Kühl
und feucht ist es, als wir frühmorgens aus unseren Zelten krabbeln,
das Wetter bedeckt, die Pfanne wie ausgestorben. Irgendwie passt das
alles recht gut zu unserer momentanen Abschiedsstimmung – ein
Gefühl zwischen schmerzlicher Wehmut, nie zu stillender Sehnsucht
und einem Quäntchen der Erleichterung, dass die ewige Fahrerei nun
bald ein Ende haben wird. Bald, denn innerhalb der nächsten zwei
Tage müssen wir ja noch Windhoek erreichen – das sind rund 460
Kilometer, von denen zwar 70 Prozent geteert sind, aber dennoch…
Naja, auch das werden wir noch tapfer meistern! Zunächst aber
frühstücken wir rasch, packen unser klammes Equipment ins Auto,
säubern sorgfältig den Lagerplatz, dann erst nehmen wir die erste
Etappe Richtung Namibia in Angriff. Dazu müssen wir jedoch erst mal
wieder die elenden 18 Kilometer nach Ngwatle zurücklegen, was uns
verständlicherweise nicht sonderlich erfreut. Doch halt, vor vier
Jahren sind wir doch über eine Route weiter nördlich gekommen –
wir haben diese als weniger verbuscht und deutlich übersichtlicher
in Erinnerung und beschließen deshalb, es jetzt mal so herum zu
versuchen. Das erste Problem hierbei aber ist bereits, besagte
Ausfahrt aus der Masetleng Pan zu finden. Nach langem Gekurve endlich
entdecken wir etwas Fahrspurähnliches im hüfthohen Gras, biegen
vertrauensvoll ab und holpern, mehr schlecht als recht, durch die
regenschweren Halme. Dann jedoch gehen die Probleme richtig los: der
Weg verliert sich immer öfter im dichter werdenden Gebüsch,
mehrmals müssen wir riesige Erdlöcher umfahren, umgestürzte Bäume
versperren die ehemalige Pad. Schließlich sehen wir uns sogar
genötigt, das Fahrzeug zu verlassen und Jochen per pedes durch den
unübersichtlichen Irrgarten zu lotsen.
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Noch sieht man die Spur |
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Regen, Weg weg... |
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...gute Miene zum grasigen Spiel |
Und das macht wahrlich keinen
Spaß, denn mittlerweile nieselt es wieder, der Sand klebt schwer an
unseren Schuhen, vollgesogene Ähren klatschen gegen unsere
Oberschenkel, wir sind über und über mit Spelzen bedeckt, fedrige
Pergularia-Samen kleben auf der Haut, Ranken haften an unseren Beinen
und wir kommen nur im Zeitlupentempo voran. Jochen befindet sich am
Rande seiner Contenance – uns geht es nicht besser. Als wir nach
zirka zwei Kilometern des Durch-den-Busch-Tastens plötzlich vor
einem unüberwindlichen, meterbreiten Loch stehen, verlässt uns der
Optimismus, die Geduld folgt ihrem flüchtenden Kollegen auf dem Fuße
und völlig entnervt geben wir auf. Nichts wie zurück! Vorsichtig,
mit respektvollem Abstand zum Monsterloch, wendet Jochen den Wagen,
wir klettern wieder an Bord und eiern die ganze Strecke retour. Nur
gut, dass unsere Spuren noch einwandfrei zu erkennen sind. Endlich
erreichen wir erneut unseren Ausgangspunkt an der Pfanne und sind
total frustriert – erst recht, als wir einen Blick auf die Uhr
werfen: dieses fruchtlose Abenteuer hat uns mehr als zwei Stunden
gekostet! Verdammt! Und weitere zwei Stunden liegen nun vor uns, um
wenigstens wieder auf den Hauptweg zu kommen. Heilig’s Blechle, ist
das eine zähe Angelegenheit. Immerhin lässt sich unsere
Anfahrtsroute von gestern, mit viel Phantasie, gerade noch so
erahnen, sodass wir nicht abermals durch den Busch irren müssen.
