst bärtig-strubbeligen Südafrikaner vorwärts raus zu ziehen scheitern, zu tief steckt der Wagen im Schlamm. Joachim wendet unseren Landy und hängt den Abgesoffenen an die Winde.

Das Stahlseil strafft sich auf’s Äußerste, der Toyota bewegt sich trotzdem keinen Millimeter. Ich hab echt Angst, dass das Seil reißt und uns um die Ohren fliegt, doch auf einmal ruckt der Toyota, es schmatzt laut und vernehmlich und er ist aus dem Gröbsten raus. Natürlich haben sich in der Zwischenzeit auch Zuschauer eingefunden, die das Schauspiel und dessen glücklichen Ausgang interessiert beobachten. Doch alles ist vorbei, der stecken gebliebene Südafrikaner ist raus aus dem Schlamm-Massel und wir packen zusammen. Annette hat sich währenddessen fest geplauscht mit einem alleinreisenden Leipziger, der sich auf unserem weiteren „Morning Drive“ an unsere Fersen heftet.


Die Sonne steigt höher, wir sehen viele Tiere, unter anderem auch einen Elefanten, der sich offensichtlich das linke Vorderbein gebrochen hat und sich erbärmlich hinkend dahinschleppt. Immer wieder stützt er sein Körpergewicht auf den Rüssel und entlastet das kaputte Bein. Welche Schmerzen müssen das sein?! Und wie wird lange wird es dauern, bis er diesen Zustand überstanden hat, wie durch ein Wunder vielleicht wieder gehfähig oder, viel eher wahrscheinlich, geschwächt, von Raubtieren zur Strecke gebracht wird, schmerzvoll um sein Leben flüchtend, bis er dem Tode erliegt. Die Natur, so sagt der Mensch, ist grausam. Was der Mensch nicht oder selten wahrnehmen will ist, dass ER allein die Vorgänge als grausam bezeichnet und sich SELBST komisch bis weich-eiig verhält. Nicht, dass ich (bin ja Mensch) mit einem gebrochenen Bein jubilierend meinen Exitus durch Predatoren erwarten möchte, doch der Humanoide ist bisweilen schon sehr eigenartig in seinen Überlebensbemühungen. Ein paar Kilometer nach dem bedauernswerten Ele treffen wir auf eben diese Spezies.

Fünf vollbepackte RSA-4x4s, ein steil aufragender Termitenhügel. Schützend, mit den Fahrzeugschnauzen nach oben, haben sich die Südafrikaner aufgestellt und wägen sich in dadurch offenbar in voller Sicherheit vor jeglichem Ungemach der Natur. Hoffentlich bricht sich keiner was beim Fotografieren dieser so „sicheren“ Formation! Kopfschüttelnd fahren wir weiter, die Sonne steht schon im Zenith, als wir an einem Schild ankommen: Bodumatau Track. Egal, welchen Weg wir nun zurück nehmen: wir sind jetzt richtig weit entfernt von unserem Camp. So beschließen wir ein verspätetes Frühstück einzunehmen, bevor wir wieder zurück Richtung Xakanaxa fahren.

Der Weg führt uns durch trockene, tierarme Gegenden zurück ans Wasser. Auf einer Lichtung, wieder in relativer Nähe unseres Camps, verlieren wir uns in der Beobachtung von zahlreichen Goldbugpapageien (Poicephalus meyeri). Jürg, der passionierte Fotograf, hüpft aus dem Auto, legt sich ins Gras, schleicht sich an, schießt tolle Fotos. Verschlampert aber im Eifer des Gefechts sein hellgelbes Microfaserhandtuch, das das auf dem Schoß stets bereitgehaltene Kameraequipment vor Staub schützte.

Bevor er das merkt, sind wir schon an der Lagune, wo uns eine Löwensichtung verheißen wurde. Kreuz und quer fahren wir die Wege auf und ab. Sichere Aussage ist nur: die Katzen sind einer Büffelherde gefolgt. Lange Zeit sehen wir weder Bovine noch Felidae, nur den Droppings der Büffel können wir nachfahren. Doch plötzlich haben wir sie gefunden. Ein Rudel vollgefressener Löwen, zwei Männchen, viele Weibchen und einige Junge. Keine ganz kleinen mehr, aber mit dem riesigen Büffelschädel mühen sie sich alle ab und, so knuffig sie sind, die Kleinen, so nervenzersägend maunzen sie. Es ist kaum zu glauben, welch unsäglich scheußliche Töne aus so etwas Liebreizenden hervor kommen können. Lange beobachten wir das Treiben der Katzen und stellen amüsiert fest, dass auch wir beobachtet werden. In sicherer Entfernung haben sich an die 10 Giraffen wie die Orgelpfeifen postiert und äugen mit neugierig gebogenen Hälsen zu uns herüber.

