Donnerstag, 7. März 2019

9. Oktober 2015; Katavi, Camping am Katuma River

Aaah, herrlich! Früh am Morgen krabbeln wir aus den Zelten und werden bereits von unserem Elefantentrupp empfangen, der sich gestern schon im Camp herumtrieb. Und so entspannt, wie die Dickhäuter an ihren Bäumchen herumrupfen, knuspern auch wir unser Frühstück – trotz oder gerade wegen der Anwesenheit der Elefanten. Dann machen wir uns auf den Weg. Die Elis ziehen in den Busch hinter der Campsite, wir hingegen mäandern am Katuma entlang und nähern uns der Flussbiegung, an der die Lodge liegt. Golden fingert die Sonne über die dahinterliegende Ebene, kein Mensch, kein Fahrzeug ist weit und breit zu sehen. Ein paar Hornraben stapfen durchs Gras, eine Herde graziler Impalas blickt uns aus großen, braunen Augen an, fluffige Wasserböcke ziehen zum Fluss, Zebras wärmen sich in der aufgehenden Sonne, Vögel flirren in Schwaden aus den Ähren der in der Morgensonne golden wogenden Halme, es ist still, trotzdem aber bebt die Luft vor Lauten: wukkwukk – Zebras, wwwwhoooop – die typisch kehlig-wummernde Kommunikation von Hornraben vibriert durch unsere Körper, ssssrrrtffffrrrttt – Schwärme von Blutschnabelwebern steigen und sinken in hörbaren Choreografien durch die bodennahen Lüfte.


Sanftes Morgenlicht
Aufwärmen für den Tag
Löwenpäuschen











Wir schwelgen im überaus reichen Tierleben dieser frühen Morgenstunden, kurven durch kleine Wäldchen, zockeln am Fluss entlang und erreichen schließlich die weite Ebene westlich der Wildlife Lodge, Katisunga Plains genannt. Goldgelbes Gras wogt, ein strahlendblauer Himmel tut sich vor uns auf, Blutschnabelweber tanzen über die Grasähren und wir sind so hingerissen, dass wir beinahe etwas übersehen hätten: zwei männliche Löwen liegen unmittelbar vor uns auf dem Weg! Die beiden Großkatzen halten ihre üppig bemähnten Köpfe genüsslich in die wärmenden Strahlen der noch milden Morgensonne und nehmen uns nur sehr angelegentlich zur Kenntnis. Ah, Autos, Menschen, kennen wir, interessiert uns aber nicht! Uns hingegen erfreuen die Löwen umso mehr (diesmal auch Heinz und mich), denn sie sind extrem nahe und lassen sich von uns nicht aus der Ruhe bringen. Und auch, wenn sie, irgendwie löwentypisch, völlig untätig herumliegen, so ist diese Nähe doch sehr faszinierend. Annette stoppt den Wagen direkt neben dem blonderen der beiden Kater, der somit keine drei Meter von mir entfernt ist. Ich höre sein Atmen, ich höre das Schmatzen, wenn er nach dem Gähnen wohlig seinen Kiefer zurechtrückt, ich sehe den Wind durch jedes einzelne seiner Mähnenhaare streichen. Ab und zu wirft er uns einen Blick zu, schaut uns direkt in die Augen, um sich gleich darauf wieder abzuwenden und in die Ebene zu starren. Eine atemberaubende Situation! Normalerweise fühle ich mich ja in der Gegenwart von Wildtieren, denen man zu nahe auf die Pelle rückt, ziemlich unwohl. Ich will sie nicht belästigen, sie nicht stören – ich möchte sie einfach nur sehen. Und das aus jeder für die Tiere angenehmen Entfernung, egal, wie viele Meter der Distanz das auch immer bedeuten mag. Doch diese beiden Löwen, obwohl wir ihnen so nahe sind und das auch noch in einem Park, der von sehr wenigen Touristen besucht wird, zeigen keinerlei Anzeichen von Unwohlsein. Ihr Schwanz liegt ruhig neben dem Körper, das Rückenfell zuckt nur, wenn eine Fliege darauf landet und ein Kitzeln erzeugt. Einziges Zeichen, dass sie unsere Anwesenheit wahrnehmen und sich, wenn überhaupt, ansatzweise gestört fühlen, ist ein vereinzelter Kontrollblick in unsere Richtung.


Erschöpft von der Nacht?
















Bei dieser Bewegung des Kopfes, des mächtigen, von einer wuscheligen Mähne gekrönten Schädels, der sich einem aus derartiger Nähe zuwendet, kann man die Größe eines ausgewachsenen Löwenmännchens schon ganz gut erahnen. Als unser Blondie sich allerdings kurz erhebt, um sich zu drehen und gleich darauf wieder laut atmend niederplumpsen lässt, kommt sein imposantes Gardemaß erst richtig zur Geltung. Puh, stünde das Kätzchen direkt neben mir, seine Augen wären wohl ziemlich genau auf meiner Brusthöhe! Somit könnte er auch locker mal einen Blick in unser Auto werfen, das mit geöffnetem Fenster neben ihm parkt. Wie gut, dass er so entspannt ist und nicht auf solche Ideen kommt!

Ein hübsches Kerlchen ...
... mit keckem Schopf ...
... und Riesenpfoten











Bevor er das aber vielleicht doch noch tut, verlassen wir die beiden Großkatzen und setzen unsere Morgenrunde fort, die uns erneut zu dem steilen Uferabbruch mit der darunterliegenden Hippopfütze führt. Dort herrscht das selbe dichte Treiben, das wir auch gestern schon beobachten konnten. Heute allerdings sind viel mehr Krokodile an Land. Wahrscheinlich liegt das an der noch recht frühen Tageszeit – die Reptilien wärmen sich in der Morgensonne, bevor sie sich zu Wasser lassen und ihrem Tagesgeschäft nachgehen. Auch die zahlreichen Storchenvögel scheinen zu wissen, dass die Croc ihre Betriebstemperatur noch nicht erreicht haben, denn sie staksen mit einer Sorglosigkeit zwischen den Panzerechsen umher, die uns fast den Angstschweiß auf die Stirne treibt. Doch alles bleibt ruhig und wir genießen diese Morgenidylle in vollen Zügen, bevor wir schließlich langsam weiterfahren.

