Dienstag, 15. März 2016

30. September 2014; Erkundungstag im Tankwa Karoo NP

Was für eine, im wahrsten Sinne des Wortes, erfrischende Nacht! Dennoch, oder eher gerade deswegen, haben wir hervorragend geschlafen, fest eingemümmelt in unsere Decken, und erwachen nun voller Tatendrang. Bei einem Frühstück, während dessen wir langsam von den ersten Strahlen der Sonne erwärmt werden, beraten wir über die Pläne des Tages. Schnell werden wir uns einig: wir alle möchten gerne die nähere Umgebung des Camps ausführlich zu Fuß erkunden, die heißen Mittagsstunden untätig genießen und dann, am Nachmittag, zu einer Auto-Runde durch den Park aufbrechen. Gesagt, getan. Während Annette, Jochen, Heinz und ich allerdings recht langsam in die Gänge kommen und die Sache gemütlich angehen, ist Ute schon wie ein Pfeil verschwunden. Ein paar Mal noch sehen wir ihre blaue Weste in immer weiterer Ferne aufblitzen, dann ist sie endgültig außer Sicht, wohingegen wir soeben erst unseren Platz verlassen. Hui, die gute Ute, die hat echt Hummeln im Hintern! Unser Insektenbefall im Darm beschränkt sich da wohl auf eher harmlose Schwebfliegen, doch uns läuft ja nichts davon.

Crassula tomentosa
var. tomentosa
Crassula muscosa var. muscosa
Crassula deltoidae










Crassula barbata
Tylecodon reticulatus
Gethyllis villosa










Tylecodon wallichii
Monsonia sp.
Euphorbia hamata










Annette und Jochen flanieren also gemächlich hinter ins Bachtal, Heinz und ich hingegen erklettern gespannt die verheißungsvollen Geröllaufschüttungen am Fuße der Berge, wo wir aber nicht weit kommen. Was für ein Sukkulenten-Eldorado! Tylecodons, Cotyledons, Euphorbien, Crassulen; in jeder noch so kleinen Felsritze wächst was Bekanntes, was Neues, was Blühendes, was Keimendes, was Knorriges! Wir klettern und krabbeln im Zeitlupentempo den Steinwall rauf und runter und kommen aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Stundenlang delektieren wir uns an unseren kleinen, sehr zahlreich wachsenden Bodenschätzchen, bis es schließlich so heiß geworden ist, dass sogar das langsame Robben über die Felsen zu anstrengend und schweißtreibend wird. Durstig und nassgeschwitzt streben wir Richtung Camp und schütten uns dort kurz Wasser in die trockenen Kehlen, als schon das nächste Highlight winkt. Nein, es winkt nicht, es klettert vielmehr geschickt durch die Bäume: „es“ ist ein ganzer Schwarm munterer Mausvögel, der sich, nach Futter suchend, an den Ästen der Buscholivenbäume entlanghangelt. Die grauen Vögel mit den kecken Federschöpfchen sehen aus wie kleine, langschwänzige Papageien mit Kakadu-Häubchen und bewegen sich auch ähnlich, gehören aber einer ganz anderen Ordnung an.

Weißrückenmausvogel oder...
... Colius colius ...
... beim Dösen










Doch ihre Geschicklichkeit steht der ihrer Vogelverwandten in nichts nach. Mit ihren gebogenen, sehr kräftigen Schnäbeln werden sie fast jeder Frucht Herr und, um der Beute erst mal habhaft zu werden, hängen sie sich ohne Zögern auch kopfunter in die Büsche. Entzückt stehen Heinz und ich im Schatten der dicht belaubten wilden Oliven und genießen die akrobatischen Verrenkungen der kleinen Mausvögel, bis diese genug von uns und den Bäumen haben und sich aus dem Staub machen. Aber schön, dass wir die fliegenden Mäuse eine Weile bei ihrem Treiben beobachten durften! Und mittlerweile haben wir uns sogar wieder etwas regeneriert, dem Schatten sei Dank, und überlegen, was wir jetzt anstellen könnten. Heinz hat eine Idee: er hat heuer gleich zwei Wildkameras dabei und die will er nun installieren, irgendwo da draußen im Busch. Wir marschieren gerade los, als uns Jochen und Annette entgegenkommen, ebenfalls völlig verschwitzt und ermattet. Als die beiden von unserem Vorhaben hören, haben sie aber gleich einen guten Tipp parat. Weiter hinten im Tal hatten sie auf ihrem Spaziergang eine lichte Stelle im Gebüsch entdeckt, durch die man relativ problemlos zum Hoenderhoek gelangen kann - und der hätte sogar etwas Wasser. Ja, wenn das mal nicht der perfekte Ort für unsere Selbstschusskameras ist!

