Mitten
in der Nacht schrecke ich hoch. Es ist zwar stockfinster und ich kann
nichts sehen, dafür aber spüren – und irgendetwas ist soeben über
meinen Hals gesaust, unter meiner Schulter verschwunden und verharrt
dort nun regungslos. Mist, das fühlte sich an wie ein leichtfüßiges
Krabbeltier, genau so, wie der Skolopender, der mich vor Jahren in
Indien gebissen und mir ein brennendes, schmerzendes Andenken
verschafft hatte. Oh, nein, mein Freund, wer auch immer du bist, so
etwas brauche ich nicht nochmal! Supervorsichtig taste ich gerade
nach der Taschenlampe, um dem Untier bei Licht einen Riegel
vorschieben zu können, als erneut etwas über meine Haut läuft,
exakt auf dem selben Weg wie das vorige Chitin-Phantom. Herrschaft,
jetzt bin ich aber reingefallen! Vor Erleichterung muss ich beinahe
laut loslachen, denn mein schlafumnebeltes Hirn realisiert plötzlich,
dass es sich bei den vermeintlichen Insekten lediglich um harmlose,
aber munter rinnende Schweißtropfen handelt. Na, dann kann ich mich
ja beruhigt umdrehen und weiterschlafen. Wenn ich nur könnte… Die
90-Grad-Wende erfordert richtig Kraft, außerdem scheuert es überall.
Unwillig taste ich über meinen Körper, die Therm-A-Rest, das
Kopfkissen und stelle fest, dass ich nicht nur patschnass bin,
sondern auch in einer sandigen Pfütze liege – es fühlt sich an,
als wäre ich ein sandhäutiger, schneckenklebriger Hai, der soeben
in einer Sauna angelandet ist. Aber nein, ich bin nur ein
schweißgebadetes Menschlein, das sich bei ungefähr 35 Grad auf
einer sandig-nassen Matratze zu drehen versucht, und, so sagt mir ein
Blick auf meine hilfreich leuchtende Armbanduhr, noch vier Stunden
bis Sonnenaufgang dort zu verharren hat. Nein, ohne mich! Leise öffne
ich den Reißverschluss des Zelteingangs, krabble nach draussen und
atme – in Erwartung einer frischen Brise – tief durch. Doch
denkste! Auch außerhalb des Zelts regt sich kein Lüftchen, feuchte
Hitze brütet hier wie da, ich fühle mich verdreckt, pappig und
zudem ziemlich unwohl. Missmutig beschließe ich, dieses abartige
Klima, das einem erholsamen Schlaf alles andere als zuträglich ist,
dann aber doch lieber im Liegen als im Stehen zu ertragen und
klettere zurück in unsere Schwitzhütte. Und kaum habe ich mich in
meinem scheuernden Schweißsee einigermaßen bequem zurechtgerückt,
bin ich auch schon wieder eingeschlafen. Vier Stunden später erwache
ich erneut: es dämmert, es ist bedeckt, es hat 22 Grad und ich fühle
mich plötzlich viel, viel besser.
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Vor dem Frühstück |
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De Hoop: Ausblick West |
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De Hoop: Ausblick Ost |
Habe
ich das Ganze denn nur geträumt? Nein, hab ich wohl nicht, denn
Heinz, Annette und Jochen, klebrig und sandig wie ich selbst, klagen
ebenfalls über eine recht unerquickliche Nacht. Die kühle
Morgentemperatur aber belebt uns alle und auch, wenn wir uns nicht
erklären können, warum es plötzlich so viel frischer ist, so
genießen wir diese Tatsache dennoch in vollen Zügen und ergehen uns
wohlgelaunt in Frühstückspräparationen. Kaum haben wir den Tisch
gedeckt, appetitlich getoastete Weißbrotscheiben auf den Tellern
verteilt und mit dem Verzehr des opulenten Morgenmahls begonnen,
erhalten wir Besuch. Die Frankolin-Familie von gestern Abend ist
zurück! Recht angelegentlich umrunden die Hühnchen unseren Tisch,
kümmern sich aber umso hingebungsvoller um jedes zu Boden gefallene
Krümelchen und lassen diese in ihren sorgfältig pickenden Schnäbeln
verschwinden. Plötzlich jedoch halten sie in ihrem Tun inne, schauen
etwas irritiert in die Runde, stieben auseinander und verschwinden
erregt gackernd in einem nahen Gebüsch. Was ist denn jetzt los? Ach
du liebe Güte, da hinten, direkt neben unserem Zelt, sind zwei
struppige Köter aufgetaucht. Mit zwischen den Hinterbeinen