Der Büffel, fein säuberlich abgenagt, gibt nicht mehr viel her und die ersten Löwen machen sich aus dem Staub. Ein koreanisches Zweimann-Fernseh-Team, stationiert auf der Ladefläche eines Pick-Up, ist so fixiert auf die noch am Kadaver nagenden Löwen, dass den beiden der Aufbruch entgeht. Der Kameramann hängt mit einer Pobacke über der Ladeklappe und erliegt beinahe einen Herzstillstand, als der Tonmann ihm sagt, es marschiere gerade ein Löwe unter seinem Allerwertesten durch. Doch die Katze interessiert das überhaupt nicht, der Koreaner aber verlagert vorsichtshalber sein Gesäß komplett auf die Ladefläche. Das war weise, denn nach und nach verdünnisieren sich alle Löwen mehr oder weniger exakt über die Stelle, wo vorher noch sein Hintern in den Weg ragte.

Wir folgen den Löwen noch zu einem Wasserloch, wo sie einen Digestif zu sich nehmen und schließlich in den Büschen verschwinden. Naja, nun könnten wir ja schön langsam mal zum Camp zurück fahren, denken wir uns, doch ein paar Kilometer weiter treffen wir auf besagte Büffelherde. Ein einem unendlich erscheinenden Strom ergießen sie sich aus einem Waldstück, kämpfen sich durch eine Furt und verteilen sich im nächsten Wald. Und all das direkt vor unseren Augen. Die Sonne steht schon tief, das Licht ist warm und verbreitet eine nahezu märchenhafte Stimmung. Der Staub, den die Büffel aufwirbeln, zeigt sich in Form von güldenen Wolken in seiner schönsten Seite.

Unser Vorhaben allerdings, jetzt noch nach Jürgs verlorenem Tuch zu suchen, können wir vergessen. Die Büffel, mehrere hundert, verteilen sich im Waldstück des erlittenen Verlustes; unter jedem Baum stehen mehrere der massigen Rinder. Doch das eben Erlebte entschädigt auch Jürg voll und ganz und er schreibt sein Tüchlein einfach ab.

Die Sonne geht unter, wir nehmen noch einen klassischen Sundowner am Rande der Lagune, bevor wir erlebnissatt zum Camp zurück kehren. Eigentlich hätten die heutigen Ereignisse vollauf gereicht, um sagen zu können: Das war ein Wahnsinns-Tag! Aber nach dem Abendessen soll es weiter gehen. Die Camper vom Nachbarplatz leuchten aufgeregt umher und bald erspähen wir in deren funzeligem Lichtkegel einen Leoparden. In gemütlichem Schritttempo hält dieser auf uns zu, passiert uns in ein paar Metern Entfernung, ohne uns zu beachten und verschwindet im Dunkel. Ein wunderschöner Anblick und ein echter Adrenalinschub.

Kaum haben wir uns wieder eingekriegt, kommt aus der anderen Richtung ein Hippo daher. Laut rupft es Gras vom Wegesrand und zerkaut es geräuschvoll. Zielstrebig steuert der Koloss auf unsere Site zu und wir verschanzen uns sicherheitshalber hinter dem Landy. Das Hippo mampft genüsslich um unsere Zelte herum, umrundet den Tisch und macht sich nach über eine halben Stunde dann zu unseren Nachbarn auf. Mittlerweile ist es schon wieder empfindlich kalt geworden und wir begeben uns in die Zelte, die wir wieder gefahrlos erreichen können. Eine Viertel Stunde später kommen die zwei Hyänen, die wir schon lange Zeit nur gehört hatten. Eine der beiden hat unseren Nachbarn ein 2-kg-Mayo-Glas aus Plastik geklaut, zerkaut dieses nun laut splitternd neben unseren Zelten und leckt auch noch den letzten Rest aus den Splittern. Wenn das mal nicht einen gehörigen Durchfall gibt! Die zweite Hyäne hätte immer gerne was ab, wird aber nicht ran gelassen und vertrollt sich schließlich frustriert. Und ich schlafe selig grinsend, begleitet von den Schmatzgeräuschen der Hyäne, dem nächsten Tag entgegen.

27. Juni – Xakanaxa > North Gate
Nach einem solchen Tag muss ein gemäßigterer folgen, denkt man, denn es kann ja nicht immer im Erlebnisgalopp dahingehen. Schaun wir mal. Auf jeden Fall brechen wir heute unsere Zelte in Xakanaxa ab und ziehen um zum North Gate. Unterwegs sammeln wir Brennholz, erkunden den genauen Aufbau einer Tsetsefalle, widmen uns der genaueren Bestimmung diverser Raubvögel, die für mich immer noch recht schwer zu unterscheiden sind. Paradise Pools können wir diesmal leider nicht besuchen, denn immer noch steht zu viel Wasser. Doch es ist noch so wasserreich, dass sich überall in der Landschaft andere Paradise Pools gebildet haben, die uns mit ihrer reichen Kroko-, Hippo- und Vogelbevölkerung belohnen.

Kurz bevor wir am North Gate einlaufen, fallen uns zahlreiche Marabus und Geier am Himmel auf. Das Zentrum des Kreisens liegt so nahe am Weg, dass wir die paar Meter ins Gebüsch fahren, um zu sehen, was da los ist. Ein toter Junglöwe liegt dahingestreckt im Gras. Eigentlich sieht er aus wie der Stolper-Teppich in Dinner For One, wären da nicht die blutroten Rippen, die in die Luft ragen. Irgendwas ist komisch an der Situation; all die Aasvögel sind hier, tun sich aber nicht gütlich am Kadaver. Gerade als wenn sie sich nicht trauten. Wir vermuten, der Junglöwe ist einer Konfrontation mit einem Leoparden zum Opfer gefallen und der sitzt hier noch irgendwo in einem der Bäume. Wie gesagt, eine Vermutung, bestätigt bekommen wir das nicht. Der Tag schreitet voran und wir sollten dann doch besser ins Camp, unsere Zelte aufbauen.