Der Hoenderhoek
Sutherlandia frutescens
Emberzia capensis










Wir flitzen sofort los und erreichen nach zirka drei Kilometern die beschriebene Stelle, wo wir uns, von ein paar Kratzern abgesehen, tatsächlich unbeschadet durch das dichte Buschwerk zwängen können. Wenig später stehen wir dann vor dem kleinen Bach, der zwar kaum eine nennenswerte Fließbewegung zeigt, aber trotzdem genug Wasser führt, um in dieser trockenen Gegend Tiere anzulocken. Vorsichtig klettern wir die steile Böschung nach unten, um die beste Stelle auszukundschaften. Doch warum lange suchen? Genau da, wo wir herabgeklettert sind, ist der ideale Platz! Davon künden zahlreiche Köttel und und weiße Vogelkot-Sprutzer auf den Felsen. Heinz macht sich stante pede an die Montage der ersten Kamera, während ich ein wenig die Vegetation des Bachbetts erkunde. Doch bis auf ein paar Blümchen und eine kleine Sutherlandia mit prallen Schoten gedeiht hier wenig. So kehre ich bald wieder um und komme gerade rechtzeitig, um Heinz beim Testen der Kamera beobachten zu können. Ein Bild für Götter! Er hält sich beide Hände wie Ohren an den Kopf und hüpft mit känguruhartigen Sprüngen in das Erfassungsfeld der Bewegungssensoren. Jawoll, ausgelöst! Ich freue mich schon sehr auf die Bilder - auf die von Heinz... Der wiederum ist sehr zufrieden mit der Wahl des Ortes, möchte aber die zweite Kamera gerne anderswo installieren. Also winden wir uns wieder aus dem Gebüsch und machen uns auf die Suche nach einer weiteren Stelle in anderem Gelände. Nicht weit neben dem Fahrweg wird Heinz bald fündig, befestigt sein Starenkästchen und wir traben zurück ins Camp, wo es sich unsere Reisegenossen im Schatten der Bäume gemütlich gemacht haben.

Tal des Hoenderhoek
Unsere Campsite
Der Sukkulenten-Wall










Auch Ute ist wieder da und erzählt von ihrer kilometerweiten Wanderung durch die östlichen Weiten des Tankwa Karoo NPs. Dabei fällt uns auf, dass sie sich, ihren Bewegungsdrang auslebend, offenbar außerordentlich für Landschaften begeistert. Das ein oder andere Tier, hier und da auch eine besonders auffällige Pflanze, erschienen ihr natürlich ebenfalls interessant, im Vordergrund ihrer Erzählungen aber stehen deutlich die körperliche Betätigung und das Erkunden spezieller Landschaften. Das bestätigt sich nochmals, als sie von ihrer Oman-Reise berichtet und wir im Laufe des Gesprächs sogar noch auf ein gemeinsames Traumziel stoßen: Sokotra, eine kleine, entlegene Insel, die zum Jemen gehört und sowohl pflanzentechnisch als auch landschaftlich einiges zu bieten hat. Natürlich würden wir einen Besuch Sokotras unter völlig unterschiedlichen Gesichtspunkten planen, weil unser jeweiliger Fokus eben auf verschiedenen Dingen liegt, wer aber solche Ziele ansteuert, aus welchen Gründen auch immer, liegt definitiv irgendwie auf einer Wellenlänge. Im Klartext: Ute wird uns immer sympathischer, sie ist eine weitgereiste, selbstsichere, unabhängige, entspannte Frau, die ihr Ding macht, während wir das unsere durchziehen. Keiner stört sich an den besonderen Interessen des anderen, jeder kann das genießen, was ihn glücklich macht und danach sitzt man zusammen und berichtet sich gegenseitig, was man erlebt hat. Das ist eine schöne Bereicherung, bei der jeder was vom anderen lernen kann. Dergestalt quatschen wir uns nun durch die heißeste Zeit des Tages, erholen und erfrischen uns, bevor wir wieder aufbrechen.

