Der
neue Morgen empfängt uns schon wieder mit Nieselregen, das Dach
unseres Gartenhäuschens leckt mittlerweile und die Sitzpolster der
campeigenen Stühle sind so durchnässt, dass wir uns genötigt
sehen, das Frühstück anderswo einzunehmen. Mit allem Nötigen
bepackt, ziehen wir unter den Vorbau des Sanitärgebäudes, wo es
leidlich regengeschützt ist. Dort verzehren wir rasch unser
Morgenmahl, bevor wir uns an die unangenehme Aufgabe machen, die
vollgesogenen Zelte abzubauen. Schwer nur wollen sie in ihre
Packsäcke rutschen, wiegen gefühlte Zentner und sind deshalb auch
nur mit Mühe aufs Autodach zu hieven. Doch schließlich ist alles
verstaut und wir treten unsere letzte Etappe Richtung Windhoek an.
Wechselvolles Wetter begleitet uns, doch je weiter wir nach Süden
vordringen, desto sonniger wird es. Zwar dräuen hier und da noch
dunkle Wolken, aber sie regnen nicht ab – zumindest nicht direkt
über uns. Gen Mittag bereits erreichen wir trockenen Reifens
Namibias Hauptstadt und steuern nach deren Durchquerung direkten
Weges sofort den Schnitzermarkt beim Eros Airport an. Dort hatte ich
vor zwei Jahren mein 10-Kilogramm-Lieblings-Nilpferd Jacob erworben.
Nun hoffe ich natürlich erneut auf „fette“ Souvenir-Beute –
nicht nur, weil ich ja noch Heinz’ Geschenkversprechen offen habe,
sondern auch aufgrund unerklärlicher, urzeitlicher Jäger- und
Sammlertriebe. Kein Urlaub ohne Andenken. Das schaffe ich einfach
nicht.
Doch
bereits als der Markt in unser Sichtfeld rückt, schwinden meine
Hoffnungen: nur ganz wenige Verkaufsstände haben geöffnet, die
meisten hingegen sind mit Kunststoffplanen abgedeckt, in deren
Vertiefungen riesige Pfützen stehen. Hier hat es offenbar recht
ausgiebig geregnet und man hat die Schnitzereien so gegen die Nässe
geschützt. Mhm, das sieht nun nicht gerade nach dem ultimativen
Souvenir-Shoppingvergnügen aus. Denke ich zunächst. Als wir aber
unser Auto auf dem Markt parken, schießen plötzlich aus allen Ecken
und Winkeln begeisterte Verkäufer hervor, decken bereitwillig ihre
Kostbarkeiten für uns auf und wir schlendern genussvoll, begleitet
von lauten Grüßen und einzigartigen Preisversprechen, zwischen den
Verkaufsständen umher.
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Hololo… |
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und seine Gattin Fauziah |
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Heinz’ Szepter |
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Schakalmann |
Bereits
beim ersten Rundgang entdecken wir einige hölzerne Zuckerl, die
durchaus Chancen hätten, eine neue Heimat in unseren deutschen
Wohnzimmern zu finden. Doch natürlich lassen wir uns unser Interesse
nicht anmerken, sondern verschaffen uns zunächst einen
Gesamt-Überblick, nehmen das ein oder andere, auch nicht so
verlockende Stück in die Hand, winken ab, spazieren weiter. Nach der
zweiten Runde jedoch haben wir unsere Entscheidungen getroffen und