Aufgrund dieser Tatsache können wir bereits nach unerwartet kurzen
eineinhalb Stunden, man glaubt es kaum, unsere Reifen auf die
Hauptpiste setzen. Nun aber nix wie weg von hier!
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Auf dem "Weg" aus der Pfanne |
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Pergularia daemia: Schote |
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Pergularia daemia: Samen |
Gut
durchgenudelt, aber auch schwer erleichtert, rattern wir nun auf der
recht angenehmen Pad dahin, halten kurz mal hier für eine
Schildkröte, mal da, um hinter einen Busch zu pinkeln, ansonsten
treibt es uns in erster Linie nur vorwärts, vorwärts, vorwärts.
Doch obwohl wir ziemlich zügig vorankommen, zieht sich die Strecke
bis zur Grenze wie Kaugummi. Die Landschaft ist verbuscht, das trübe
Licht, das durch die graue Wolkendecke sickert, schluckt alle Farben
– aber wenigstens regnet es nicht. Noch nicht. Gen Spätnachmittag
erreichen wir endlich die Grenze, verlassen Botswana, entern Namibia
und biegen 25 Kilometer weiter westlich, nach einem kleinen
Pfützenslalom auf der gut ausgebauten Teerstraße, rechts ab, um auf
der Gästefarm Zelda einzuschecken. Die Zufahrt dorthin ist ein
einziges Lachenmeer, der Parkplatz vor der Rezeption gleicht einer
nacheiszeitlichen Seenplatte und wir werden, obwohl der Himmel gerade
dichthält, von einer Tropfenflut empfangen, die aus den im kalten
Wind schwankenden Laubbäumen auf uns herniederprasselt. Bah, ist das
ungemütlich! Fröstelnd melden wir uns an, erfahren, dass seit
Januar bereits 1100 mm Wasser auf diese trockene Gegend herabgeregnet
sind – fast das Dreifache des üblichen Jahresdurchschnittes –
und bekommen zu allem Überfluss auch noch eine völlig ungeschützte
Campsite zugewiesen. Und das, obwohl der ganze Platz menschenleer
ist. Danke für die Gastfreundschaft!
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Öde Pad durch öden Busch |
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Nette Abwechslung! |
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Hier will keiner wohnen! |
Ziemlich
genervt kurven wir auf dem Camping-Areal umher, entdecken einen
lauschigen Gartenpavillon und beschließen kurzerhand, uns über die
Platz-„Empfehlung“ des Campmanagers hinwegzusetzen. Hier ist kein
Schwein, also dürfen wir uns ja wohl bitte hinstellen, wo wir
wollen! Gesagt, getan. Als unser Lager aufgebaut ist, sehen wir uns
ein wenig auf dem Gelände um und müssen feststellen, dass es sehr
wohl doch ein Schwein gibt: ein Stachelschwein. Die arme Sau wohnt,
ganz in unserer Nähe und sicherlich nicht freiwillig, in einem
eingezäunten Gehege. Dieses Inhaftierten-Schicksal teilt sich der
Großnager zudem mit zahlreichen weiteren zwei- und vierbeinigen
Leidensgenossen, unter anderem auch vier Geparden und einem
Leoparden. An der Fütterung der Raubkatzen darf der geneigte Gast
gerne täglich teilhaben, so besagt ein Schild vor den, unter Strom
stehenden, Zwangsrevieren. Mindestens ebenso gerne verzichten wir auf
diese Einladung, die uns doch, preisinklusive, endlich das Erlebnis
vermitteln würde, die afrikanische Tierwelt wahrhaftig und hautnah
kennenzulernen, statt nur schimpfend durch unbelebtes Buschland zu
holpern. Doch nein! Widerspenstig, wie wir sind, ignorieren wir diese
touristische Pseudo-Natur-Offerte und geben uns stattdessen lieber
der Vorbereitung unseres Abendessens hin. Wir sitzen noch nicht lange
in unserem heimeligen Pavillon, als auch unser Widerborst bezüglich
der Platzwahl fürstlich belohnt wird: es beginnt wie aus Kannen zu
regnen…
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Heinz freut sich über Schildi |
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Oh mei, oh mei! |
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Die arme Sau |
Doch
wir sind ja fein raus, hocken im Trockenen und können so unser
Dinner unverwässert genießen. Nach dem Abwasch, den heute prima der
Himmel für uns hätte erledigen können, beschließen wir – als
wäre es noch nicht genug des Wassers – das Waschhaus aufzusuchen
und uns eine Dusche zu gönnen. Rasch huschen wir, mit
Hygiene-Artikeln bewaffnet, durch den Regen und delektieren uns am
warmen Nass, das uns den Staub und Schweiß der vergangenen Tage von
der Haut spült. Weniger erbaulich hingegen ist das Sanitärgebäude
selbst: es ist zwar zweckmäßig und sauber, hat aber eher den Charme
eines Schlachthauses, das mit merkwürdig altbackenen, deplatzierten
Accessoires wie Häkeldeckchen, Kunstblumen und rosa Badeteppichen
dekoriert ist. In großzügigem Radius umrunde ich die grauenhaften
pinken Fußpilzmatten und hülle mich dann, gut abgetrocknet und
duftend, erneut in meine nicht minder ekligen Müffelklamotten.