eingeklemmten Ruten schleichen sie nervös, aber sichtlich hungrig
und gierig um unser Camp herum. Hallo? Wir sind doch in einem
Nationalpark, was zum Teufel haben da Hunde zu suchen? Na klar –
fällt es mir ein – das sind Hirtenhunde der im Park ansässigen
Nama. Dass hier Mensch und geschützte Natur Hand in Hand einträchtig
nebeneinander, ja, sogar voneinander leben, ist unter anderem dem
bereits erwähnten Hans-Dieter Ihlenfeldt zu verdanken. 1961 reiste
der Professor zum ersten Mal ins Richtersveld und kehrte fortan immer
wieder, denn dieser botanische Hot Spot zog ihn magisch an. Im Laufe
der Jahre aber sah er dieses Paradies zunehmend bedroht. Durch die
wachsende Anzahl der schaf- und ziegenhirtenden Nama und die immense
Vergrößerung ihrer Herden geriet die Vegetation schwer unter Druck
und schwand kontinuierlich. Ihlenfeldt alarmierte die zuständige
Naturschutzbehörde und drängte mit überzeugenden Argumenten zum
Schutz dieser einmaligen Region.
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Ein Versuch der Sonne |
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De Hoop |
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Federkleid eines Kapfrankolins |
Doch Behördenmühlen mahlen
langsam, was sich aber gerade in diesem speziellen Fall als äußerst
vorteilhaft erwies. Im Zuge andauernder Forschungsarbeiten nämlich
stellte der Professor fest, dass der natürliche Weidetierbesatz
(sprich Antilopen) mehr und mehr ausdünnte, je größer die Herden
der Nama wurden, gleichzeitig erkannte er jedoch auch, dass die hoch
spezialisierte Flora im Richtersveld von einem gewissen Weidedruck
abhängig ist. Da aber die weidenden Wildtiere auf Kosten der
domestizierten Graser fast verschwunden waren, erlangten nun die
Ziegen und Schafe eine neue, nie geahnte Bedeutung für den Erhalt
der einmaligen Vegetation des Richtersvelds. Doch, wie gesagt, die
Mühlen mahlten langsam. Nach langwierigen Verhandlungen, zähem
Ringen um die Bedingungen und heißen Diskussionen dann wurde im
Jahre 1991 ein großer Teil des Richtersvelds zum Nationalpark
erhoben – endlich und unter Berücksichtigung aller relevanten
Forschungsergebnisse. Die Nama und ihre Tiere durften bleiben,
selbstverständlich unter strengen Auflagen, was die Größe der
Herden anbelangte. Als Gegenleistung für diese Verdienstschmälerung
wurden sie ins Parkmanagement eingebunden und verdienten damit auch
am Tourismus. So war eine Lösung gefunden, von der Mensch, Tier und
Natur gleichermaßen profitierten; ein Naturschutzkonzept, das heute
gerne in dieser Form praktiziert wird, damals aber absolut
ungewöhnlich und völlig neu war.
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Angefressene Sisyndite-Blüte |
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Nicotiana glauca |
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Sisyndite spartea, Samenstand |
So,
da nun das Rätsel um die streunenden Hunde gelöst und unser
Frühstück beendet ist, können wir beruhigt und gestärkt in einen
spannenden Tag starten. Heinz ist ohnehin schon ganz hibbelig, denn,
so schön das Camp De Hoop auch gelegen ist, so sehr lässt dessen
Vegetation zu wünschen übrig. Bis auf ein paar sparrige Büsche
wächst hier nichts, was von botanischem Interesse wäre. Voller
Vorfreude machen wir uns deshalb nun auf, weitere Gebiete des
Richtersvelds in aller Ausführlichkeit und Ruhe zu erkunden.
Zunächst schrauben wir uns vom Flussufer über einen recht engen,
felsigen Pfad nach oben – Hummer-Passage haben wir diesen
Streckenabschnitt gestern Abend getauft, denn für ein Fahrzeug
dieser Marke stehen die Felsbrocken rechts und links der Pad
definitiv zu nahe beisammen. Für unseren Landy mit Jochen am Steuer
allerdings ist das kein Problem und so erreichen wir bald darauf,
eine Etage höher, eine weite Ebene, auf der besenartige Büsche mit
wunderschönen gelben Blüten wachsen. Naja, was halt von den Blüten
noch übrig ist, denn sie scheinen sehr beliebte Käferkost zu sein.