In North Gate angekommen sind wir erst mal ein wenig entsetzt. Es sieht hier aus! Bei Hempels unter dem Sofa ist es wahrscheinlich gepflegt dagegen! Überall liegt Müll, das Camp ist eine einzige Dreckhalde und zudem noch Baustelle. Offenbar haben Affen allen Abfall, dessen sie habhaft werden konnten, seit Tagen in der Gegend verteilt und niemand hat auch nur ein Teil aufgeräumt. Unfertige Gebäude sind zu sehen, die Baumaschinen haben die Wege zerwühlt und zu allem Überfluss ist auch noch M7, der Platz der in unserer Reservierung steht, winzig, uneben und verdreckt. So beschließen wir uns auf einer freien, müllfreien Fläche innerhalb des Camps nieder zu lassen. Zum ersten mal seit Tagen tu ich mir den Luxus einer Dusche und Haarwäsche an und bin, wie immer, begeistert. Unglaublich, wie schnell die Haare trocknen, unglaublich, wie extrem dusch-gelig man riechen kann, obwohl man denkt, vorher auch nicht schlecht gerochen zu haben.

Am späten Nachmittag besuchen wir nochmals unseren Teppichlöwen; die Situation ist unverändert. Alle Aasfresser sind versammelt, keiner traut sich ran. Auf unserem Abenddrive begeistern uns noch zahlreiche Vögel, Kudus, Warane, Tsessebes und ein malerischer Sonnenuntergang am Hippo-Pool. Die Eindrücke haben uns mal wieder satt gemacht, aber die Mägen knurren. Im Camp bringen wir das Lagerfeuer zum Lodern, werfen alufolinierte Kartoffeln in die Glut und würzen vorfreudig die Steaks. Nicht lange und wir fühlen uns extrem beobachtet. Das hyänentypische „Uuuhah“ haben wir schon ein Weile vernommen, aber, wenn wir nun mit unseren LEDs in die umliegenden Büsche leuchten, können wir sie auch sehen. Zumindest deren glühende Augen. Schon letztes Jahr trieb sich hier eine ganze Horde Hyänen um unser Lager herum, aber diesmal sind es deutlich mehr. 14 unterschiedliche Augenpaare können wir mit Sicherheit festmachen, aber es sind sicher mehr. Und sie kommen immer näher, ziehen ihre Kreise immer enger. Wir beugen uns zu Sicherheit der Übermacht, räumen bedauernd unsere Steaks wieder in die Coolerbox und begnügen uns mit den Beilagen-Kartoffeln. Doch lieber nur eine Folien-Kartoffel mit Salz und Knoblauch und auf das Fleisch verzichten, als die kleinen, gierigen Biester anzulocken. Wäre es eine Hyäne allein gewesen, vielleicht auch drei oder vier, kein großes Problem, aber bei der stattlichen Anzahl?! Steaks vertagt, Kartoffeln verspeist, wir im Zelt. Kurz darauf erscheint der Inspektionstrupp. Es wird geschnüffelt, geknuspert, gesucht – aber nichts gefunden. Und weg sind sie wieder. Wahrscheinlich rüber zum nächsten Nachbarn, der vielleicht doch ein Zipfelchen Boerewors, ein paar Zwiebelringe oder wenigstens ein Glas Mayo hat liegen lassen. Uuuhah, gute Nacht, ihr Schönen und viel Glück!

28. Juni 2008 - North Gate > Khwai Community Camp

Eigentlich wollten wir den Tag heute ganz ruhig angehen. Eigentlich. Wir schlürfen gerade unseren Morgentee und heizen das Toastfeuer an, als sich ein recht offiziell aussehender Wagen mit einem noch offizieller aussehenden, uniformierten Fahrer nähert. Finstergesichtig starrt er zu uns herüber und mir fällt wieder ein, dass unser Stellplatz so gar kein offizieller ist. Als er sich auch noch erklärend zu seinen Safarigästen beugt und mit dem Finger auf uns deutet, ist es klar - es gibt Ärger. Und da hält er schon an. Uih, kann der böse schauen. Unfreundlich weist er uns auf unsere Verfehlung hin. Unsere Müllargumente tut er verächtlich ab. Wir seien Gäste seines Landes und hätten uns den bestehenden Regeln zu beugen. Und was den Müll anbelangt - unsere Generation hätte die Paviane gefüttert, jetzt hätten wir es auch auszubaden. Ja, prinzipiell hat er natürlich recht, aber ist man ein guter Gastgeber, wenn man seinen Gästen ein verdrecktes Schlafzimmer anbietet? Und sie dann auch noch schilt, wenn sie auf dem Balkon nächtigen? Nein, definitiv nicht. Es hat aber keinen Sinn, weiter zu argumentieren und den Finsterling noch mehr zu verärgern, zudem er drohend hinzufügt: Er sage einem Kollegen Bescheid und wenn wir Guys in 20 Minuten nicht verschwunden wären, gäbe es richtig Ärger. OK, Bwana Ranger, sicher doch!