steigen gut vorbereitet in den Ring der Preisverhandlungen. Heinz hat
es auf zwei Masken und ein Szepter abgesehen, mein Begehr gilt einem
roh geschnitzten Elefanten und einem liegenden Löwen, der gewisse
Ähnlichkeit mit seinen Kollegen im bayerischen Staatswappen hat –
nach genetischer Verschmelzung mit einer Sphinx. Sofort preist mein
Verkäufer seine Stücke in den höchsten Tönen an. Ach, nein, meine
ich und heuchle Desinteresse, der Löwe sei ja wohl etwas dünn
geraten und der Elefant sähe leider von hinten besser aus, als von
vorne. Dass mir aber genau diese beiden „Minus-Punkte“ positiv
ins Auge stechen, verschweige ich tunlichst und bekomme deshalb
zahlreiche andere Viecher, dickere Löwen und „hübschere“
Elefanten, präsentiert. Mhm, nee, danke. „But I make you good
price, Madam!“ Ich lasse mir pro forma den Preis für zwei
stattliche, hochglanzpolierte (in meinen Augen hässliche) Tiere
nennen, winke dann aber dankend ab – es wäre zu teuer – und
spaziere zu Heinz und seinen Masken hinüber. Auch Schneck plagt sich
mit überhöhten Preisen ab. Da komme ich gerade recht: als gestrenge
Gattin, die keine Geldverschwendung duldet. Voll des Mitgefühls für
den armen, unterdrückten Heinz, geht sein Händler gleich um zwanzig
Prozent runter, doch ich, der Zerberus, schüttle weiter hartnäckig
den Kopf. Mittlerweile ist mir jedoch mein Schnitzer mit seinen
Werken, die ich gar nicht haben will, gefolgt und macht ein erheblich
reduziertes Angebot. Ich tue, als geriete ich in Versuchung, doch
diesmal spielt Heinz die dominante Sparnase und lehnt empört ab.
Mein Verkäufer dreht enttäuscht um, wir folgen ihm, lassen Masken
und Szepter links liegen und ich zeige Schneck die Stücke, die ich
wirklich erwerben möchte. Sofort wird mir, meinen Blicken folgend,
ein Preis genannt, natürlich erneut viel zu teuer. Doch ich führe
jetzt einfach meine, im vorangegangenen Strategiespiel erworbenen
Argumente ins Feld: es könne doch nicht sein, dass die abgemagerte
Katze kaum weniger kosten würde als die eben angepriesene
Stattlich-Wohlgenährte und der Preis des roh geschnitzten,
hässlichen Dickhäuters beinahe dem des hochglanzpolierten hübschen
Exemplars entspräche. Nach kurzem Nachdenken muss sich mein
Souvenir-Dealer dieser überaus logischen Gedankenkette leider
ergeben und senkt den Preis deutlich. Noch ein bisschen Tauziehen,
ein bisschen Hin, ein wenig Her, und wir einigen uns auf einem höchst
akzeptablen Niveau. Ein besiegelnder Handschlag, der Deal ist
perfekt, wir grinsen und alle Beteiligten sind zufrieden. Alle –
bis auf Heinz und seinen Verkäufer. Doch Letzteren nehmen wir nun
nach dem selben Prinzip in die Zange und eine Viertelstunde später
ist auch er so weit: für einen Bruchteil der ursprünglich
geforderten Summe wechseln drei Schnitzwerke den Besitzer; niemand
fühlt sich über den Tisch gezogen, niemand übervorteilt oder gar
abgezockt. So soll es sein!