Waran auf Beutezug
Nimmersatte
Croc pflügt durchs Wasser











Unser Weg führt uns abermals zur Brücke, dazwischen jedoch halten wir mehrmals an, denn wir haben einige interessante Pflanzen entdeckt. Die erste ist ein fast mannshoher Busch mit silbrig-grünen, glatten Blättern und hellvioletten Blüten. Erika hat solch ein Exemplar bereits auf einer anderen Tour vor einigen Jahren gesehen und erzählt uns, ihr damaliger Führer hätte gesagt, das Gewächs sei so giftig, dass man bereits erblinden könnte, ginge man zu nahe an die Pflanze heran. Das ist natürlich blanker Unsinn, doch ein Körnchen Wahrheit steckt ja bekanntlich in jeder Legende. Was wir hier sehen, ist eine Calotropis procera, auch Sodomsapfel, Satansbaum oder, viel harmloser, Kielkronen, genannt. Sie gehört zur Familie der Hundsgiftgewächse und sondert tatsächlich einen nicht gerade bekömmlichen Milchsaft ab. Reibt man sich diesen versehentlich in die Augen, kann es zu schweren Reizungen bis hin zur temporären Erblindung kommen, das bloße Hinsehen aber richtet keinen Schaden an. Wäre auch schade, denn die Pflanze ist sehr hübsch und ihre Blüten entfalten ihre wahre Schönheit erst, wenn man sie von nahem betrachtet. Da sind die Blüten unseres nächstes Gewächses, das wir ein Stück weiter, hoch oben in einem Baum entdecken, schon etwas plakativer: eine epiphytische Leoparden-Orchidee (Ansellia africana) hat sich hier niedergelassen und einen riesigen Horst gebildet, der gerade üppig blüht. Allerdings relativiert sich diese Pracht etwas, denn im lichten Schatten des Baumgeästs verschmelzen die prächtigen, sonnengelben Blüten mit ihren kastanienbraunen, streifigen Flecken fast mit ihrer Umgebung. Doch einige Bulben des Horsts sind abgebrochen und zu Boden gefallen, sodass wir diese Kunstwerke der Natur doch genauer und von Angesicht zu Angesicht betrachten können. Heinz, der nicht nur ein Faible für Sukkulenten, sondern auch für Orchideen hat, ist in seinem Element und sammelt sogleich einige Bruchstücke der Pflanze auf. „Die nehm’ ich mit auf unsere Campsite und pflanze sie dort aus. Wenn ihr mal wieder hierherkommen solltet, Annette, müsst ihr schauen, ob sie angewachsen sind!“

Calotropis procera
Ansellia africana
Ansellia-Blüte











Hach, ich bin begeistert von unserem Morgenausflug – was wir in diesen wenigen Stunden schon wieder alles gesehen haben! Eine Tatsache jedoch verleidet mir die Freude an unserer Pirsch ein wenig: es sind vereinzelte Tsetse-Fliegen unterwegs und die haben es, wie sollte es anders sein, natürlich akkurat auf mich abgesehen. Gerade halte ich ein Stück der Orchidee ins Sonnenlicht, damit meine Reisegenossen die fantastischen Blüten fotografieren können, als mich eines dieser Biester ins linke Handgelenk beißt. Aua! Und noch eine, die sich eine dünnhäutige Stelle an meinem rechten kleinen Finger ausgesucht hat. „Können wir bitte weiterfahren?!? Hier hat's Tsetses!“ Das alte Spiel beginnt von Neuem: „Barbara, wo sind hier Tsetses? Ich kann keine entdecken!“ Fluchend zerre ich meine Armbanduhr vom Handgelenk und halte selbiges, in Minutenschnelle auf den anderthalbfachen Umfang anschwellende, misshandelte Körperteil meinen Freunden unter die Nase. „Oh, shit, gibt’s ja nicht!“

Hurtig fliehen wir in die Autos und verlassen diesen tsetseträchtigen Ort Richtung Norden, wo wir noch einen kurzen Stopp auf der Brücke einlegen. Meine Freude am unter uns liegenden Hippopool allerdings hält sich momentan in Grenzen, denn mein linker Unterarm sieht mittlerweile aus wie eine prall gefüllte, unförmige Wurst und fühlt sich auch so an. Also beenden wir unsere Morgenrunde und streben dem Camp zu, wo ich bisher noch keine Stechliegen ausmachen konnte. Bevor wir allerdings ins traute Heim zurückkehren, machen wir noch einen raschen Schwenk zu den Sanitäranlagen hinter der Brücke. Hier gibt es Toiletten und einige wenige Duschgelegenheiten, die wir heute Nachmittag gerne in Anspruch nehmen würden, um uns den Staub der vergangenen Tage vom Körper und vor allen Dingen aus den Haaren zu waschen. Die Ablutions sehen gepflegt aus, sie sind nicht abgesperrt, doch es hat kein Wasser. Schade! Gerade wollen wir wieder von dannen fahren, als ein Caretaker wie aus dem Nichts auftaucht und uns nach unserem Begehr fragt. Ach, Wasser?! Ja, heute, am frühen Nachmittag, da käme ein Tankwagen und dann wäre alles wieder betriebsbereit.

Elefanten beim Camp
Geschirrspülen mit Aussicht
Meerkatze erntet Blüten











Prima, das klingt gut! Erfreut kurven wir zurück ins Lager, stillen unseren Hunger mit einem kleinen Snack und freuen uns auf ein paar relaxte Stunden im Schatten unserer Camp-Bäume. Mit Lesen, Faullenzen und dem Beobachten der uns umgebenden Tierwelt verbringen wir die heißeste Zeit des Tages. Dieses sehr entspannende Wohlfühlprogramm unterbrechen wir lediglich für einen kleinen Ausflug zum Sanitärblock, der ja, zumindest laut Auskunft des Caretakers, mittlerweile wieder mit Wasser versorgt worden sein sollte. Den Tankwagen wenigstens haben wir bereits vor einer Stunde vorbeituckern hören. Bei den Ablutions angekommen, klettern wir wohlgemut aus den Autos und überprüfen die Situation an den Tanks – leer! Im selben Moment taucht der Caretaker etwas zögerlich hinter dichtem Gebüsch auf, winkt hektisch und brüllt: „Sorry, no water today!“. So schnell, wie er gekommen ist, verschwindet er auch wieder. Offenbar meidet er näheren Kontakt mit uns, denn er hat sein Versprechen nicht gehalten und scheint nun zu befürchten, dass es Ärger mit uns verwöhnten Touristen geben könnte. Doch da kennt er uns schlecht! Rasch checken wir den Füllstand der kleinen Wassertonnen vor den Toiletten, deren Inhalt eigentlich zum Spülen gedacht ist, und bedienen uns schließlich kurzerhand daraus, um wenigstens eine grobe Grundreinigung unserer Extremitäten zu vollziehen und den schlimmsten Staub aus den Haaren zu waschen. Ah, das tut gut! Nun sind wir zumindest partiell erfrischt und nicht mehr ganz so klebrig und staubig. Mit wohligem Gefühl und flauschig wehenden Locken kehren wir ins Camp zurück, um dort unseren faulen Nachmittag fortzusetzen.

Und kaum haben wir uns wieder in unsere Stühle gefläzt, erscheinen erneut die Elefanten. Es ist der selbe Trupp wie gestern und heute Morgen – unser Camp scheint eine feste, mehrmals täglich besuchte Station auf ihrer Suche nach Futter zu sein. Genüsslich rücken wir unsere Sitzgelegenheiten zurecht und delektieren uns am Nachmittagsprogramm des Katavi Bush TV, wie es spannender und anschaulicher nicht sein könnte. Wir lauschen dem Kommunikations-Grummeln der Dickhäuter, beobachten ihre gezielten Rüsselbewegungen, mit denen sie vorsichtig die saftigsten Blätter von den Bäumen pflücken und versuchen, ihre Verwandtschaftsverhältnisse zu ergründen – aus einer Entfernung von weniger als zehn bis fünfzehn Metern. Hinter uns hüpfen derweil viele bunte Vögel durchs Gebüsch und eine kleine Meerkatzenhorde, die keinerlei diebische Anwandlungen zeigt, tobt über uns durch die Bäume. Wir verleben Momente, die absolut unvergleichlich und unbezahlbar sind, deren Zauber man niemandem erklären kann, der so etwas noch nicht selbst erlebt hat. Und allein für solche Momente hat sich die strapaziöse Fahrt hierher voll und ganz gelohnt – von den Nilpferden will ich gar nicht reden!