Kuhantilopen
Unterwegs im Tankwa
Wir nähern uns Leeuberg










Diesmal jedoch tun wir das alle zusammen, schlichten uns in die beiden Autos und fahren Richtung Westen. Immer wieder halten wir an, um eine besonders schöne Aussicht zu genießen, eine pflanzenreiche Ebene zu erkunden, oder einfach nur, um uns die Füße zu vertreten. Wie losgelöst bewegen wir uns vorwärts, doch Heinz und ich haben dabei trotzdem ein ganz spezielles Ziel: eine Ebene am südlichen Fuße des Leeubergs, eine Ebene, auf der wir letztes Jahr die endemische Tanquana prismatica gefunden hatten. Und wie ferngesteuert finden wir wieder dort hin - ohne Navi, ohne GPS - punktgenau! Angesichts der seltenen und äußerst farbenfrohen Pflanzen macht sich große Wiedersehensfreude in uns breit und begeistert schwärmen wir aus. Meine Güte, ist das schön! Letztes Jahr hatten wir die Tanquanas durch Zufall entdeckt und waren entsprechend geplättet von unserem Fund. Beinahe atemlos mäanderten wir vor achtzehn Monaten zwischen den Pflanzen umher, konnten unser Glück kaum fassen. Heuer hingegen wissen wir, was auf uns zukommt und können deshalb umso bewusster auf Erkundungstour gehen. Die fassungslose Begeisterung von damals wandelt sich deshalb gerade in nicht minder begeisterte Freude, unser Blick jedoch kann jetzt auch noch anderes wahrnehmen, wo uns unser unvorbereitetes Entzücken des letztes Jahres tatsächlich Scheuklappen angelegt hatte.

Tanquana prismatica:
Vielfalt in Farben ...
... und Formen










Heinz beim „Robben“
Tanquana prismatica - Kapseln
Tanquanas und Cephalophyllum










Bah, welch herrliche Sicht auf die Berge, welch Wolken-Schattenspiele, welch einzigartig geformte, bunt gefärbte Kieselsteine! Heinz und ich fühlen uns wie berauscht, robben auf allen Vieren, auf dem Bauch, über die Tanquana-Ebene, fotografieren uns die Finger wund, sehen uns die Augen rot und schweben dabei im siebten Himmel. Annette und Jochen halten wacker mit, angesteckt von unserer Freude, Ute hingegen, so nehme ich plötzlich aus dem Augenwinkel wahr, hat sich ausgeklinkt und sitzt, in einem Buch lesend, leicht genervt auf dem Boden. Ich wollte ja eigentlich kein schlechtes Gewissen haben, doch genau das empfinde ich jetzt... „Ute, was ist los?“ „Ach, hätte ich gewusst, dass das hier so lange dauert, wäre ich doch schon zweimal auf den Berg da drüben geklettert!“, beschwert sie sich, halb im Spaß, halb im Ernst. Das tut mir echt leid. Aber offenbar müssen wir unsere Bedürfnisse doch noch deutlicher formulieren und Ute die Chance geben, sich in unseren, für sie nicht ganz nachvollziehbaren Krabbel-Phasen, zeitig zu verdünnisieren, ihr vorab einen verfügbaren Zeitrahmen nennen, innerhalb dessen sie nach Lust und Laune rumsausen kann. Das nehme ich mir auf jeden Fall fest vor. Heinz jedoch, der Utes Langeweile durchaus ebenfalls wahrgenommen hatte, darauf aber nicht reagieren wollte, sagt zu mir: „Soll sie doch lesen, ist ja auch ’ne schöne Beschäftigung! Ich will deswegen aber kein schlechtes Gewissen haben und das hab ich a ned. Wir haben klar gesagt, was wir wollen und damit hat sie sich abzufinden. Basta!“ Sprichts und krabbelt weiter in der Gegend herum. Hoppala! Mit einer derart eindeutigen Reaktion von meinem ansonsten so friedliebenden Schneck hätte ich nicht gerechnet. Doch er hat recht. Allerdings wird nix so heiß gegessen wie es gekocht wird und Ute hat ja zudem nicht genölt. Sie konnte sich wahrscheinlich nur nicht vorstellen, dass man wegen ein paar kleiner Pflanzen so lange rumkriechen und sich so ausdauernd begeistern kann. Doch jetzt hat sie es live erlebt und kann sich darauf einstellen, wie auch wir auf ihre Bedürfnisse. Doch Annettes und Jochens Geduld wollen wir natürlich ebenfalls nicht überstrapazieren, weswegen wir nach einer ausgiebigen Verabschiedung von den Tanquanas unseren Ausflug in diese einmalige Sukkulentenebene für beendet erklären.