An jeder Knospe, an jeder Blume, hängt mindestens eines dieser
gefräßigen Insekten und mampft voller Hingabe. Dennoch haben es
zahlreiche Blüten bis zur Samenreife geschafft – davon zeugen eine
Menge hübscher, sehr flauschiger Samenstände, die uns,
charakteristisch wie sie sind, eine Identifizierung der Pflanze sehr
einfach machen. Sisyndite spartea, Desert Broom, aus der Familie der
Zygophyllaceae, erklärt uns das Pflanzenbuch, das Heinz in
Swakopmund erstanden hat. Und auch eine zweite, sehr augenfällige
Pflanze, die hier in trauter Nachbarschaft mit den Sisyndites
gedeiht, ist rasch bestimmt: sie hat lange, schlauchförmige, gelbe
Blüten, verhältnismäßig große, sattgrüne Blätter und wird von
den verfressenen Käfern in keinster Weise beachtet. Aber klar, es
handelt sich hierbei ja um ein Tabakgewächs, genauer gesagt eine
Nicotiana glauca (übrigens auch ein Neophyt aus Südamerika), deren
alkaloide Inhaltsstoffe die Insekten wahrscheinlich vergiften würden
– oder vielleicht auch nur nicht schmecken.
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Oryx auf der Flucht |
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Ruhende Agame |
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Stipagrostis obtusa |
Mann,
macht das Spaß! Mit guter Bestimmungsliteratur, viel Zeit im Gepäck
und scharfen, interessierten Augen lässt sich dieser wildarme
Nationalpark wirklich mit allen Sinnen auf das Schönste erleben.
Doch dass ich nicht lüge! Kaum nämlich sitzen wir wieder im Auto
und fahren um die nächste Kurve, prescht plötzlich eine stattliche
Oryx vor uns davon. Kurz darauf entdecken wir sogar noch zwei
zauselige Klippspringer in den steilen Felsen hoch über der Fahrspur
und noch ein wenig später tauchen wir in ein kleines Trockenflusstal
ab, das über und über mit Kötteln übersät ist. Von wegen hier
gibt es keine Tiere! Nun ja gut, die Köttelproduzenten lassen sich
zwar bedauerlicherweise nicht blicken (es könnten auch Ziegen
gewesen sein), dafür aber präsentiert sich uns eine kleine
Stachelagame – leider nur ganz kurz, bevor sie in einem
unordentlichen Gestrüpp an der steilen Böschung abtaucht. Doch der
recht unscheinbare Zufluchtsort des kleinen Reptils trägt
hochinteressante Früchte!
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Cucumis rigidus |
Und diese mehr als faustgroßen, grünen
Stachelmelonen gehören zu einem Kürbisgewächs namens Cucumis
rigidus, vielleicht besser bekannt als Stachelgurke – oder
vielleicht auch nicht, denn diese Pflanze kommt nur in den Gestaden
des Oranje-Tals vor und ist deshalb wenig erforscht. Doch das
rankende Gürkchen hat nahe Verwandte, die der Wissenschaft in vielen
Details bekannt sind und so vielleicht Rückschlüsse auf die
Bedeutung der Cucumis zulassen. Da ist zum Beispiel die Nara-Melone
(Acanthosicyos horridus), deren Früchte eine wichtige Rolle in der
Ernährung diverser Wüstenbewohner spielen, die sich durch den
Verzehr der ölhaltigen Samen Energie zuführen. Außerdem enthalten
die Naras einige lebenswichtige Mineralstoffe, eine gute Portion
Vitamin C, Proteine und bestehen zu etwa 90 Prozent aus Wasser; eine
nicht ganz unerhebliche Tatsache in der Wüste. Neben den Tieren
macht sich natürlich auch der Mensch den Nährstoff- und
Wassergehalt der Kürbisse zunutze, brät das in Scheiben
geschnittene, mehr oder weniger bittere Fruchtfleisch, verarbeitet
die gerösteten Samen zu Mehl oder isst die saftigen Kugelgurken als
Getränkeersatz. Doch der Mensch wäre keiner, hätte er nicht noch
mehr Nützlichkeiten der Kürbispflanze für seine Zwecke entdeckt:
sparsam und verantwortungsvoll eingesetzt, kann das in den Wurzeln
enthaltene Cucurbitacin für medizinische Zwecke verwendet werden, in
höherer Dosis hingegen findet es Verwendung als Pfeilgift, es sind
aber auch Fälle bekannt, in denen Menschen mit diesem cytotoxischen
Wirkstoff von wenig wohlmeinenden Artgenossen um die Ecke gebracht
wurden…
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Über Berg und Tal im Richtersveld |
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Die Klippspringer |
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Cyperus sp. |
Apropos
um die Ecke: hier sind die Dimensionen ja etwas großzügiger als bei
uns zuhause, nichts liegt mal eben so um die Ecke – und da wir
möglichst viel von dieser traumhaften Gegend sehen möchten, trennen
wir uns von dem trockenen Flusstal, um weiter zu kurven. Doch keine
fünf Minuten später bleiben wir erneut hängen: Euphorbien! Und
zwar ganz viele, dicht gedrängt in einem kleinen, engen Felstal.