Gegen halb vier, die sengende Mittagshitze weicht allmählich erträglicheren Nachmittagstemperaturen, ziehen die Elefanten flussaufwärts von dannen und auch wir denken langsam darüber nach, welche Runde wir jetzt drehen könnten, um unseren letzten Tag im Katavi gebührlich zu begehen. Annette schlägt vor, zum Lake Chada zu fahren, der östlich unseres Camps liegt. „Ist schön da, aber auch nicht recht viel anders als hier. Und es hat viele Tsetses.“ Okay, dann ist der Fall für mich ja klar. Natürlich will ich meine Freunde nicht davon abhalten, andere Teile des Parks zu erkunden, aber noch mehr Tsetses brauche ich wirklich nicht! Mein malträtierter Arm ist, dank einer Antihistaminikumgabe und heftigen Kortisongeschmieres, gerade wieder auf Normalmaß abgeschwollen, und ich empfinde keinerlei Sehnsucht nach weiteren Tsetses. Und wenn die Runde zum Lake Chada sich ohnehin nicht großartig vom Camp-Loop unterscheidet, dann erst recht nicht. „Fahrt ihr ruhig, ich bin hier bestens aufgehoben. Und ihr braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, ich bin ganz gerne mal allein. Allein mit mir und meinem Katavi!“. Damit jedoch sind nicht alle meine Freunde einverstanden und eine Diskussion entbrennt. Jochen hat kein Problem, mich im Camp zurückzulassen, Annette ist nicht wohl dabei und Heinz will ohne mich sowieso nirgendwo hin. Hei, ist das schwierig...

Ich bin nahe dran, das Hin und Her kurzerhand zu beenden, indem ich mich bereit erkläre, die Chada-Runde doch mitzufahren, als mich ein heimliches Rühren in meinen Gedärmen der finalen Entscheidung enthebt. „Egal, was ihr beschließt, ich komm mit. Aber jetzt muss ich erst mal dringend aufs Klo. Sorry!“ Entschuldigend greife ich mir den Spaten, die Klorolle und mache mich, die Umgebung sichernd, auf den Weg. Mhm, die Elefanten sind flussaufwärts abgezogen, also gehe ich in die entgegengesetzte Richtung. Aufmerksam scanne ich die Umgebung, taste mich durchs Gelände und entdecke schließlich ein Plätzchen, das ideal für mein Vorhaben scheint: nicht weit vom Camp, offene Sicht über mehr als 180 Grad, kein Tier weit und breit. Sehr gut! Einen mächtigen Baum im Rücken, hebe ich ein Loch im sandigen Boden aus, hänge die Papierrolle auf einen abgebrochenen Ast und tue schließlich, weswegen ich diesen Ort aufgesucht habe. Lächelnd beende ich meine Verrichtung – auch das ist immer wieder ein ganz spezieller Moment, das Freiluftkacken im Busch – säubere mich und will gerade wieder in die Senkrechte gehen, als rechts von mir, keine drei Meter entfernt, ein Elefant auftaucht. Es ist die Leitkuh unserer Camptruppe, das erkenne ich an einem Riss in ihrem Ohr. Von rechts? Ihr seid doch nach links weggegangen, vor mehr als einer halben Stunde! Und ich habe so genau geschaut, ob ich hier auch wirklich allein bin. Wo kommt ihr plötzlich her? Die Leitkuh bedenkt mich mit einem kurzen Blick – ich seh dich sehr wohl – setzt ihren Weg aber völlig unbeeindruckt fort. Langsam schaukelt sie an mir vorüber, rupft hier ein paar Blättchen von einem Baum, zupft dort einige trockene Grashalme ab und rüsselt sich zwischendrin die Spitzen frischer Palmblätter ins Maul. Ihr folgt, natürlich, die ganze Familie. Auch sie, die Kleinen wie die Großen, rupfen, zupfen und rüsseln in aller Gemächlichkeit. Wir sehen dich! Wie zur Salzsäule erstarrt, verharre ich reglos hockend über meinem Loch. Solange ich mich nicht bewege, ist alles gut! Doch plötzlich weht ein Windstoß durchs Gebüsch, meine sorgsam auf einem Ast aufgehängte Klorolle beginnt sich, wie von Geisterhand bewegt, zu drehen und ein immer länger werdendes Stück Klopapier flattert fröhlich in der Brise. Im Zeitlupentempo wandert meine rechte Hand zur Rolle. Vorsichtig stoppen, noch vorsichtiger zurückrollen! Geschafft - die Elefanten haben nicht reagiert! Tja, und so kauere ich hier, mitten im Busch, in reichlich entwürdigender Pose, die rechte Hand an der flatterhaften Rolle, die linke hilfesuchend am Stiel des Spatens, Fliegen umsurren immer aufdringlicher meine entblößte Körpermitte, ich kann mich nicht wirklich dagegen wehren – und genieße die gesamte Situation, so abwegig das auch klingen mag, trotzdem in vollen Zügen.

„Barbara! Alles okay? Wo bleibst du?“, schallt es vernehmlich durchs Gestrüpp. Ich getraue mich nicht, eine hörbare Antwort zu geben, hoffe aber inständig, niemand möge sich auf die Suche nach mir machen... „Barbara!?!“ Minuten, die sich wie Stunden anfühlen, ziehen ins Land, ein paar Mal noch wird nach mir gerufen, dann verstummen die Nachfragen und die Elefanten verschwinden endlich im Gebüsch, entfernen sich aus meiner Sichtweite. Einen Sicherheitsaugenblick warte ich noch ab, dann bekleide ich mich möglichst geräuschlos, schaufle das Loch zu und begebe mich wieder zu meinen Freunden, die schon besorgt auf mich warten. „Gehts dir nicht gut? Du warst so lange weg!“ „Alles okay. Ich hatte nur Besuch auf'm Klo...“ „Besuch?“ „Ja, Elefanten.“ „Was? Wie weit warst du denn bitte weg? Wir haben hier nix gesehen.“ „Ich auch nicht, bis sie direkt vor mir standen...“. „Wie jetzt?“ Grinsend erzähle ich meinen Freunden von meinem Notdurft-Abenteuer, während sie sich vor Lachen ausschütten, gleichzeitig aber auch etwas erschrocken reagieren. „Wir haben nichts, aber auch gar nichts gesehen! Meine Güte, was da alles hätte passieren können! Doch da sieht man's mal wieder: wir Menschen sind einfach blind...“ „Na ja, ist ja alles gut gegangen und spannend war's zudem. Und was machen wir nun, jetzt, da ich alles erledigt habe?“ „Ach, wir haben beschlossen, die bewährte Camprunde zu drehen. Lake Chada ist doch ein bisschen weit weg und, wie gesagt, auch nicht recht viel anders als hier.“ Perfekt! Mit dieser Lösung können wir alle gut leben und ich, mit meiner Tsetseangst, bin wenigstens nicht schuld daran, dass wir von dem recht großen Park nun doch nur wenig gesehen haben werden. Aber wie sagt man so schön: warum denn in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah.

