






Auf den ersten Kilometern läßt sich die Piste noch harmlos an. Zwar führt sie streckenweise durch dichtes Schilf, das in die Fahrbahn wuchert, aber da es ohnehin stockfinster ist, fällt diese Sichtbeeinträchtigung kaum mehr ins Gewicht. Wenn das so weiter geht, sind wir ja auch bald unten, denken wir und freuen uns schon auf ein Essen im Lodgerestaurant und auf ein kühles Bier. Doch dann beginnt Teil 2 des ultimativen Fahr-„Spaßes“: es wird zunehmend felsiger und steiler, der Weg hat gewisse Ähnlichkeit mit einem wasserlosen Bachbett in den Alpen. Scharfkantige Felsbrocken, ausgewaschene knietiefe Längsrillen, schmale Lehmstege, über die das Auto balanciert werden muß, immer wieder quer liegende Bäume, die uns beim Ausweichen über Wurzelwerk und durch dichtes Gebüsch zwingen, starke Gefälleabschnitte. Alles in allem erinnert das ganze an den namibischen Van Zyls Pass, der ja ziemlich berüchtigt ist. Und wir dürfen das, quasi als Doppelkick, auch noch in völliger Finsternis genießen.

Ca. 4 km vor dem Ziel, in einer besonders steilen und ausgewaschenen Passage - oh Murphy's Law - passiert es dann. Der Landy eiert soeben wieder über gerade mal reifenbreite Lehmstege, als das linke Hinterrad das schmale Stück festen Bodens verfehlt und in eine fast 60 cm tiefe Rinne abrutscht. Annette schreit auf, wir sitzen wie erstarrt im Auto, wagen uns kaum zu bewegen, denn wir haben gefährliche Schräglage. Schnell versuchen wir uns zu fassen und sehr geordnet, unter Berücksichtigung der Gewichtsverteilung, verlassen wir einer nach dem anderen unser schiefes Gefährt. Annette und ich hängen uns wie beim Segeln als Gegengewichte an die hochstehende Seitenkante des Landys, mit dem Oberkörper im dichten Geäst der Böschungsvegetation. Jürg schleppt tonnenweise Felsmaterial zur Unterfütterung des Reifens heran, während Joachim vorsichtig versucht, das Auto mit dem Highlift Millimeter für Millimeter anzuheben. Nicht ganz ungefährlich, denn es könnte leicht passieren, dass der Wagen durch die minimale Verlagerung noch weiter abrutscht. In diesem Falle müssten Annette und ich sofort nach hinten ins Gebüsch springen, damit uns das kippende Auto nicht mitreißt. Annette, die ähnliche Angst vorm Umkippen hat wie ich vor Heuschrecken, ist am Rande ihrer Belastungsfähigkeit angelangt. Ich finde die Vorstellung, mich bei Dunkelheit in afrikanisches Dornengestrüpp zu werfen auch nicht sehr verlockend, es reicht schon, dass ich mit dem ganzen Oberkörper drin hänge, aber es hilft ja nichts. Da müssen wir jetzt durch!
Kaum merklich hebt sich das Auto und peu à peu unterfüttern die Männer den Reifen, während wir Damen, in situationsbedingter Dankbarkeit für jedes überflüssige Pfündlein, mehr oder weniger zur Untätigkeit verdammt an der Dachleiste hängen. Jürg ist schweißüberströmt und es tut mir so leid, dass ich nicht beim Schleppen helfen kann. Doch wir müssen gewichtig die Stellung halten. Nach einer halben Stunde angestrengten Arbeitens steht das Auto nicht mehr ganz so schräg und Joachim will es wagen. Er instruiert uns vor dem Losfahren: Bitte, das ist ein ganz kritischer Moment, bleibt auf dem Trittbrett, lehnt euch so weit wie möglich raus, bis wir da wieder draußen sind. Er lässt den Motor an, gibt vorsichtig Gas und man merkt, wie der Wagen Kraft aufbaut, um sich rauszuziehen. Annette verlassen in diesem Moment, beim ersten spürbaren Ruck, die Nerven und sie springt ab. Ich merke, wie ein leichtes Beben durchs Auto geht, fast denke ich, wir kippen doch noch, aber es gelingt Joachim, den Wagen stabil zu halten. Mein Rücken schleift durchs dornige Gebüsch und wird ziemlich zerkratzt; ich will gar nicht wissen, was mich alles beißen oder stechen könnte, bleibe einfach mit fest zugekniffenen Augen hängen und Sekunden später sind wir endlich raus. Annettes Anspannung fällt ab und ihre unsägliche Erleichterung bahnt sich in Form von Tränen einen Weg nach draußen. Das ist ja alles gerade nochmal gut gegangen!