Kapseln nass machen und warten
Nach einer Minute
Nach zwei Minuten










Tanquana-Landschaft
Beim Bestimmen
Wolkenstimmung

Glücklich und zufrieden klettern wir alle wieder in die Autos, um unsere Rundfahrt fortzusetzen. Und jetzt, in der schräg stehenden Nachmittagssonne beginnen dieser Park, diese Landschaft, ihren einzigartigen Zauber zu entwickeln; eine Kombination aus Licht und Schatten, aus Struktur und Samtigkeit, aus komplementären Farbtönen, aus Wolken und Bergen, aus karger Vegetation und üppigem Leuchten. Wir sind mal wieder hingerissen und kosten diese gewaltige Stimmung in vollen Zügen aus, indem wir den langen Weg Richtung Camp einschlagen und dabei immer wieder anhalten. Bei einer Kulisse aus schroffen Gebirgsketten, die sich in eindringlichen Blau- und Violetttönen hintereinanderstaffeln; bei sanften Hügeln, die sich wie blasses Gelbgold von schweren, dunkel blauschwarzen Wolken abheben; bei einer grasigen Ebene, aus deren samtig wogendem Bewuchs ein abgestorbener Baum seine toten Äste anklagend in den wolkenwabernden Himmel reckt; bei einer verlassenen Steinhütte, die mit morbidem Charme dem kalten Abendwind trotzt; bei einem Wolkenloch, durch das sich die untergehende Sonne goldfingerig in ein Feld trockenen Grases ergießt... Schließlich sind wir fast wieder „zuhause“ angelangt, postieren uns aber, keine Sekunde dieser Lichtstimmungen verpassen wollend, mit einem Sundowner vor dem Eingang zu unserem Tal und werden nochmals belohnt: dunkle Wolken dräuen über den Bergen, die im güldenen Licht der untergehenden Sonne beinahe überirdisch glühen. Mann, ist das schön! Allerdings kühlt es rapide ab und wir, luftig angetan mit dünnen Hosen und Jacken, beginnen sofort zu frösteln. Aber wir harren natürlich bis zum Ende aus. Als der letzte Sonnenstrahl verschwunden ist, beeilen wir uns allerdings umso mehr, zurück ins Lager zu kommen. Dort nämlich warten Anoraks und Mützen, mit denen wir uns sofort für den Abend rüsten, der sich eindeutig anschickt, dem gestrigen Konkurrenz zu machen. Und tatsächlich. Als wir mit dem Essen fertig sind, zeigt das Thermometer wieder null Grad. Doch ins Bett gehen wir heute noch nicht, denn Annette und Jochen haben etwas zu feiern - ihren Hochzeitstag. Die beiden sind sich zwar nicht ganz einig, ob es der achtundzwanzigste, der neunundzwanzigste, oder doch gar schon der dreißigste ist, aber der extra für diesen Freudentag reservierte Sekt schmeckt so oder so hervorragend. Obwohl ein Grog oder Glühwein bei diesen Temperaturen sicher passender gewesen wäre…