Kakteenartige Virosas, geweihförmige Gariepinas und
verzweigte-errötende Gummiferas. Und kaum sind wir ausgestiegen,
entdecken wir weitere Floral-Kleinodien dieses sagenhaften
Botanik-Hot-Spots, die wir nur zum Teil bestimmen können, sie aber
voller Augen-Genuss in uns aufsaugen. Corallocarpus, Blepharis,
Aptosimum, Sarcocaulon, Lycium, Kissenia, Monechma, Acanthopsis,
etcetera. Es ist phantastisch, unglaublich, unfassbar, grandios, es
ist schlichtweg ohne Worte! Besonders Heinz und ich schweben in einem
Zustand seliger Entrückung – aus irgendwie den selben und doch
völlig unterschiedlichen Gründen. Heinz hat seit Jahrzehnten ein
ausgeprägtes Faible für exotische Pflanzen, speziell Sukkulenten,
beherbergt und pflegt Hunderte davon in seinem Haus und kennt seine
Schützlinge alle mit ihren wissenschaftlichen Namen. Er zieht neue
Pflanzen aus selbst gesammelten, aber auch gekauften Samen heran,
versorgt jeden noch so kümmerlichen Keimling voller Hingabe und
gerät über jeden neuen Trieb, jede neue Blüte in Verzückung. Für
ihn sind seine Pflanzen gleichbedeutend mit Ruhe und bescheren ihm
immer wieder kontemplative Momente.
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Heinz gibt Botanik-Unterricht |
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Tote Materie neben keimendem Leben |
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Verwittertes Holz |
Auch
ich bin lange Jahre schon fasziniert von sukkulenten Gewächsen, hege
eine besondere Leidenschaft für Caudexpflanzen, insbesondere aber
Pachypodien. Ihre bizarre Erscheinung spricht mich unwahrscheinlich
an: entweder sie haben einen dicken stacheligen Stamm (z. B.
Pachypodium namaquanum) und sehen eher aus wie Kakteen, wenn da der
üppige Blattschopf nicht wäre oder sie treiben aus knollig-holzigen
Knubbelgebilden, zu denen die saftig-grünen Blätter auf den ersten
Blick so gar nicht passen wollen. Ihr widersprüchliches Äußeres
ist in meinen Augen ungemein reizvoll und macht mir die Sukkulenten
aus unerklärlichen Gründen wahnsinnig sympathisch. Im Gegensatz zu
Heinz allerdings bin ich keine globale Exoten-Sammlerin, sondern
beschränke mich auf afrikanische Arten und meine Fensterbretter sind
daher sehr viel sparsamer bestückt als die seinigen. Auch wenn meine
Mama das ein bisschen anders sieht, wenn sie mal wieder
Urlaubs-Gießvertretung machen darf. Naja, gut, ein paar Crassulas
und Senecien habe ich wohl gerade unterschlagen…
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Graphische Details einer „virosa“ |
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Früchte der Euphorbia gummifera |
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Detail Sarcocaulon sp. |
Doch
wie auch immer wir zu unseren Pflanzen stehen, wie viele wir auch
haben oder eben nicht: solch eine Vielfalt und Pracht an ihrem, an
einem derartig grandiosen Naturstandort sehen zu können, macht Heinz
und mich gleichermaßen glücklich. Und, so pathetisch das auch
klingen mag: uns durchflutet eine unglaubliche Dankbarkeit, hier sein
zu können – was ja beileibe alles andere als eine
Selbstverständlichkeit ist. Mit diesem erhebenden Gefühl im Herzen
durchstreifen wir das traumhafte Tal, inspizieren alles ganz genau,
schlagen das Gesehene in unserem Pflanzenführer nach und
fotografieren eifrig – jeder auf seine eigene Art und Weise.