Warum er nun ausgerechnet eine zwanzigminütige und keine halbstündige Frist angesetzt hat, erschließt sich uns nicht. Doch wir sind ein eingespieltes Team und in afrikanischen 20 Minuten sind die Zelte abgebaut, alles verpackt und verstaut, das Toastfeuer mit Sand bedeckt und wir sitzen im Auto. Der erste Weg führt uns zurück zum Teppichlöwen. Die Marabus sitzen zwar noch in den umliegenden Bäumen, der Kadaver aber ist weg und zwar rest- und spurlos. Schade, dieses Rätsel werden wir nicht mehr lösen.

Ein paar Stündchen kurven wir noch in der North Gate-Gegend herum. Wir beobachten eine Wasserbockmama mit ihrem Kalb, das einen Riesenspaß beim Impala-Jagen hat. Immer wieder attackiert das Kleine die verdutzten Impalas, pickt sich ein Opfer heraus und hetzt diesem mit übermütigen Bocksprüngen hinterher. Die Mama sieht das ebenso gelassen wie die Sporengänse am nahen Tümpel, deren eigentlich unscheinbares Gefieder metallisch in der Morgensonne glänzt. Ein paar Kilometer weiter verzaubert uns die kunstvolle Nahrungssuche eines Pied Kingfisher. Unermüdlich startet er von seinem Ast, überfliegt spähend die Wasseroberfläche, hält rüttelnd im Flug inne, um schließlich mit einem eleganten, pfeilschnellen Stoß kurz einzutauchen. Seine Manöver sind nicht immer von Erfolg gekrönt, aber es ist sehr spannend, ihn zu beobachten.

Auf der anderen Tümpelseite steht eine nette Ansammlung etwas größeren Federviehs. Mehrere Marabus machen mit ihren eingezogenen Hälsen einen recht verfrorenen Eindruck, während sich die Rosa- und die Rötelpelikane schon eifrig putzen, zwei Sattelstörche dösen noch vor sich hin. Ein echt drolliger Anblick, von dem wir uns jedoch alsbald lösen müssen, denn gegen 11.00 Uhr sollten wir den Park verlassen haben.

Recht pünktlich rollen wir über die Knüppelbrücke am Gate, tragen uns aus und fallen dann erst mal im Khwai Shop ein. Ein winziger Laden, in den ich immer wieder gerne reingehe. Auf wenigen Quadratmetern erhält man alles, was man braucht oder eben auch nicht. Von Wasser und Bier über Obst und Gemüse bis hin zu Konserven, Kosmetik und Parfum gibt es hier vieles zu bestaunen. Bleichcreme für die pflegebewusste Afrikanerin steht gleich neben der schwülstigen Duftwasser-Packung „Tropic Amorous Feelings“ und dem Dolce&Nobleman EdT für den modernen Verführer. Insektensprays schmiegen sich an riesige Tastic-Reisbeutel, Grillkohleanzünder stehen im Dialog mit Einwegrasierern, Frühstücksflocken und Kopfschmerztabletten. Der interessierte Kunde wird bereits mit an die Hausmauer gemalten Logos über das unglaubliche Sortiment in Kenntnis gesetzt. Drinnen wird man zuvorkommenst bedient und sogar unsere Frage nach dem Weg zum Office der Khwai Community wird mit einem durchdringenden Pfiff der Verkäuferin praktisch und schnell beantwortet. Sofort eilt ein junger Mann herbei, hilft uns, unsere Einkäufe zu verstauen, setzt sich auf unser Reserverad und dirigiert uns zum Trust-Büro.

Dort erledigen wir die Formalitäten, transportieren unseren netten Helfer noch ein Stück des Weges, bevor wir in der Nähe des Khwai River unser Frühstück nachholen. Zwar ohne Toast, der Genuß des Anblicks vorbeiziehender Elefanten, Giraffen und ein paar neugieriger Warzenschweine aber ist ungleich größer.



Direkt am Fluss geht faunatechnisch dann richtig die Post ab. Elefanten auf beiden Uferseiten, Gnus, Impalas, Lechwes, Giraffen, Hippos im Wasser und an Land, Krokos, Jacanas, Reiher, Coucals, Enten, Gänse, Libellen, Greifvögel, Papageien, Paviane. Hier gibt es keine 10 Meter am Stück, auf denen man mal nichts sehen würde. Diese Vielfalt, die Tierdichte, die paradiesische Landschaft hier am Khwai haut mich jedes Mal wieder vom Hocker. Langsam tasten wir uns am Flussufer voran, halten immer wieder an, beobachten, staunen, fotografieren. Wir erreichen Hippo Island, ein beliebter Strandabschnitt für sonnenhungrige Nilpferde. Hintern an Hintern rösten die Dicken regungslos vor sich hin, einige schon gefährlich rosa. Sie klettern frühmorgens aus dem Wasser, brezeln sich in die Sonne und verschwinden erst gen Sonnenuntergang wieder im Wasser. Ein merkwürdiges Verhalten, aber typisch für diese Stelle am Khwai. Die meisten der Sonnenanbeter haben leuchtend weiße Spritzer Vogelkotes auf dem Körper und im Gesicht, sind durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen. Nur manchmal wird unwillig aufgegrunzt, wenn sich ein Kollege im Schlaf zu heftig bewegt. Stunden und Tage könnte ich hier verbringen!