Weitere Impressionen des Tages:


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Tylecodon-Nachwuchs
Tylecodon reticulatus
Tylecodon paniculatus










Samenstände Hoodia sp.
Monsonia sp.
Crassula deltoidae










Blüten Tylecodon paniculatus
Tylecodon paniculatus
Cephalophyllum sp.










Tanquana prismatica
Drosanthemum sp.
Flechten










Tanquana prismatica
Tanquana prismatica
Tanquana prismatica










Wir können leider...
... nicht immer alles ...
... identifizieren.










Es folgt:
Grandiose Landschaft ...
... zum drin Versinken!











































































Colius colius
Cordylus sp.
Potjiekos ...










Es wird kalt im Lager
Prost zum Hochzeitstag ...
... mit kaltem Sekt!










Colius colius

Kameramontage
Tyl. wallichii

Freitag, 4. März 2016

29. September 2014; Hout Bay > Tankwa Karoo Nationalpark, Perdekloof Campsite

Mit wesentlich weniger Begeisterung als gestern und einem kleinen Mangel an Tatendrang wälzen wir uns heute Morgen aus den Betten. Es ist Montag - ein Tag, der auch zuhause auf der Beliebtheitsskala der Wochentage ganz unten rangiert, wenn auch aus anderen Gründen. Wesentlich angenehmer sind unsere Gründe hier und heute allerdings auch nicht: wir müssen unseren verstreuten Kram packen, das Kairos verlassen und dann die ewige Meile zum Tankwa Karoo raufpesen. Na ja, immer noch ein wenig besser, als in die Arbeit zu müssen! Seufzend also machen wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück an die Arbeit, nutzen nochmal die Annehmlichkeiten der Zivilisation, verstauen unser Gepäck in den Autos und rollen dann los. Okay, bis zum nächsten Supermarkt. Es wäre schließlich kein perfekter Montag, würde er nicht auch noch durch einen unvermeidlichen Einkauf gekrönt... Als wir endlich auch das hinter uns gebracht haben, beginnt der wahre Ernst des Lebens - raus aus Kapstadt, rauf auf die N1 und ab geht die Fahrt. Endlos erscheinen uns die Kilometer bis zu unserem ersten Stopp, dort, wo wir auch letztes Jahr schon Halt machten: De Doorns, Die Veldskoen Padstal. Doch bereits auf dem Parkplatz hebt sich unsere Laune, denn dort sprießen jede Menge Blumen, die uns Hoffnungen auf mehr machen. Nach einer gründlichen Inspektion der bunten Blüten, die allesamt noch verheißungsvoll frisch aussehen, nehmen wir dann Kurs auf das Ladeninnere, das uns in allerbester Erinnerung ist. Annette freut sich so darauf, dass sie schnurstracks in medias res geht und dabei blindlings an einem kleinen Tischchen vor der Ladentür vorbeisteuert. Heinz, Ute und mir jedoch entgeht die dort angebotene Ware in keinster Weise und, quasi im Vorbeigehen, greifen wir uns jeder eines von insgesamt drei unwiderstehlichen Stachelschweinen, kunstvoll gefertigt aus schwarzen und weißen Perlen. Mit unserer Beute unter dem Arm betreten schließlich auch wir den Padstall und komplettieren dort unseren höchst befriedigenden Fang mit diversen Fruchtrollen, Trockenfrüchten, Nussmischungen und Erfrischungsgetränken für unterwegs.

Die Veldskoen Padstal
Bunte Blumenwiese
Gazania sp.