Während Heinz darauf achtet, die jeweilige Pflanze so abzulichten,
dass eine spätere Bestimmung möglichst detailgenau durchführbar
ist, haben es mir vorwiegend die Formen, Farben und grafisch
wirkenden Einzelheiten angetan. In manches Gewächs krieche ich
förmlich hinein, um möglichst nahe dran zu sein, um die schönste
Perspektive zu bekommen, was aber, gerade bei Euphorbien, nicht die
allerbeste Idee ist. Diese nämlich enthalten allesamt einen
Milchsaft, der, je nach Art der Euphorbie, hochgiftig sein kann.
Kommt man damit in Berührung, so kann das ernsthafte Konsequenzen
haben: von Hautreizungen über Verätzungen bis hin zu
vorübergehender Erblindung ist alles drin.
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War das die Milch-Attacke? |
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Zygophyllum patenticaule |
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Euphorbia gummifera
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„Schneck, wie schaust’n
du aus?“, meint Heinz plötzlich und sieht mich entsetzt an.
Hoppala, da hab ich mich in meinem Fotoeifer doch tatsächlich so
weit in eine der Wolfsmilchsukkulenten hineingebeugt, dass ich diese
verletzt und sie mich im Gegenzug über und über mit Milchsaft
bekleckert hat. Beide Unterarme und das T-Shirt sind voller weißer
Tropfen! Heinz zerrt mich zum Auto und kontrolliert mit Adleraugen
das Ergebnis meiner sofort vorgenommenen Waschung. Hier und da spült
und rubbelt er nochmal nach, ganz zufrieden allerdings ist er erst,
als ich auch das T-Shirt gewechselt habe – sicher ist sicher.
Übertrieben ist diese Gründlichkeit bestimmt nicht, wird doch in
manchen Regionen Afrikas der Milchsaft von einigen Euphorbien zum
Fischfang oder gar als Pfeilgift benutzt; und da ich nicht weiß, von
welchem der Wolfsmilchgewächse der Saft stammt, geschweige denn, wie
giftig das Zeug wirklich ist, kann man in der Tat nicht vorsichtig
genug sein.
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Blepharis furcata |
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Unbekannt |
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Amphibolia succulenta |
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Euphorbia gummifera |
Durch
Heinz’ Fürsorge den eventuell unangenehmen Folgen des
Milchsaft-Vollkontakts von der Schippe gesprungen, lasse ich meine
weiteren Aktionen etwas überlegter angehen, doch allzu lange bleiben
wir ohnehin nicht mehr hier, denn die Zeit ist schon wieder wie im
Fluge vergangen und es gibt noch so viel zu sehen. Nach über einer
Stunde botanischer Kurzweil brechen wir schließlich auf, fahren aus
dem Wolfsmilchtal hinaus, Richtung Osten, Richtung Tatasberg,
überqueren einige niedrige Höhenzüge und landen bald darauf erneut
in einem Tal. Es ist ziemlich weitläufig, landschaftlich recht
reizvoll und wird, sehr merkwürdig, auf ganzer Breite von einer
weißen Perlenschnur durchzogen. Beim Näherfahren entpuppt sich die
seltsame Kette dann allerdings als nicht enden wollender Strom von
Ziegen – hübsche weiße Tiere mit rotbraunen Köpfchen, eines nach
dem anderen. Das nenne ich mal Weidedruck pur! Staunend beobachten
wir die Riesenherde bei ihrer Wanderung quer durch die Senke, doch es
sind so viele Tiere, dass wir das Ende der Karawane nicht erwarten
können – und auch nicht wollen, es wartet ja schließlich noch der
nächste Aussichtspunkt auf uns und natürlich der ganze Weg zurück
nach De Hoop.