Unstimmigkeiten im Tümpel
Unruhe verbreitet sich
Streit an Land











Und das Gute liegt, wie auch schon auf den vergangenen Ausflügen, natürlich wieder direkt vor den Toren unseres Camps. Zuerst fahren wir zur Brücke; die Hippos dümpeln wie gehabt in ihrer schlammigen Brühe, sind aber heute besonders aktiv – zumindest ein paar junge Bullen. Ständig geraten sie in Streit und gehen sich gegenseitig an, ohne Rücksicht auf die Artgenossen, die einfach nur gerne abhängen würden. Das bringt Unruhe in die gesamte Nilpferdschar, man grunzt, droht, schnappt und drängelt mit einer Vehemenz, die die kläglichen Wasserreste fast zum Kochen bringt. Dann schreiten die Bosse ein. Mit eindeutigen Drohgebärden und angedeuteten Attacken auf die streitsüchtigen Jungspunde sorgen sie ganz schnell für Ruhe und Ordnung: geht ans Ufer und kabbelt euch dort, oder gebt Frieden! Die jungen Bullen gehorchen erstaunlich schnell und lassen sich grummelnd ins Wasser sinken, wo sie brav verharren, ihre Kontrahenten jedoch nicht aus den Augen lassen. Zwei der angriffslustigen Jugendlichen aber wollen nicht von dem jeweils anderen ablassen und kämpfen fröhlich weiter. Erneut weist sie einer der Chefs in ihre Schranken: raus oder Ruhe, zefix! Brüllend und mit aufgerissenen Mäulern pflügen die Streithähne durch die Hippo-Gruppe und setzen ihr Kräftemessen tatsächlich am Ufer fort. Für uns ist das natürlich ein ganz besonderes Schauspiel: zwei Kolosse, sichtbar von der Ohrspitze bis zur Fußsohle, stemmen sich gegeneinander, verrichten erstaunlich schnelle Beinarbeit und verharren schließlich mit bedrohlich geöffneten Mäulern, Schnauze an Schnauze, und blasen sich gegenseitig den Odem ihrer Aggressionen in den Schlund. Toll!

Statement mit Kot
Folgen eines Streits
Waran mit totem Wels











Im Hippobecken ist derweil wieder gesittete Chill-Atmosphäre eingetreten, was sich ein kleiner Waran zunutze macht. Die Echse, die plötzlich auf der rechten Uferseite aufgetaucht ist, hat auf der linken Seite, also direkt zu unseren Füßen, einen toten Wels entdeckt. Und jetzt, da die Hippos endlich mit ihrem hibbeligen Geschwappe aufgehört haben, sieht das Reptil seine Chance gekommen. Mit vorsichtigen Schritten, aber dennoch sehr zielstrebig und rasch, überquert es den schlammigen Streifen am Rande der Brückenpfeiler und schnappt sich schließlich zufrieden seine Beute. Der Wels ist noch als solcher erkennbar, gerade noch, hat jedoch schon deutlich an Frische eingebüßt – er scheint schon eine ganze Weile zu liegen. Dem Waran ist das einerlei; mit einem genüsslichen Schnapper verbeißt er sich in den verrottenden Fisch und verspeist diverse Happen, bevor er mit seiner Beute unter der Brücke verschwindet.

Es ist eng im Tümpel

Nimmersatt mit Fischerglück 











Es ist doch immer wieder faszinierend, was man erleben kann, wenn man sich Zeit nimmt, länger an einem Ort zu verharren und nicht, auf der Jagd nach Action, von einem Platz zum anderen hetzt. Es verhält sich fast wie bei der Regentheorie: kriegt man mehr Tropfen ab und wird nässer, wenn man durch einen Schauer eilt, oder kann man durch Stehenbleiben die auftreffende Regenmenge minimieren? Wir jedenfalls sind an Ort und Stelle geblieben und ziemlich „nass“ geworden! Trotzdem ziehen wir jetzt weiter, zu unserem Steilabbruch auf der anderen Flussseite, um uns von den dortigen Hippos, Krokodilen und Vögeln gebührlich zu verabschieden. Wir genießen das friedliche Bild der Nilpferde, die hier in einer wesentlich kleineren Gruppe in tieferem Wasser Zuflucht vor der Trockenzeit gefunden haben, freuen uns über die teilweise stattlichen Panzerechsen und die zahlreichen Storchenvögel, die wieder in aller Seelenruhe zwischen den massigen Leibern der Hippos und den zahnbewehrten Kiefern der Crocs umherstaksen. Ewig könnte ich diesem vergleichsweise unspektakulären Schauspiel der Natur beiwohnen, denn es ist trotz allem spannend – und so beruhigend. Doch langsam senkt sich die Sonne gen Horizont und Annette möchte unseren letzten Sundowner im Katavi gerne in den Katisunga Plains zu sich nehmen, Sonnenuntergang, Weite und Rundumblick inklusive. Also machen wir uns auf den Weg. Bald jedoch müssen wir schon wieder anhalten, denn ein Löwenrudel liegt, direkt zu unserer Linken, dösend im Schatten. Zwei Kater (die von heute Morgen?), ein paar Damen und vier Heranwachsende rekeln sich wohlig im trockenen Gras, die Pfoten genüsslich gen Himmel gereckt. Eines der Männchen hebt sein Haupt und sieht uns aufmerksam an. Ob auch er nachdenkt, wer wir sind – die Menschen von heute Morgen? Eine Weile bleiben wir bei den Löwen, dann aber reißen wir uns los und tuckern raus auf die Ebene. Keinen Moment zu früh! Die Sonne schickt sich bereits an, am Horizont zu verschwinden, sendet noch ein paar letzte, güldene Strahlen über die Plains, bringt deren Gras zum Leuchten. Vögelschwärme steigen in großen Gruppen auf und streben ihren Schlafplätzen zu, die Geräusche eines vergehenden Tages umfangen uns, Annette hechtet zum Kühlschrank, um den Sundowner zu servieren und, mit den Dosen in der Hand, blinzeln wir alle träumerisch in den Sonnenuntergang, hängen unseren Gedanken nach und lassen, zumindest ich, diese Tour etwas wehmütig revue passieren.

Die Weibchen mit Nachwuchs
Der Boss
Ein Tag geht zu Ende











Wir haben eine Menge gesehen und erlebt, schöne und weniger schöne Dinge, ich durfte zwei neue Länder, Uganda und Ruanda, kennenlernen, wir sind tausende von Kilometern gefahren, um schließlich, ganz zum Schluss, an einem meiner absoluten Lebenstraumziele anzukommen – dem Katavi Nationalpark. Und auch, wenn wir nur zwei Tage hier sein konnten, so hat es sich doch gelohnt. Ich fühle mich sagenhaft wohl in dieser fast menschenleeren Wildnis, so wohl, wie ich es im ganzen Urlaub nicht getan habe. Auch wenn es nicht so überfüllt war wie auf dem Rummelplatz oder in manchen Gegenden des Krüger Nationalparks, so waren wir doch bis vor Kurzem, bevor wir hier angekommen sind, ständig von Menschen umgeben. Und ich musste mal wieder feststellen, dass das etwas ist, was mir nicht wirklich behagt. Und noch etwas hat sich erneut gezeigt: ich bin ein Kind der Weite, der Trockenheit, der Wüsten; wird es grün, feucht und bergig, genieße ich zwar die Üppigkeit der Vegetation, kann dieser aber weniger abgewinnen als den pflanzlichen Überlebenskünstlern in ariden Regionen – und ich fühle mich durch die Berge irgendwie eingeengt. Damit will ich mitnichten sagen, dass mir diese Tour nicht gefallen hat, im Gegenteil, doch meine Sehnsüchte hat sie nicht befriedigt. Bis auf diese letzten Tage im Katavi, die in mir wahre Glücksgefühle erzeugt haben. Tja, so ist das nun mal... Verständlich also, dass ich mit einer gewissen Wehmut in diesen Sonnenuntergang starre und nur ungerne an morgen, den Tag unserer Abreise aus dem Katavi, denke. Doch ich lasse mir die Stimmung nicht verderben. Mit glänzenden Augen sauge ich die Bilder der Ebene, durch deren Grashalme gerade die letzten langen Strahlen der untergehenden Sonne fingern, in mich auf, und freue mich auf einen Abend und eine Nacht voller Natur-Geräusche, bevor uns der Lärm der Zivilisation wieder in seine Zangen nimmt.