An der Kasse dann wird Annette unserer Stachelschweine gewahr und möchte wissen, wo wir die herhaben. „Von draußen, vor der Ladentür, aber...“. Den zweiten Teil des Satzes, nämlich, dass es nur diese drei gab, können wir nicht mehr vollenden, so schnell flitzt Annette raus. Enttäuscht kommt sie nach einer Minute wieder zurück und wirft begehrliche Blicke auf unsere putzigen Ystervarkies (wie sie auf Afrikaans heißen). Doch es gibt Dinge, die teilt man nicht, die tritt man nicht an jemand anderen ab! Essen, ja, Getränke, ja, im Notfall eigentlich fast alles, aber keine Perlentiere, die man bereits voll und ganz ins Herz geschlossen hat - da ist auch Ute unerbittlich. So geht Annette leider leer aus und der Gruppenfrieden droht kurzfristig ins Wanken zu geraten, insbesondere, weil Ute sich anfangs als wenig andenkenanfällig geoutet hatte. Aber ein ins Herz geschlossenes Perlen-Ystervarkie ist eben eine mehr als verständliche Ausnahme, das sieht auch Annette bei aller Begehrlichkeit ein, und alles ist wieder in Ordnung. So nehmen wir in trauter Harmonie unsere Erfrischungsdrinks draußen auf dem Parkplatz zu uns und schwelgen in der dortigen Blumenwelt, als mein Blick auf die Gipfel der uns umgebenden Hex River Mountains wandert. Eine Silhouette mehr oder weniger markanter Zweitausender reckt sich da gen Himmel und auf den Gipfeln der höchsten, ich muss gleich mehrfach hinsehen, erstrecken sich seltsame weiße Flecken. „Schaut's mal, das ist doch Schnee da oben, oder?!“ Tatsächlich! Puh, Schnee im Afrika-Urlaub, das hatten wir nicht erwartet. Obwohl es absolut nichts Ungewöhnliches ist - Minusgrade und Schneefall sind regional bzw. saisonal keine Ausnahmen und, ja, sogar Gletscher gibt es auf diesem Kontinent. Doch wenn Schnee zu dieser Jahreszeit so direkt über einem thront, in einer Gegend, in der man nicht damit rechnet, dann ist es eben doch etwas Bemerkenswertes. Aber gut, dass der Schnee nur in der obersten Gipfelregion liegt und wir nicht vorhaben, während unseres Urlaubs in höhere Areale vorzudringen; wir sind auf Sonne und Wärme eingerichtet!

Hex River Valley
Weiße Flecken auf den Bergen?
Schnee!!!!










Diese beiden Faktoren begleiten uns auch gar freundlich auf unserer Weiterfahrt - und noch etwas, was uns sehr erfreut: immer wieder erblicken wir rosarote und weiße Polster blühender Mittagsblumen. Unsere Hoffnungen wachsen. Allerdings nicht lange. Je länger wir Richtung Nordosten kurven, desto trockener, grauer und karger wird die Landschaft - nicht mal in feuchtigkeitsbegünstigenden Senken ist noch was zu sehen. Und der Parkplatz, auf dem wir letztes Jahr Rast gemacht hatten, ist staubiger denn je! Trotzdem halten wir an, alleine schon, weil wir Hunger haben und unsere Blasen nach Erleichterung schreien. Und im Zuge dessen suchen Heinz und ich natürlich nach interessanten Sukkulenten nebst ein paar Blütchen. Wenigstens ein paar. Aber nichts! Die Pflanzen sind selbstverständlich da, doch keine von ihnen zeigt sich blühwillig. Nicht die Malephora, nicht der robuste Psilocaulon. Schade, wirklich schade! Dennoch hält mich nichts davon ab, Ute ein paar Psilocaulon-Samenstände in die Hand zu drücken, um sie an dem Wunder der Mesemb-Kapselöffnung teilhaben zu lassen - akkurat an dem Ort, an dem ich vor etwa 18 Monaten selbst diese einmalige Erfahrung erstmals machen durfte. Ute nässt die winzige Kapsel auf meine Erklärung hin mit Spucke ein und erfreut sich erwartungsgemäß an deren prompter Öffnung. Nicht mehr und nicht weniger. Na ja, einen Versuch war es wert. Heinz und ich wissen ja, dass wir ein bisschen sehr speziell interessiert sind und sind niemandem böse, wenn er angesichts derartiger Naturwunder vor Begeisterung nicht gleich tot umfällt. Andererseits passiert Selbiges natürlich in den wenigsten Fällen... Doch wie dem auch sei; wir wollen nichts unversucht lassen, Ute so weit wie irgend möglich in unsere Interessen einzubeziehen, damit sie sich nicht ausgeschlossen fühlt. Inwieweit ihre Interessen allerdings mit den unseren konform gehen oder wo genau sie sonst liegen, werden wir in den folgenden Wochen sicher noch herausfinden.