Doch wir nähern uns, zumindest laut der von Jürg im Trustbüro festgehaltenen GPS-Koordinaten der Abzweigung zum Community-Camp. Sie ist wirklich schwer zu finden. Es existieren zahlreiche Abzweigungen nach links, doch so ganz ohne GPS die richtige zu treffen, ist fast unmöglich. Natürlich ist auch nichts beschildert. Dank der Koordinaten aber landen wir beim zweiten Anlauf einen Treffer. Nach wenigen Kilometern durch den üppigen Wald passieren wir eine Lichtung, die von einer Riesengruppe südafrikanischer Camper besetzt ist. Auf unsere Frage, ob sie denn wüssten, wo sich „Magotho II“ befände, antworten sie uns nur, sie wüssten nicht mal, ob sie etwa auf „Magotho I“ stünden, aber wir sollten ruhig weiter fahren, da käme dann schon noch ein Plätzchen zum Hinstellen. Hinter der nächsten Biegung stehen wir vor den Toren eines Luxus-Bushcamps, in dem keine Trespassers erwünscht sind. Wir umkurven dieses Lager und erspähen wenig später tatsächlich eine weitere Lichtung, die sich als Campsite eignen würde.

Wir inspizieren den Platz, der weder gekennzeichnet noch mit irgendwelchen Plumsklos bestückt ist und beschließen, es müsse wohl eine Campsite sein, denn es lauern schon diverse Meerkatzen in den Bäumen; ein sicheres Indiz, dass hier öfter mal Menschen logieren, essen und leichtsinnigerweise Dinge herum liegen lassen. Also deklarieren wir diesen Platz kurzerhand zu „Magotho II“, bauen unsere Zelte auf und verbringen den Nachmittag im kühlenden Schatten der riesigen Bäume.

Gegen 16 Uhr, als das Licht am schönsten ist, starten wir zu einer neuen Pirschfahrt an den Khwai. Annette bleibt im Camp, denn die Meerkatzen scheinen nur darauf zu warten, alles in Ruhe auseinander nehmen zu können. Sie versäumt nichts wirklich Spektakuläres, aber schön ist es trotzdem. Ein Käuzchen sitzt in einem abgestorbenen Baum und sieht uns schläfrig an, auf die Haut der wenigen noch am Hippostrand verbliebenen Nilpferde malt das Wasser wellenartige Reflexe. Ein Elefant nimmt ein ausgiebiges Duschbad und ein Marabu stakt unermüdlich durch einen schlammigen Tümpel. Beinahe hätte er einen Fisch erwischt, aber im letzten Moment glitscht er ihm wieder aus dem Schnabel. Und wir Menschen, wir stehen daneben, mit einer Dose Bier in der Hand, beobachten ihn in seinen fruchtlosen Bemühungen auf der einen Seite, den Sonnenuntergang auf der anderen.

Dunkelheit senkt sich herab und wir packen für den Rückweg den Suchscheinwerfer aus. Vielleicht sehen wir ja noch was Interessantes, zumindest aber können wir rechtzeitig erkennen, ob ein Elefant oder Hippo den Fahrweg kreuzt, was prompt auch geschieht. In gebührendem Abstand bleiben wir stehen und lassen den Dickhäuter passieren, der sich trotzdem recht unwohl zu fühlen scheint. Aber er verschwindet friedlich im Gebüsch, nicht ohne uns noch ein paar Mal ohrenwedelnd beäugt zu haben.

In völliger Finsternis kehren wir zurück und Annette hat ihre Sache gut gemacht. Erfolgreich hat sie unser Hab und Gut gegen die Meerkatzen verteidigt, die jetzt schon alle in den umliegenden Bäumen ihren Frust im Traum abbauen. Dafür kracht seit etwa einer Stunde ein Elefant durch den nahen Wald. Da man ihn aber nur hört, nicht aber sieht, machen wir uns beruhigt an unsere Nahrungszubereitung und -Aufnahme und denken alsbald ans Zubettgehen, denn die nächtliche Kälte greift schon wieder mit ihren spitzen Klauen nach uns. Zudem sind wir wohlig müde ob der ganzen Eindrücke. Der Elefant lässt ein knurrendes Rumpeln vernehmen, eine einsame Hyäne ein Uuuah und ich beschließe, die zwei Dosen Castle Lager, die ich zu mir genommen habe, so weit wie möglich wieder abzulassen, denn die Vorstellung, nächtens, in der Kälte dringend zu müssen, behagt mir nicht wirklich. Der nahe Elefant nimmt mir die Entscheidung irgendwie ab und ich erleichtere mich einen Meter hinter meinem Zelt, immer das Bodengefälle und die Umgebung im Auge behaltend. Danach kuschle ich mich in meinen Daunenschlafsack.

Aber hallo, was ist das? Keine 15 Minuten später ist die Hyäne zur Stelle. Und sie findet meine versickerte Pfütze wohl ungemein interessant. Lautstark schnüffelnd, buddelnd und kieksend macht sie sich unweit meines zur Ruhe gebetteten Kopfes zu schaffen. Nächstes Mal gehst du zum Pinkeln ein paar Meter weiter weg vom Zelt, schwöre ich mir noch, als ich auch schon einschlafe.