Der gleißende Ball der Sonne verschwindet am Horizont, das diffuse Zwielicht ermahnt uns, zum Lager zurückzukehren und wir leisten diesem Ruf natürlich Folge. Bald darauf überqueren wir den Katuma an der Trockenfurt, werden dabei aufmerksam von ein paar Giraffen beobachtet, und wenig später erreichen wir unser Camp, aus dem sich soeben der letzte Elefant ins umliegende Gebüsch zurückzieht. Wohlig erlebnissatt beginnen wir mit den Vorbereitungen fürs Abendessen, entzünden ein knisterndes Feuer und genießen diesen letzten Abend in der Wildnis, der trotz aller Ruhe und Besinnlichkeit keine Langeweile aufkommen lässt. Schon während das Fleisch auf dem Grillrost brutzelt, geht die Action los: eine riesige Gottesanbeterin, die sich offenbar vom hellen Schein unserer Glut angezogen fühlt, fliegt immer wieder torkelnd Richtung Grillstelle. Heinz, der heute den Steakmeister gibt, fängt sie mehrmals ein, trägt sie, soweit es die Dunkelheit erlaubt, aus der Gefahrenzone, kann aber schließlich nur noch bedauernd die Schultern zucken, als das Insekt in einem unbemerkten Augenblick doch sein Ziel erreicht und mit einem lauten Knistergeräusch sein Leben aushaucht. Dann, wir essen gerade, setzen die Geräusche der Nacht ein: es raschelt im Gebüsch, man hört Löwen brüllen und ein wenig später gesellt sich auch das typische Huhuhen von Tüpfelhyänen dazu. Inmitten dieser Lautkulisse, die viel Spielraum für Träumereien und Fantasien lässt, verbringen wir einen gemütlichen Abend zwischen Lauschen und anregenden Gesprächen, bevor uns die Bettschwere übermannt. Einer nach dem anderen sucht sein Zelt auf, nur Heinz und ich können uns nicht losreißen – ein bisschen noch wollen wir am Feuer sitzenbleiben und in die Dunkelheit spähen – vielleicht bekommen wir ja doch noch eine Hyäne zu Gesicht, sie klingen so nah.

Bis weit nach Mitternacht verharren wir in unseren Stühlen, unterhalten uns flüsternd, schweigen und genießen diese letzte Nacht, die uns mit samtener Wärme und spannenden Lauten umfängt, bis auch wir unserer Müdigkeit nachgeben und uns in den Schlafsäcken einkuscheln. Eine Hyäne hat sich leider nicht mehr blicken lassen...


Weitere Impressionen des Tages:

Elefanten haben Vorfahrt













Einsamer Büffel









Lodgefahrzeug
Corythaixoides personatus
Gypohierax angolensis, juvenil









Streithansln











Der Streit im Wasser...
... nimm ernste Formen an...
...und bringt Unruhe









Friedliches Grasen
Giraffen im Graben











Kleine Meinungsverschiedenheit...
... bei den Nimmersatten










Pelikane
Kloblick
Zug zu den Schlafbäumen











Mittwoch, 6. März 2019

8. Oktober 2015; Sitalike > Katavi Nationalpark, Katuma Bridge Campsite

Eingelullt vom Grunzen und Schnorcheln, sind wir gestern rasch eingeschlafen. Heinz' Schlafphase allerdings dauerte nicht lange, denn, so erzählt er mir heute Morgen, ging die anheimelnde Geräuschkulisse bald in eine infernalische über. „Und du liegst in deinem Schlafsack und rüsselst ungerührt vor dich hin. Wie kann man bei so einem Lärm schlafen?“ Das kann ich ihm auch nicht beantworten, verteidige mich aber wieder mal – ich hätte das schon mitbekommen. Was auch stimmt, zumindest teilweise. Irgendwann nämlich bin ich aufgewacht, hörte das abartige Brüllen mehrerer Nilpferdbullen und beschloss, ich müsse mich jetzt wohl besser umdrehen. Schließlich lag ich mit dem Gesicht zur flusseitigen Zeltwand – und sollten die Bullen in tätlichen Streit geraten und im Eifer des Gefechts auf das Zelt treten, wäre es wohl besser, ich würde meinen Kopf nach innen wenden und den Kolossen meinen nicht ganz so empfindlichen Rücken hinhalten. Was für ein Schwachsinn! Wenn knapp zwei Tonnen Gewicht über dich hinwegstraucheln, ist es relativ egal, wohin das Gesicht zeigt... Nun ja, Schlaftrunkenheit ist eben ein komischer Zustand. Jetzt aber sind wir nicht mehr schlaftrunken, können klar denken und würden gerne unser Zelt verlassen, um aufs Klo zu gehen und den Tag zu beginnen. Vorsichtig spähen wir durch die Gaze, müssen jedoch feststellen, dass unser Toilettengang wohl noch etwas warten muss: unzählige Hippos tummeln sich auf unserem Campground, vor dem Zelt, daneben und dahinter! Begeistert öffnen wir unser Stoffhäuschen, nur einen winzigen Spalt, und beobachten die Riesenvegetarier, wie sie ihre letzten Halme zu sich nehmen, bevor sie allmählich wieder im Katuma – oder was davon übrig ist – verschwinden. Eine Stunde später ist die Luft rein und wir wollen gerade ins Freie klettern, als Annette herbeieilt und uns einen Kaffee, quasi ans Bett, liefert. Was für ein Service, was für ein Start in den Tag! Glücklich schlürfen wir den heißen Wachmacher, bevor wir uns dann doch endlich aus dem Zelt hieven. So, nun wird gefrühstückt, gepackt und danach nix wie ab in den Katavi!

Morgendliches Verdauungs-
schläfchen
Ins Wasser oder hierbleiben?
Schon wieder ziemlich eng!













Das Kleine klemmt inmitten
der Großen
Abschiedsblick von
der Campsite
Ja, man hat Humor!