Herrschaft, wie gerne würde ich jetzt etwas Frisches anziehen!
Leider aber ist nichts Sauberes mehr übrig; lediglich eine Tüte mit
der Heimflugmontur schlummert noch in den Tiefen meiner Reisetasche –
die jedoch werde ich erst überwerfen, bevor wir zum Flughafen
fahren. Schnell noch was waschen, das wäre eine Option, dann hätte
ich wenigstens für morgen was Sauberes. Tja, doch in Anbetracht der
herrschenden Wetterverhältnisse ist das wohl ein wenig
erfolgversprechendes Vorhaben. Seufzend füge ich mich meinem
olfaktorischen Schicksal und spurte, drunter hui, drüber pfui,
zurück zum schützenden Pavillon, wo ich mein Handy hervorkrame, um
meine Mama anzurufen. Die nämlich hat heute Geburtstag. Und sie ist
sofort am Telefon, weiß ganz genau, wo wir uns gerade befinden (ich
hatte meinen Eltern vor dem Urlaub einen Tourplan nebst Landkarte
übergeben) und freut sich sehr, dass ich an ihrem Ehrentag Netz habe
und durchklingeln konnte. Auch ich freue mich tierisch, ihre Stimme
zu hören, zu erfahren, dass zuhause alles gut ist, alle wohlauf sind
und sich keine Katastrophen ereignet haben. Im Gegenteil: bei unserem
kurzen Gratulations-Ratsch kommen wir natürlich auch aufs Wetter zu
sprechen – und das ist in Deutschland definitiv besser als hier.
Verheissungsvolle Aussichten, die uns die Abreise nochmal ein
Stückchen leichter machen! Herzlich drücke ich meine Mama, verbal,
durchs Telefon hindurch und verspreche ihr, auch die letzten
Kilometer und den Flug noch heil zu überstehen, um sie in drei Tagen
persönlich drücken zu können. Dann schalte ich meinen
Kommunikationsknochen wieder aus, kappe die Verbindung zur
frühlingshaften Heimat und wende mich erneut der regnerischen
Realität zu. Frisch geduscht, aber etwas unbehaglich sitzen wir alle
unter dem Dach unseres Pavillons, hätten uns eigentlich gerne noch
einen gemütlichen Abend gemacht, doch es ist so feucht und kühl,
dass wir bald in unsere trockenen Zelte schlüpfen und stattdessen
dort diesen ermüdenden Tag ausklingen lassen.
Dieser Tag hatte doch noch ein paar weitere Impressionen:
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Gut, dass wir ein schnelleres
Gefährt haben! |
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Sicher auch nicht besser da...
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Leeres Versprechen
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Netter Wohnort |
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Die Entscheidung fällt "schwer" |
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Wir nähern uns der Grenze |
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Der Baum ist scho schee! |
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Zelda in der Regenpause |
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Betthupferl |
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Schwammerl in
Afrika – Hilfe! |
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