29. Juni 2008 - Khwai Community Camp > Chobe NP, Savuti

Mein Kopf ist noch dran und ich werde langsam wach. Ein gutes Zeichen! Nur das eifrig gebuddelte Loch direkt hinter meinem Zelt veranschaulicht mir nochmals, wer da mit welch heftigem Eifer zugange war. Keine Ahnung, welche Hormone in meinem Urin gerade unterwegs sind, was eine Hyäne daran interessieren könnte, welch erschreckende Nachrichten ich in den Boden gepinkelt habe. Wahrscheinlich aber war es nur irgendwie unbekannt-interessant, so wie beim gemeinen Leinen-Hund, der einem auf unseren Straßen begegnet und unfein am Schritt schnüffelt. Riecht halt für eine so feine Nase immer nach was, auch wenn der Schritt-Besitzer zweimal täglich duscht; damit kann ich im Moment leider nicht dienen. Doch das wird sich ändern, denn unser heutiges Ziel ist der Chobe NP, genauer gesagt Savuti und da existiert ein imposantes Waschgebäude, in dem man, so man will, exzessive Körperpflege betreiben kann. Doch solange mir die Hyänen nicht am Schritt hängen, kann es so schlimm nicht sein...

Wir packen zusammen, verlassen das Camp und fahren noch mal ein bisschen am Khwai herum. Die meisten Hippos haben sich bereits an Land gehievt, die noch im Wasser verbliebenen „gähnen“ uns an. Ob sie nun Sauerstoff horten oder Aggressionen zeigen oder beide, ist schwer festzustellen. Doch es ergibt schlicht und einfach Bilder, die sich jeder Safariist wünscht. Auf den letzten Metern entlang des Khwai präsentiert sich dann noch ein besonderer Leckerbissen. Ein Raubvogel, der so nassgebadet im seichten Wasser sitzt, dass es schier unmöglich ist ihn zu bestimmen. Mit seinen kräftigen, befederten Beinen steht er im Wasser und zieht irritiert die Nickhaut über die Augen, gerade, als könnte er nicht glauben, justament JETZT gestört zu werden. Man sieht, wie es in ihm arbeitet: Dableiben und fertig baden oder besser doch abhauen!?! Und man sieht, wie er sich langsam für letzteres entscheidet. Er breitet seine voll gesogenen Flügel aus und verbringt sich trotz des erheblichen Kraftaufwands sehr elegant vom nassen Boden auf den nächsten sicheren Baum. Und ein Glücksgefühl macht sich mal wieder in meinem Herzen breit, erst recht, als ich feststelle, diesen Moment auch noch mit der Kamera festgehalten zu haben, perfekt in Ausschnitt und Schärfe.

Schweren Herzens verlassen wir den Khwai River und fahren Richtung Chobe. Am Gate treffen wir eine südafrikanischen Familie, die uns von einer Löwensichtung auf der Marsh Road berichtet- sie seien gar nicht zu übersehen. Na ja, das wird sich zeigen. Im Park werden wir sowieso erst mal wieder „aufgehalten“. Drei Giraffen stehen an einem Wasserloch. Man sieht ihnen an, dass sie gerne trinken möchten, sich aber nicht richtig trauen. Wir verschanzen uns ein wenig hinter einem großen Baum und warten einfach. Die erste traut sich, sehr nervös spreizt sie ihre Vorderbeine und senkt ihren Kopf herunter zum Wasser. Die zweite wartet ab, ob das gut geht und riskiert es dann auch. Die dritte hingegen boykottiert den Mut der beiden, indem sie völlig unvermutet flüchtend losspurtet und die anderen so erschreckt, dass auch diese sich aus dem Staub machen.

Wir erreichen die von den Südafrikanern beschriebene Löwen-Pan, aber von den Katzen ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür kommt gerade eine ziemlich große Elefantenherde zum Trinken. Es ist immer wieder ein spannendes Erlebnis, so etwas beobachten zu dürfen: Welche Tiere stehen so hoch in der Hierarchie, dass sie als erste und an die besten Stellen dürfen, wer muss warten. Die Mütter sorgen sich liebevoll um ihre Kälber, passen aber mit Argusaugen auf, dass der Trinktümpel nicht als Badewanne missbraucht wird. Ein Bulle, der noch nicht getrunken hat, aber offenbar eine hohe Stellung genießt, steht am Rande der Herde und beobachtet das Treiben. Ein anderer Bulle, kein junger mehr, jedoch von relativ kleiner Statur, steht ebenfalls im Abseits und wird bei jedem Versuch, doch ans Wasser zu gelangen, von den anderen unfreundlich zurückgewiesen. Und dann geschieht etwas, was mich ganz tief anrührt. Der Bossbulle sieht sich das Spiel eine Weile an, tritt zum unterlegenen Bullen, berührt ihn ganz zart mit seinem Rüssel am Kopf und macht ihm den Weg ans Wasser frei. Die anderen Elefanten lassen die beiden respektvoll passieren. Der Unterlegene trinkt, wenn auch immer noch unsicher und die anderen lassen ihn gewähren, denn der Boss steht daneben und passt auf. Nach einer Weile beschließt dieser, sein Schützling habe wohl genug Wasser getankt und lässt ihn alleine zurück. Sofort reagieren die übrigen Elefanten und drängen ihn wieder weg. Dieser kurze Augenblick aber, die kleine Berührung mit dem Rüssel, diese simple Geste, in der so viel Fürsorge, Zuneigung und Zartheit steckte, gehört mit zu den Erlebnissen, die ich nie vergessen werde.