Anderthalb Stunden später stehen wir auf dem Parkplatz vor dem Büro der Nationalparkbehörde, erledigen unsere Anmeldeformalitäten, schlichten uns anschließend wieder in die Autos und düsen los. Aaah, ich bin so aufgeregt – mein Lebenstraum ist zum Greifen nahe! Wir verlassen die B8, die sich übrigens auch mitten durch den Nationalpark zieht, und schlagen eine östlicher gelegene Route ein, die uns mehr oder weniger schnurgerade durch den nördlichen Teil des Katavi führt. Und kaum sind wir die ersten Meter im Park unterwegs, gesellen sich auch wieder meine liebsten Freunde aus dem Insektenreich zu uns – die Tsetses. Die Schneider kommt, sie ist da, summen sie aufgeregt, und stürzen sich auf mich. Hier, im Katavi, war ich ja schon auf die fliegenden Biester vorbereitet, weshalb ich mich nun in aller Ruhe in meine dicke Fleecejacke hülle und mich redlich bemühe, sie einfach zu ignorieren. Ihr verderbt mir meinen Lebenstraum nicht, ihr geflügelten Arschlöcher! Schwitzend und üppig eingemümmelt blicke ich aus dem offenen Autofenster, voll konzentriert auf das, was ich sehe. Nun ja, auf den ersten Kilometern ist das noch nicht allzu viel: ein paar desolate Tsetse-Fallen, dichtes Gestrüpp. Dann aber durchqueren wir immer wieder Gebiete, in denen offensichtlich vor kurzem ein Buschfeuer gewütet hat. Alles wirkt trostlos, Büsche und Bäume recken traurig ihre verkohlten Arme gen Himmel, der Boden präsentiert sich nackt und schwarz. Doch das Leben beginnt schon wieder, Besitz von den verbrannten Arealen zu ergreifen: mannshohe Büsche, geformt wie ein zwergiges Obstgehölz, stehen überall auf diesen verkokelten Flächen und erfreuen uns mit Zweigen, die über und über mit winzigen, weißen Blüten bedeckt sind. Ein merkwürdiger, schöner und doch fast geisterhafter Anblick.

Einfahrt zum Katavi
„Geisterbusch“ - wahrscheinlich
Wilder Kaffee
Katisunga Plains












Dann verändert sich die Landschaft: das Gestrüpp wird weniger, verschwindet schließlich ganz und eine weite, palmenbestandene Ebene tut sich vor uns auf. Und jetzt zeigen sich auch erste Tiere. Ein Hornrabenpärchen mit neugierigem Nachwuchs, grazile Impalas, massige Büffel, „kleinkarierte“ Giraffen, Zebras, deren Streifenmuster in der Hitze flimmert, und viele Elefanten, die gemächlich durchs Gras ziehen. Ja, so muss das sein! Und auch die Tsetses sind, der offenen Geländeform sei Dank, sind mit einem Male verschwunden. Ich schäle mich wieder aus meinem Fleece und genieße den Rundumblick mit Tieren, bis wir schließlich erneut einen Fluss erreichen – natürlich den Katuma. In weit ausladenden Schleifen und Kurven zieht er sich weitestgehend wasserlos und schlammig durch die Ebene . Und ähnlich wie in Sitalike drängen sich auch hier unzählige Hippos in den verbleibenden Pfützen, lautes Grunzen und Schnauben schallt durch die Luft und ich freue mich unendlich auf unsere Campsite, die, wie ich weiß, ebenfalls direkt am Fluss liegt. Doch bevor wir diese erreichen, müssen wir noch ein Stückchen fahren und entfernen uns auf dem Weg dorthin mal mehr, mal weniger weit vom Katuma.

Zebras flimmern
in der Hitze
Katavi Wildlife Camp
Elefanten und Impalas













Dabei passieren wir auch das Katavi Wildlife Camp, dessen Gästezelte gar malerisch am Rande einer palmenbestandenen Bauminsel errichtet wurden. Sicher ein schönes Erlebnis, hier ein paar Tage verbringen zu dürfen - aber auch ein sehr teures. Wenig mehr als ein paar hundert Gäste (so die offiziellen Zahlen) besuchen jährlich den Katavi Nationalpark und die meisten reisen per Flugzeug an. Klar, wer das nötige Kleingeld hat, tut sich nicht diese Fahr-Tortur an, die wir hinter und auch noch vor uns haben. Zweimal wöchentlich geht ein Flug hierher, man wird an der Landebahn abgeholt, in die Lodge verfrachtet und verbringt dort die Tage mit geführten Pirschfahrten und After-Safari-Gelaber bei mehrgängigen Dinners mit den wenigen Co-Gästen, die sich diesen Ausflug in die entlegene Wildnis Tansanias ebenfalls gegönnt haben. Danach wird man wieder zum Air-Strip chauffiert und bequem zum nächsten Ziel geflogen. Zeitsparend und effizient, sofern die Flugverbindung wie geplant klappt. Doch das tut sie nicht immer. Auch wir hatten uns im Vorfeld erkundigt, ob es nicht sinnvoller wäre, sich mit dem Flieger aus dem Katavi nach Dar rausbringen zu lassen, haben diese Idee aber gleich wieder verworfen, als wir über die Unzuverlässigkeit dieser Flüge lasen – und über deren Preise: mehrere tausend Dollar für einen Einstreckenflug nach Dar, einen, der mal stattfindet und mal nicht. Nein danke!

Gedrängel allenthalben ...
... auch im Zwillingstümpel ...
... und vor der Campsite!











Und so schön die Lodge auch sein mag, auch das ist nicht unser Ding. Das stellen wir mal wieder unisono fest, als wir das Gebiet erreichen, in dem uns Campern das Übernachten erlaubt ist: es ist ein dicht bebuschter Uferstreifen direkt an den Gestaden des Katuma River, man darf sich hinstellen, wo es einem gerade gefällt, man ist in unmittelbarer Nähe des Flusses, seiner Bewohner und Besucher, man ist dort völlig frei und ungebunden, man kann tun und lassen, was man will und man ist völlig alleine. Gut, kochen müssen wir selbst, unsere Übernachtungsgelegenheiten mitbringen, unsere Notdurft im Busch verrichten und bedient werden wir auch nicht – aber trotzdem ist uns das tausendmal lieber als so ein Lodge-Gedöns! Im Bewusstsein dieser genussvollen Überzeugungshaltung, die wir uns allein schon durch die beschwerliche Anreise in den Katavi verdient haben, suchen wir uns also am Ufer des Katuma ein gemütliches Plätzchen.

Ne, hier nicht, da ist der Fluss zu weit weg, nein, da auch nicht, da ist zu wenig Schatten. Aber dort, da sieht’s gut aus! Dort - das ist eine baumbestandene Halblichtung im Uferbewuchs des Katuma, groß genug für unsere Zelte und Autos, ganz nahe am Ufer. Man kann die dicht gedrängten Nilpferdleiber von hier aus gut sehen, das Grunzen der Tiere hervorragend hören und leider auch die Ausdünstungen des Tümpels ungefiltert riechen... Trotzdem, hier bleiben wir! Gemächlich, es ist ja erst Mittag, errichten wir unser Lager und lassen uns dann erst mal im Schatten einiger Büsche nieder, um einen Snack zu uns zu nehmen, die heißen Nachmittagsstunden entspannt bei einem Tee zu verbringen und die nahe Umgebung unseres Camps kennenzulernen.

Elefantenbesuch im Camp
Campeigener Hippopool
Die Zebras haben’s luftiger











Und das ist beileibe nicht langweilig: die Hippos schnorcheln bräsig in ihrer schlammigen Brühe, zahlreiche Vögel flattern im Gebüsch umher und plötzlich tauchen sogar ein paar Elefanten auf. In aller Seelenruhe ziehen sie am Uferstreifen entlang, beäugen uns prüfend und schwenken schließlich in einem kleinen Bogen zu uns rüber. Keine acht Meter von uns entfernt beginnen sie, die immer noch saftigen Blätter eines Baumes abzuernten, rupfen lautstark an den Wedeln einer Palme herum und rascheln mit ihren Rüsseln im trockenen Laub, das in einer dicken Schicht auf dem Boden liegt. Es ist deutlich zu sehen, dass sie uns nicht aus den Augen lassen, aber auch, dass sie sich durch uns nicht beunruhigt fühlen. Ja, ja, ja, das sind genau die Momente, für die ich immer wieder nach Afrika komme! Momente, in denen ich mich so klein und gleichzeitig so eins mit der Natur fühle, dass ich vor Glück schreien könnte. Das tue ich natürlich nicht, die Elefanten könnten meinen Jubel missverstehen, aber tief in meinem Inneren macht sich ein Glücksgefühl breit, wie ich es während des ganzen Urlaubs noch nicht empfunden habe – nicht mal bei den Gorillas.