Mit einem kleinen Trinkgeld belohnen wir unseren Lotsen, der sich winkend von uns verabschiedet. Kaum ist er ein paar Meter gegangen, fällt sein Konkurrent laut schreiend und schimpfend über ihn her, will ihm das Geld abluchsen. Wir sehen noch, wie er flüchtend in der Dunkelheit verschwindet, der andere ihm immer dicht auf den Fersen. Doch das kann unser Problem nicht mehr sein. Wir sind so froh, endlich angekommen zu sein, so ausgepumpt und erschöpft, dass wir nur noch unsere Zelte aufbauen, etwas essen und trinken und dann schlafen möchten. Erst aber müssen wir die Campsite finden, was gar nicht so einfach ist. In der Ferne sehen wir ein Licht schimmern und fahren einfach mal in diese Richtung. Nach ein paar Irrungen sehen wir tatsächlich ein kleines Holzschildchen, das uns kundtut, hier sei der Campingplatz. Wir beschließen, gleich mal das Auto auszuladen, die Zelte aufzubauen und dann erst zur Lodge zu tappern, die wir immer noch nicht erspäht haben.
Kurz darauf steht plötzlich ein Lodgeangestellter vor uns, heißt uns willkommen. Wir fragen, wo genau das Lodgegebäude denn sei und versprechen, so rasch wie möglich zur Anmeldung dort hin zu kommen. Doch eigentlich können wir auch später aufbauen und uns erst mal ein kühles Bier und was zu essen gönnen. Gerade wollen wir dem Lodgeboy folgen, als der ebenso schnell wieder in der Dunkelheit verschwunden ist, wie er auftauchte. Nun gut, wir finden schon selbst dort hin. Tatsächlich stehen wir eine Viertelstunde später auf der schwach beleuchteten Barterrasse. Ob wir denn ein Bier haben könnten, fragen wir den Angestellten, der schon auf uns gewartet hat. Jaja, meint er, aber nur, wenn wir über Nacht blieben. Klar, was sollen wir denn sonst machen? Glaubt der echt, wir hätten einen kleinen Nachtausflug gemacht, würden gleich wieder fahren? Wir bestätigen unsere Übernachtungsabsichten und der Knabe macht sich auf den Weg, die Madam zu informieren. Die nämlich hätte auch den Schlüssel zum Kühlschrank.
Zehn Minuten später tapst die blonde Madam namens Rene verschlafen um die Ecke, schließt den Kühlschrank auf und serviert uns das heiß ersehnte Bier. Ja, wenn sie das gewußt hätte, dass wir mit dem Auto kommen, hätte sie uns schon gesagt, dass die Straße eine Katastrophe ist. Warum sie uns das bei der Reservierung per Email nicht mitgeteilt hat, verschweigt sie uns tunlichst. Aber schön, dass wir jetzt da wären, meint sie, wir seien immerhin das dritte Auto in diesem Jahr(!), das es zur Lodge geschafft hätte. Na, Prost Mahlzeit! Doch sie hat recht; was sollen wir uns Gedanken machen oder gar ärgern, sitzen wir doch wohlbehalten in bequemen Stühlen, sind angekommen. Zu essen jedoch bekommen wir leider nichts mehr, das hätten wir vorher anmelden müssen. Ein kleiner Witzbold ist sie schon, die gute Rene. So also ergeben wir uns unserem Schicksal und kompensieren die uns vorenthaltenen Kalorien einfach mit ein paar Bierchen mehr. Rene leistet uns Gesellschaft und es wird noch ein netter Plauderabend, bei dem wir viel über die Logde, Rene und ihren schweigsamen Lebensgefährten Sean erfahren. Etwas angesäuselt marschieren nach Mitternacht zur Campsite zurück, bauen die Zelte auf und sinken ermattet von diesem aufregenden Tag in unsere Schlafsäcke.
(Aus verständlichen Gründen existieren von dieser Höllenfahrt keine Bilder; die Aufnahme des Landrovers am steinigen Abgrund ist eine Fotomontage zweier Bilder, die lediglich der Veranschaulichung dienen soll. Der Ziegenmelker allerdings saß wirklich auf dieser Strecke und, nachdem wir das Auto glücklich wieder aus der Rille hatten, kehrte die Knipslust zurück...)
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