Die Eles ziehen, einer nach dem anderen, dicht an uns vorbei von ihrer Trinkstelle weg und wir tun es ihnen nach. Heute scheint Giraffen-Day zu sein, denn bis wir in Savuti ankommen, sehen wir sicherlich über 100 der Langhälse. Überall stehen sie wie Fahnenmasten im hohen Gras. Große Giraffen und auch ganz viele kleine. Mütter, die sich zärtlich zu ihrem Nachwuchs herabneigen, Bullen, die miteinander kämpfen, fressende und beobachtende Giraffen. Und eine, die sich kratzt. Dazu hat sie sich einen abgestorbenen Baum auserkoren, dessen einer Ast etwa bis zum unteren Ende ihres Halses reicht. Ein Bild für Götter, wie sie den Hals waagrecht hält und sich vor und zurück bewegt. Immer wieder versucht sie, den Hals um den Ast zu schlingen und mehrere Stellen gleichzeitig zu erreichen, aber das funktioniert nicht so ganz. Für den Bauch und die Flanken ist der Ast zu weit oben, doch um auch diese Stellen ausgiebig kratzen zu können, begibt sie sich kurzerhand in eine bedenkliche Schräglage und schubbert am Stamm entlang.

Eine Slender Mangoose lugt ganz nah bei uns hinter einem anderen toten Baum hervor, obenauf sitzt ein Mewe’s Longtailed Starling, dessen schillerndes Gefieder vom strammen Wind völlig zerzaust wird. Kugeldisteln leuchten in warmen Ockertönen in der herabsinkenden Sonne und wir kommen nach einem weiteren perfekten Tag auf der Campsite an.



Dort ist nicht alles ganz so perfekt, denn Südafrikaners haben noch bis 9. Juli Ferien und deshalb ist Savuti ziemlich overcrowded. Unser reservierter Platz 3 ist zwar noch frei, aber diese Site ist nach unserem Geschmack etwas zu zentral und zu nahe am Waschhaus. Zu selbigem ist kaum ein Durchkommen, denn ganze Wagenburgen und Zeltstädte haben sich vor dem Zugang angesiedelt. Die „Unglücklichen“, die in Hygienezone A kein Unterkommen mehr fanden, müssen natürlich bis spät in die Nacht mit dem Auto an unseren Zelten vorbei, um wenigstens ein bisschen Zivilisationskomfort abzubekommen. Aber was soll’s, nach so einem Tag kann einen nichts aus der Ruhe bringen und morgen sieht unsere Reservierung ohnehin einen Umzug auf Site 8 vor.

30. Juni 2008 - Chobe NP, Savuti

Eine schweinekalte Nacht liegt hinter uns. Sie war ruhig, mal abgesehen von unseren südafrikanischen Waschhausfreunden und einem Honigdachs, der unbedingt unseren Müllbehälter ausräumen musste. In der ersten Morgensonne machen wir uns fröstelnd auf einen Morning Drive, der uns relativ wenige Tiere beschert. Verstehen kann ich das; denen ist’s bestimmt auch noch zu frisch, um vor den Touris zu posieren. Gestern Nachmittag war uns noch unser zausliger Schlamm-Massel-Südafrikaner begegnet - frisch rasiert, schlammfrei und mit Freunden in deren Auto. Er hielt neben uns und meinte: Wir sollten uns nicht zu elend fühlen, wenn er uns gestehe, dass er gerade Geparden in der Savuti-Pan gesehen habe, gleich hinter dem Campingplatz. Wir wunderten uns über den komischen Kauz und seine seltsame Bemerkung, bis wir, nach einigem Nachdenken, kombinierten, dass Schlamm-Massel es war, der uns da angesprochen hatte. Annette hatte ihm bei der Rettungsaktion gestanden, sie hätte noch nie Geparden gesehen und wolle das nun unbedingt. Doch so schnieke, wie der Knabe aussah, hatten wir ihn nicht erkannt. Nun schauen wir zum Behufe der Geparden-Sichtung mal in der Pan vorbei, aber natürlich sehen wir nichts dergleichen. Auch unsere Runde um den Leopardenhügel zeitigt kein felides Ergebnis. Dafür aber wärmen endlich die Strahlen der Morgensonne, unsere Mägen knurren und wir kehren zum gemütlichen Frühstück im Camp zurück.