Auch unterwegs tut sich was
Leicht überraschte Giraffe
Elefanten beim Schlammbad











So verstreicht ein heißer Nachmittag mit allerlei Beobachtungen, Erkenntnissen und Freuden, ein Nachmittag, den wir alle in vollen Zügen genießen. Erst, als die Elefanten wieder von dannen ziehen, kommt auch Bewegung in uns. Jetzt machen wir noch einen ausgiebigen Gamedrive und sehen uns mal an, was die weitere Umgebung des Camps zu bieten hat! Gespannt kurven wir in westlicher Richtung aus dem Lager, überqueren den Katuma an einer ausgetrockneten Stelle, die bereits von mehreren Fahrspuren durchzogen ist und ackern an der anderen Uferseite wieder nach oben. Bald erreichen wir einen Platz, an dem das Ufer zu unserer Rechten steil abfällt. Und unterhalb der fast senkrechten Böschung tobt das Leben: eine Restpfütze mit erstaunlich klarem Wasser und verblüffender Tiefe beherbergt eine große Hippofamilie, zahlreiche Krokodile drängen sich zwischen den Kolossen durchs Nass oder sonnen sich am Ufer, und eine erkleckliche Anzahl von Marabus, Nimmersatten und Sattelstörchen stakst um die mächtigen Nilpferde und Panzerechsen herum.

Vogelgewimmel
Ein Croc bahnt sich seinen Weg
Freibad-Idyll











Es ist ein einziges Gedrehe, Geflattere, Geschwimme, Geäuge, Gegrunze, Geschimpfe – kurz, ein tierisches Gewimmel, bei dem man gar nicht weiß, wohin man zuerst schauen soll. Zu der Nilpferdmutter, die ihr Junges gerne gegen ein vorbeipaddelndes Krokodil abschirmen würde, sich aber nicht drehen kann, weil ein gereizter Bulle sie daran hindert, zu dem Marabu, der einem Nimmersatt seine Beute entreißen möchte, zu dem Riesen-Croc, das sein Maul aufsperrt und sich so etwas Kühlung verschafft? Oder - hoppla, was ist das? Eine Hippokuh liegt eingekeilt zwischen dümpelnden Artgenossen und wird ständig von einem fast erwachsenen Jugendlichen attackiert, der es auf ihr Gesäuge abgesehen hat. Eigentlich viel zu alt und zu groß für eine derartige Aktion, stößt der Youngster immer wieder mit seinem Riesenschädel zwischen die Hinterbeine der Nilpferdmutter, bis er schließlich erfolgreich andocken kann und sich genüsslich schmatzend satt trinkt. Die Nilpferddame, die dem Gierschlund partout nicht ausweichen konnte, ergibt sich resigniert ihrem Schicksal und lässt ihn saufen. Doch wo ist ihr Kalb? Wir können es nicht entdecken. Dann aber, nach einer ganzen Weile, taucht doch ein winziges, fast rosafarbenes Baby neben der Mutter auf, leider auf der falschen Seite, und sucht verzweifelt nach der Milchbar. Ach, wenn wir nur helfen könnten! Doch die Natur hat ihre eigenen Gesetze und es ist trotz aller Tragik immer extrem spannend, sowas beobachten zu können. Dementsprechend lange stehen wir auch hier, bevor wir uns doch schweren Herzens trennen und weiterfahren.

An der Milchbar
Unbeeindruckt von den Crocs
Die Echse ist nicht geheuer!











Eine Weile tuckern wir den Weg, der am Katuma entlangführt, Richtung Osten, bis wir schließlich auf eine Schotterpiste stoßen, auf die wir links abbiegen. Wenige hundert Meter später quert sie den Fluss und wir halten an, denn von der niedrigen Brücke aus hat man einen fantastischen Überblick über das unter uns liegende Gewässer. Na ja, Gewässer ist wohl etwas übertrieben, es handelt sich eher um eine riesige Schlammpfütze, die aber ist bis zum letzten Quadratmeter von Hippos belegt. Was für ein Anblick! Keine drei Meter sind wir von den Nilpferden entfernt, können sie jedoch völlig gefahrlos beobachten, denn die Kolosse müssten weit außen herum laufen, um zu uns auf die Brücke zu gelangen. Wir würden also einen drohenden Angriff frühzeitig sehen und hätten genügend Zeit, uns in Sicherheit zu bringen. Doch die Hippos nehmen uns ohnehin nicht zur Kenntnis, sondern sind voll und ganz mit sich selbst beschäftigt. In der drangvollen Enge des Schlammtümpels kleben sie so dicht aufeinander, ja, liegen teilweise übereinander, dass Kabbeleien und ernsthaftere Aueinandersetzungen quasi vorprogrammiert sind. Und tatsächlich, es vergeht keine Minute, in der sich nicht zwei oder mehrere Tiere in die Haare geraten würden. Mütter, deren Kälber zu stark bedrängt werden, schnappen wütend nach den zudringlichen Artgenossen, lautstarke Beschwerden sind zu vernehmen, wenn ein Hippo über ein anderes drüberklettert oder seinen Kopf auf dessen Rücken ablegt, junge Bullen üben sich in Schaukämpfen und die männlichen Chefs der zusammengewürfelten Riesentruppe demonstrieren sich ständig gegenseitig ihre Macht. Es ist ein aberwitziges Gewimmel, dessen man nicht müde wird, es zu beobachten. Wir sind total fasziniert von den Aktionen der Nilpferde, denen man wohl selten aus einer derartigen Nähe beiwohnen kann.