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Popo Morijo |
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Löwe mit Sphinx-Allüren |
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Klein Lurchi |
Herzlich
verabschieden wir uns nach den erfolgreichen Transaktionen von
unseren Andenken-Providern, stapeln die Beute beseelt lächelnd ins
Auto und fahren Richtung Süden, wo wir unser Lager, wie auch schon
am Beginn der Tour, in Monteiro aufschlagen. Dann machen wir uns
fein, soweit das mit den staubigen Miefeklamotten eben möglich ist,
klettern erneut in das leergeräumte Auto, um abermals zurück nach
Windhoek City zu düsen. Dort stellen wir den Wagen auf einem
bewachten Parkplatz in der Independence Ave ab und schlendern danach
gemütlich über die angrenzende Post Street Mall. Viel Zeit zum
Bummeln bleibt uns allerdings nicht, denn diesbezüglich ist Windhoek
ein Dorf, in dem die Bürgersteige früh
hochgeklappt werden und die Geschäfte ebenso zeitig schließen. Doch
es reicht noch, um ein paar vermeintlich stylishe Kleidungsstücke in
einem Modehaus anzuprobieren, die sich aber als seltsam geschnitten
und sehr unvorteilhaft erweisen. Es reicht sogar noch, um einige Souvenir-Etablissements abzuklappern, dann aber,
um 18 Uhr, ist Schicht im Schacht, alle Läden machen zu. So also
spazieren wir Richtung „The Gourmet“, der ehemaligen Kaiserkrone,
unserem Lieblings-Fresstempel, wo wir unser Abschiedsdinner
einzunehmen gedenken. Doch neben dem Eingang zum Restaurant bleiben
wir kleben – hier nämlich befindet sich ein Antiquariat und es hat
noch geöffnet. Herrlich! Ein winziger Laden, bis unter die Decke
vollgestopft mit unzähligen Büchern; Prosa, Poesie, Bildbände,
Fachliteratur über alle möglichen Themen, in allen möglichen
Sprachen – ein wahres Paradies! Und ein deutschsprachiger
Buchhändler steht uns obendrein mit Rat und Tat zur Seite. Klar,
dass sich unsere Essensaufnahme in diesem Falle hintenan stellen
muss. Nach einer vergnüglichen, sehr informativen Stunde jedoch,
möchte dann auch der Bücheronkel in seinen wohlverdienten
Feierabend gehen und komplimentiert uns freundlich, aber bestimmt
hinaus.
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Vor Windhoek |
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Der "China"-Zaun |
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Sprachgemisch |
Schwer
bepackt verlassen wir das göttliche Ladenlokal, um zehn Meter weiter
das Esslokal zu stürmen. Nach einem prüfenden Blick gen Himmel
lassen wir uns beruhigt auf der überdachten Terrasse des Gourmet
nieder – der letzte Abend sollte schon standesgemäß „open air“
zelebriert werden, meinen wir – und ordern aus dem reichhaltigen
Angebot ein paar mundwässernde Köstlichkeiten. Doch plötzlich, das
Straußencarpaccio steht noch nicht auf dem Tisch, umwehen uns
heftige Böen, das letzte Abendlicht weicht nachtfinsterer
Dunkelheit, keine zwei Minuten später sitzen wir alleine auf der
Terrasse und Sekunden danach bricht ein ohrenbetäubendes Gewitter
los. Holla die Waldfee! Die besorgte Bedienung, die gerade unsere
Vorspeisen servieren wollte, legt uns einen Sitzplatz im Inneren des
Restaurants ans Herz, doch als wir diesen verschmähen, bringt sie
uns zusätzlich zum Carpaccio eben noch vier Wolldecken, die uns vor
der unter das Vordach stiebenden Regengischt schützen und
gleichzeitig wärmen sollen – die Aussentemperatur nämlich ist
schlagartig rapide gesunken. Wie die armen Sünder in unsere Decken
eingemümmelt, genießen wir dennoch in vollen Zügen unser
exquisites Entrée; als die Hauptgerichte folgen, ist das Schlimmste
vorüber und wir können, mit locker übergeworfenen Plaids, die
Grillteller wohlig degouttieren, den Abend trocken und kuschelig
ausklingen lassen. Mit vollen Bäuchen, glücklich und zufrieden,
begleichen wir schließlich gegen 22 Uhr unsere Zeche, sausen durch
den immer noch strömenden Regen zum Parkplatz, entlohnen den
mittlerweile nur noch auf unseren Wagen aufpassenden Parkwächter und
machen uns auf den Weg nach Monteiro. Diese etwa fünfzehn Kilometer
sind in der Regel problemlos zu fahren, doch bei solchen
Witterungsverhältnissen kommt der sogenannte Defender-Faktor etwas
erschwerend hinzu – Lüftung, Scheibenwischer, all der
Schlechtwetter-Komfort ist bei diesem Fahrzeugtyp deutlich
unterentwickelt, sodass wir uns mehr schlecht als recht, mehr tastend
als sehend, mehr schwimmend als fahrend Richtung Auas-Berge bewegen,
mit immer noch beschlagenen Scheiben auf unseren abschüssigen
Stellplatz hinabmanövrieren und endlich dankbar und müde in unsere
(noch) trockenen Zelte sinken.
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