Danach ziehen wir um; von Site 3 auf Site 8. Auch so ein botswanischer Buchungs-Unsinn, aber in diesem Falle sind wir dankbar, denn wir können uns auf eine Site am Rande, fernab vom Waschhausverkehr, zurückziehen. Das Ganze ist schnell erledigt und wir widmen uns über die heiße Mittagszeit der Körperpflege, dem Wäschewaschen und dem Fotografieren. Wie immer haben mir es dabei besonders die Tokos und die Hörnchen angetan. Letztere bekniee, bekrieche und berobbe ich auf der noch leeren Nachbar-Site, bis sie sich an das komische Etwas, nämlich mich, gewöhnt haben und ich einige Wunschtreffer landen kann. Leichter machen es mir die Tokos, von denen gleich drei Arten (Rotschnabel-, Gelbschnabel- und Bradfieldtokos) vertrauensselig um mich Vogeljakobine herumhüpfen und flattern, ohne dass ich sie angefüttert hätte. Das Licht ist schwierig, aber sensationell! Mir gelingen ein paar Fotos, die mich schon im Moment des Abdrückens glücklich aufschnurren lassen. Man sieht Wimpern, die faltige Augenhaut, die Maserung des Schnabels im Gegenlicht, ein Zünglein! Normalerweise „verschwende“ ich nicht übermäßig viel Zeit für Fotos, weil ich einfach mehr mit den Augen und dem Geist als mit dem Objektiv aufnehmen will, aber wenn ich die Muße dazu habe, packt auch mich der Ehrgeiz!





Gegen 15.30 Uhr erreicht die Sonne wieder ihren schönsten Stand, verbreitet ihr wärmstes Licht und wir machen uns auf dem Weg zur Abendsafari. Die Ebenen glühen in fein abgestuften Gelb-, Rot- und Erdtönen, wir beobachten Elefanten beim Baden und dem anschließenden Sich-mit-Staub-Bewerfen, sehen die Sonne rot leuchtend am Horizont versinken und machen uns in der beginnenden Abendkühle zurück auf den Weg zum Camp.


Es dunkelt schon deutlich, als wir auf zwei Schabracken-Schakale treffen, die sich fiepsend, knurrend und jaulend um die Rudimente eines Beutetieres raufen. Sie sind so beschäftigt mit ihrem überlebensnotwendigen Gerangel, dass sie uns kaum wahrnehmen. Ein bisschen fühlen wir uns wie Eindringlinge, aber es ist so wunderschön! Wir kosten die letzten, fotografisch überhaupt nutzbaren Reste des schwindenden Tageslichtes aus, um das zu sehen und festzuhalten. Die Schakale entschwinden kurz darauf in die Dunkelheit; wir auch und zwar Richtung Camp.

Kurz vor den Toren der Campsite sehen wir eine Ansammlung von Fahrzeugen. Sie alle haben ihre Scheinwerfer auf einen Leoparden gerichtet, der gerade vom „Drehort“ abdriftet. Wir haben nicht mitbekommen, auf was er gelauert hatte; ob er es einfach nicht erwischt oder ihm der Verkehr die Tour vermasselt hat. Er dreht ab, Richtung Ranger’s Camp, verschwindet in der Dunkelheit. Natürlich versuchen ihm zahlreiche Fahrzeuge zu folgen, auch wir können der Versuchung, zögerlich, in letzter Reihe nicht widerstehen, aber mich macht es glücklicher, ihn überhaupt gesehen zu haben, als ihm den Rückweg abzuschneiden. Doch offenbar muss ich mich nicht sorgen. Der Leopard kennt seine Schleichwege und wird ungesehen eins mit der Nacht.

Zurück im Camp stellen wir fest, dass der Hörnchen- und Toko-Platz nun in fester und zahlreicher Hand eines südafrikanischen Spaß-Konvois ist. Die gesamte Site 9 - und die ist groß - wird von ca. 20 Leuten besetzt. Ist nicht erlaubt, ist aber so. Die wiederum haben um die 10 Autos dabei; ist auch nicht erlaubt, ist dennoch ebenfalls so. Im Interesse der Erstellung einer sicheren Wagenburg wurde alles dergestalt verzeltet und verparkt, dass die einzige Möglichkeit, diese Site zu verlassen, direkt über unseren Campingtisch führt; mehr oder weniger. Das wird auch um’s Haar eingefordert, doch die dicken 4x4s finden gerade noch ein paar Zentimeter zum Vorbeifahren, so dass wir nicht weichen müssen. Sorry, guys, so flöten sie pseudo-entschuldigend aus dem Autofenster beim Durchfahren unserer Site. Wir sind trotz halbherzig geäußerter Entschuldigung fassungslos ob dieser Dreistig- und Respektlosigkeit. Mag das auch deutsch gedacht sein...

Es geht noch weiter: der ganze Platz hält sich an die Nachtruhe gegen 22.00 Uhr, allein unsere Nachbarn nicht; die sind in Ballermann-Stimmung. Da gibt es offen-hörbar einen umschwärmten Witzbold, der, er hat noch nicht mal Luft geholt, um einen Witz zum Besten zu geben, von allen anwesenden Damen laut wiehernd mit schrillem Gegacker bedacht wird. Ich hör das, eingekuschelt in meinen Schlafsack, nehme es missbilligend zur Kenntnis, es nervt, ich schlafe aber einfach ein. Doch das Spektakel zieht sich bis nachts um halb drei. Annette findet keinen Schlaf, auch der Sinn der Witze erschließt sich ihr nicht, so dass sie wenigstens mitlachen könnte. Klar, dazu fehlt ihr der nötige Alkoholpegel und auch der Drang, dem Joke-Macher gefallen zu wollen.