Unser „Stammparkplatz“
Bunte Bergschichtungen
Wir nähern uns dem Tankwa










In diesem Sinne fahren wir nun weiter und nähern uns Kilometer für Kilometer dem Tankwa Karoo NP. Die Strecke ist gut zu fahren, besticht aber landschaftlich nicht gerade durch besondere Schönheit. Um das wenig Abwechslung bietende Geöttel etwas zu strukturieren, suche ich immer wieder nach bestimmten Wegmarkern, die mir noch in Erinnerung sind. Hier ein quarzig-kiesiger Hügel zu unserer Rechten, dort eine quer über die Pad führende Abflusssenke, da ein markantes Farmtor. Uih, gleich muss der Streckenabschnitt beginnen, der letztes Jahr geteert wurde, als wir ihn befuhren! Und dann ist es nicht mehr weit. Ich warte, ich harre, allein die Teerstrecke will und will nicht kommen. Aber ich habe das doch nicht geträumt! Mhm, es ist ein echtes Rätsel - und bleibt auch eines. Denn bevor ich mich versehe, sind wir am Eingangstor zum Park (ohne einen einzigen Kilometer Teerbelag gesehen zu haben) und ab da ist wieder alles wie in meiner Erinnerung: zuerst Landschaft, die wie frisch umgegraben wirkt, dann der Hoodia-Hügel, der allerdings noch karger ist als letztes Jahr, und zuletzt das Office mit den Schaubeeten und dem freundlichen Personal. Alles wie gehabt. Auch meine leisen Zweifel, ob das wirklich der richtige Park für uns ist, werden beinahe wieder wach, denn der Tankwa präsentiert sich wirklich nicht von seiner besten Seite, wenn man, von Süden kommend, hineinfährt. Die Landschaft ist ziemlich öde, die Vegetation extrem spärlich und dem Auge werden wenig Reize geboten, zumal wenn die Sonne relativ hoch steht und das Licht harte Schatten wirft. Wären wir letztes Jahr nicht eines Besseren belehrt worden und hätten den ganz speziellen Zauber des Parks kennenlernen dürfen, wären wir wohl kaum wieder gekommen. So aber stehen wir nun voller Vorfreude im Office, melden uns an und informieren uns über die momentane Wettersituation. Die Nachrichten jedoch sind keine guten: es hat seit Ewigkeiten nicht mehr geregnet, die Blütezeit dürfte weitestgehend ausfallen und, zu allem Überfluss, ist es in den Nächten zur Zeit eiskalt. Na Prost Mahlzeit!

Unsere Campsite im Tankwa
Schöne Aussichten
Noch ist es warm











Mit nunmehr leicht reduzierter Vorfreude nehmen wir deshalb unseren Schlüssel für die Campsite entgegen und fahren dann rund acht Kilometer Richtung Osten, hinein in das Tal des Hoenderhoek, einem kleinen Bächlein, das weiter südlich in den Renoster River fließt. Am Ende dieser Stichstraße befindet sich Perdekloof, ein noch recht neues Campingareal mit sechs Stelllplätzen, die allesamt mit fließend Wasser, Dusche, Klo, Küchenzeile, Gastherme und Solarbeleuchtung ausgestattet sind. Diesen Luxus wollten wir uns heuer gönnen - im Gegensatz zu letztem Jahr, wo wir in Skaapwachterspos residierten, bar jeglicher Facilities – aber auch völlig ohne menschliche Nachbarn. Gespannt kurven wir in das kleine grüne Tal, checken im Vorbeifahren die Mitcampersituation und entdecken schließlich, ziemlich am Ende der Pad, unsere gebuchte Campsite. Das sieht doch gut aus: wir sind, bis auf eine belegte Campsite am Anfang des Tals, allein auf weiter Flur, der Platz ist geräumig und das Facility-Häuschen sieht funktionell und sehr gepflegt aus.