Blick von der Brücke
Schon wieder Gekabbel
Nachwuchs zwischen den Fronten









Einäugiges Hippo
Es freut sich der Dritte ...
Man kann sich kaum bewegen










Tümpelwechsel
Doch da ist’s nicht besser
Am Ufer ist mehr Platz
















Doch nicht allein die Hippos selbst und ihr Tun sind hochinteressant, auch das Treiben der zahlreich anwesenden Madenhacker ist ein Schauspiel der ganz eigenen Art. Nicht nur, dass hier sowohl Rotschnabelmadenhacker als auch ihre gelbschnäbeligen Verwandten zugange sind, nein, auch ihre angeblich willkommenen Putzdienste für die Nilpferde erscheinen aus dieser Entfernung recht wenig zartfühlend. Lange Zeit glaubte die Wissenschaft ja, die Madenhacker würden in einer Art Putzsymbiose mit großen Weidetieren leben, doch inzwischen ist man sich da nicht mehr so sicher. Und wenn man sieht, mit welcher Vehemenz und Rücksichtslosigkeit die Vögel in den teilweise tiefen Wunden der Hippos herumhacken und -pulen, dann kann man diese Zweifel nur teilen. Auch die Hippos sind von den zudringlichen Freundschaftsdiensten der hungrigen Federbälle nicht allzu begeistert und wehren sich mit heftigem Kopfschütteln und Drehen ihrer Körper gegen das lästige und sicher oft auch schmerzhafte Gepicke. Aufgrund des Gedränges aber ist ihr Verteidigungsradius extrem eingeschränkt und sie tun mir fast leid, dass ihre Abwehrversuche höchst selten und, wenn doch, nicht sonderlich lange von Erfolg gekrönt sind – die Madenhacker flattern zumeist nur kurz auf und tun sich Sekunden später bereits wieder völlig unbeeindruckt an den Wunden gütlich. Verständlich also, dass die Nilpferde, bedingt durch das Gedränge und die Belästigungen durch die Madenhacker, recht gereizt sind. Was mich allerdings umso mehr erstaunt, ist die gesundheitliche Konstitution der Hippos: die müssen ein Immunsystem haben, das das der meisten anderen Tiere bei weitem übersteigt! Sie liegen in einer schlammigen Brühe, die mit Fäkalien durchsetzt ist und in der tote Fische vor sich hinrotten, die Körper der meisten Nilpferde aber werden von größeren und kleineren, offenen Wunden verunziert, über die der verkeimte Schlamm ungehindert in den Blutkreislauf eindringen kann. Eine saftige Sepsis wäre wahrscheinlich das Mindeste, was ich mir hier einhandeln würde, tunkte man mich verletzterweise in diese Soße. Den Hippos jedoch scheint das nichts auszumachen – sonst würde ja jedes Jahr zur Trockenzeit ein Großteil der Population draufgehen. Doch danach sieht das Gewimmel beileibe nicht aus!

Madenhacker an Hipposchramme
Marabu-Parade
Gegenverkehr!











Apropos Gewimmel: ich bin so in den Anblick der Hippos und ihrer Peiniger versunken, dass ich nicht mal ansatzweise auf die Idee komme, es könnte sich vielleicht auch lohnen, auf die andere Seite der Brücke zu gehen. „Schneck, komm rüber, das musst du sehen!“, ruft Heinz, der weit weniger auf die Hippo-Seite der Brücke fixiert ist. Gespannt tappere ich die wenigen Meter zu ihm hinüber – und bin entzückt: das ganze Ufer ist voll mit Vögeln! Nimmersatte, Klaffschnabelstörche und meine Lieblinge, die Marabus, drängen sich hier auf einer ausladenden Uferbank und im Wasser. Sie fischen, putzen oder sonnen sich, tragen Streitereien aus oder stehen einfach nur unbeweglich da und dösen vor sich hin. Ein Garten Eden der Storchenvögel! Ich mag sie ja alle, aber, wie schon erwähnt, sind es natürlich die Marabus, die mich ganz besonders begeistern: eine Lola schöner als die andere! Nicht diese erbarmungswürdigen Kreaturen, die wir zum Beispiel in Nyakanazi gesehen hatten, verdreckt, verklebt, staubig und sich von menschlichem Müll ernährend. Nein, hier sind nur saubere, vor Gesundheit strotzende Marabus mit gepflegtem Gefieder und fluffigen Kopf-Flusen zu sehen – wie frisch vom Friseur! Manche von ihnen sind relativ kahl, aber ein paar Exemplare bringen mich mit ihren üppigen, wie soeben vom Star-Figaro ondulierten Schöpfchen fast zum Quieken. Eines jedoch irritiert mich: je länger ich die Marabus beobachte und vergleiche, desto sicherer bin ich mir - bei ihnen verhält es sich anders als bei männlichen Humanoiden: die Jüngeren sind noch spärlich befiedert, doch je älter sie werden, desto mehr scheint der Kopfbewuchs zu gedeihen! Ich mag mich irren, aber das Benehmen der Vögel, ihr Gebaren, ihre Art der Bewegung legt diese Vermutung irgendwie nahe. Beneidenswert. Und vielleicht auch ein Ansatz für Wissenschaft und Industrie: Lola forte und Lola forte retard – sag Adieu zur Glatze... Doch wie dem auch sei: ich finde sie alle zum Anbeißen – meine Lolas und meinen Menschenmann Heinz, der mit sich lichtendem Kopfhaar neben mir steht, hier und im sonstigen Leben, und meine Begeisterung mit mir teilt, so abwegig zu verstehen sie für manch anderen auch manchmal sein mag.

Ein kurzer Blick - alles gut!
Giraffe beim Abendmahl
Zikadenbesuch











Hand in Hand pendeln wir immer wieder von einer Brückenseite zur anderen und delektieren uns an dem Tiergewimmel hüben und drüben, solange, bis unsere Reisefreunde zum Aufbruch drängen. Die Sonne steht schon tief und Annette und Jochen würden gerne über das rechte Flussufer zum Lager zurückfahren, also so, wie wir auch gekommen sind, und nicht über den kürzeren Weg via Brücke. Ja, klar, warum nicht! Schließlich können wir morgen abermals hierherkommen und der längere Rückweg ist, da geben wir den beiden recht, sicher der interessantere. Nicht lange, und diese Vermutung bestätigt sich: da, rechts vor uns, etwa fünfzig Meter entfernt, liegen ein paar Löwen gut verborgen im Gras. Ja, gut verborgen, doch nicht so gut, dass wir sie nicht trotzdem entdeckt hätten! Faul fläzen sie im langen Schatten einer niedrigen, buschigen Palme und dösen bewegungslos vor sich hin. Nicht ganz das, was Heinz und mich vom Hocker reißt, aber unsere Reisegenossen sind entzückt! Eine ganze Weile also starren wir auf kaum sichtbare, pelzige Ohren und, highlightmäßig, auf zuckende Schwanzquasten, als sich plötzlich ein Lodgefahrzeug von hinten nähert. Ein Späher, ein Fahrer und ein einziger Tourist befinden sich an Bord. Der Tracker ist wie elektrisiert: da stehen zwei Fahrzeuge, sprich wir (in diesem Park kommt das beinahe einer Massenversammlung gleich), dessen Passagiere angestrengt in eine Richtung schauen – da muss also was sein. Allein der Tracker, der Fahrer und der Tourist sehen nichts. „Hello! Something interesting?“ „Lions!“ „Ah!?“ Die Personen an Bord des Lodgefahrzeugs geraten in höchste Erregung – können jedoch nichts entdecken. „Lions? Are you sure? Where?“ Aufs Exakteste beschreiben wir die Ablageorte der Großkatzen: „Auf zwei Uhr etwa. Da ist eine kleine Palme. Rechts davon, in deren Schatten, liegt ein Weibchen. Links der Palme, in Verlängerung des struppigen Busches, ein Männchen...“ Die Lodgisten scannen und starren sich vergeblich die Augen aus dem Kopf – das Licht wird immer schlechter -, während wir still und leise die Flucht ergreifen und froh sind, zu unserem Lager im Busch zurückkehren zu dürfen. Da, wo man nicht mit einem Fly-In-Touristen an einem fremdgezündeten Lagerfeuer über vermeintlich gesehene Löwen labern muss, einen keine bewaffneten Campangestellten bewachen und anschließend zum Schlafzelt begleiten. Das machen wir alles selbst! Und auch noch richtig gut und so, wie es uns behagt. By the way: sie taugt uns unheimlich, diese Nacht im Busch. Es raschelt, es zirpt, es quiekt, man hört das kichernde Huhuhen diverser Hyänen, die Hippos schnorcheln und grunzen, ein naher Löwe brüllt, ein ferner antwortet...