Wir beneiden Mais ...
... und Steaks, ...
... weil die es WARM haben!










Zufrieden parken wir die Autos, laden ab und inspizieren dann den Platz. Eine kleine Küchenzeile mit Spülbecken und großzügiger Arbeitsfläche, ein affensicheres Müllhäuschen, eine heimelig von Buschwerk umschlossene Campfläche und ein Klo-Dusch-Raum. Wie es im Inneren des Sanitärgemachs jedoch aussieht, können wir allenfalls ahnen, denn der uns überreichte Schlüssel will partout nicht sperren. Wir versuchen alles, drehen den Schlüssel, so herum und andersrum, drücken und ziehen an der Klinke, aber die Tür bleibt verschlossen. Jochen sieht schließlich nur noch eine mögliche Lösung des Problems und macht sich deshalb auf den Rückweg zum Office – das auf unsere Funkanfrage nicht antwortet – um den nötigen Schlüssel einzufordern. Kurz darauf kehrt er zurück. Per Funk, man hatte uns, etwas verspätet, doch gehört, wurde er in das Geheimnis des vermeintlich fehlenden Schlüssels eingewiesen: Selbiger liegt, gut verborgen, in der Küche bereit, man hätte wohl leider versäumt, uns das mitzuteilen. Was, wie? Die Erklärung folgt: Der Dusch-Klo-Raum wird natürlich ebenfalls von der Gastherme mit Warmwasser versorgt. Bedauerlicherweise jedoch wurde von abreisenden Campgästen des Öfteren vergessen, das gesamte Facility-Gebäude abzuschließen, weswegen sich die kostenlosen Duschgelegenheiten herumsprachen und so auch von Nichtbuchern extensiv genutzt wurden. Deshalb war man dazu übergegangen, dieses Sicherheitsverfahren einzuführen, dessen Sinn sich mir allerdings nicht erschließen will. Wenn ich nicht absperre, dann ist offen, egal, ob der Schlüssel vorher separat in der Küche versteckt war oder nicht... Na ja, ist ja auch egal, Hauptsache, das Klo ist jetzt nutzbar!

In mehrerlei Hinsicht erleichtert, widmen wir uns nun dem Lageraufbau und statten unsere Zelte vorsichtshalber gleich mal mit zusätzlichen Decken aus. Eine Maßnahme, wie sie vorausschauender nicht sein könnte! Denn kaum ist die Sonne hinter den Renosterbergen verschwunden, sinkt die Temperatur rapide und wir, die wir gerade unser Abendessen zubereiten, machen den Maiskolben auf dem Grill fast den Platz streitig. Holla, ist das zapfig! Minütlich werden es ein paar Grad weniger. Wir dinieren schließlich, angetan mit Mützen, Jacken und Anoraks. Als wir bald danach ins Bett gehen - für einen gemütlichen Abendplausch ist es definitiv zu kalt - zeigt das Thermometer knapp unter null Grad an und wir kuscheln uns dankbar in die wärmenden Schlafsäcke und Decken. Brrrr, gute Nacht!


Weitere Impressionen des (Fahr-)Tages:

Weinanbau im Hex River Valley
Weinanbau im Hex River Valley
Weinanbau im Hex River Valley










Arbeiter-Siedlung

Weinanbau im Hex River Valley























Die Landschaft ...
... verändert sich ...










... zusehends
Frankolin-Besuch auf der Campsite
Vorgeschmack auf den Zauber des Parks