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Ein etwas feuchteres Tal |
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Die Ziegen-Perlenkette |
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Sarcocaulon sp. |
In aller Kürze verabschieden wir uns also von den
stoisch dahin trottenden Ziegen und holpern rasch weiter. Nach
einigen Kilometern dann erreichen wir unser angestrebtes Ziel am Fuße
einer mächtigen Granitkuppe. Vor uns tut sich nun ein Anblick auf,
der uns, ähnlich wie die Mondlandschaft im Swakoptal, fast den Atem
raubt: rote, von Wind und Wetter rund geschliffene Felsen rahmen den
natürlichen Balkon, von dem aus wir eine schier unendliche Sicht
hinab ins Oranje-Tal haben. Der Fluss selbst bleibt uns zwar
verborgen, der Himmel ist nach wie vor bedeckt, gerade aber das
Fehlen des grellen Sonnenlichts lässt die Szenerie besonders
eindrucksvoll, ja geradezu märchenhaft wirken. So märchenhaft, so
unwirklich, dass man erneut glauben könnte, es wäre das Werk eines
Landschaftsgärtners, das Meisterstück eines Kulissenmalers. Die
unterschiedlichen Rottöne des Granits, die beinahe organisch
anmutenden Felsbrocken aller Größen, die treppenartig fallende
Steinterrasse, bewachsen von allerlei Sukkulenten – all das liegt
wie ein kleiner Garten Eden vor dem Hintergrund wolkenverhangenen
Himmels und aufgefächerter, verschiedenfarbiger Bergketten in der
Ferne.
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Blick ins Oranjetal |
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Ein Ausblick ohnegleichen |
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Felstürmchen am Aussichtspunkt |
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Unser Fotoloch |
Wir
brauchen einige Zeit, uns aus unserer Ehrfurchts- und Genuss-Starre
zu lösen, dann aber beginnen wir neugierig, dieses Paradies zu
erkunden. Da ist zum Beispiel ein hinkelsteinförmiger Fels mit fast
mannshoher Höhlung, in die wir uns alle nacheinander hineinquetschen
und, wie die Kinder vor Freude kichernd, uns gegenseitig ablichten,
da weht eine frische Brise vom Tal herauf, die uns zu hollywoodreifen
Posen am Rande der titanischen Terrassenstufen verführt und es gibt
wieder viele Pflanzen zu entdecken. Unter anderem auch eine, die ich
bereits am Akkedis Pass gesehen habe und die mich schon dort in ihren
Bann zog: holzige braune Ästchen, wirr verstrüppt, anmutig geneigt
oder demütig in die vorherrschende Windrichtung gereckt, über und
über bewachsen von ovalen, direkt dem Ast entspringenden,
sukkulenten Miniblättchen, igelartig, seltsam, bizarr – das ist
die Ceraria namaquensis.
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Ceraria namaquensis |
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Ceraria namaquensis |
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Ceraria namaquensis |
In früheren Jahren führte das wundersame
Portulakgewächs einen recht unschönen afrikaansen Namen, nämlich
Hotnotsriem, Hottentottenriemen – ob die Weißen ihre
„Hottentotten“ mit den faserigen Ästen fesselten oder gar
schlugen, entzieht sich meiner Kenntnis – heute aber ist diese
diskriminierende Bezeichnung nicht mehr in Gebrauch; es heißt jetzt
recht wertfrei Wolftoon oder einfach Namaqua Porkbush. Klingt zwar
auch nicht gerade schmeichelnd und wird der hübschen Pflanze in
meinen Augen in keinster Weise gerecht, aber egal. Ich freue mich
einfach nur, hier zu sein, mit meinem Schneck, mit Annette und
Jochen, die die Zeit im Richtersveld ebenso genießen wie ich. Und
dieser heutige Tag ist, wie auch der gestrige schon, ein Geschenk,
wie man es selten erhält – kostbar und ziemlich einzigartig.
Gerührt und hingerissen klettere ich an diesem magischen Ort umher
und kann mich kaum trennen, als Annette zum Aufbruch bläst. Doch ein
Blick auf die Uhr gibt ihr recht: es ist bereits früher Nachmittag
und unser Weg zurück nach De Hoop ein langer.
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Codon royenii |
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Corallocarpus sp. |
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Euphorbia rhombifolia
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Commiphora cervifolia |
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Aptosimum spinosum |
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Euphorbia gariepina ssp. gariepina |
So
also machen wir uns wieder auf, fahren eine großzügige Schleife,
kreuzen erneut die Zufahrt zum Wolfsmilchtal, biegen in die
Sisyndite-Ebene ein (natürlich nicht ohne immer wieder anzuhalten)
und erreichen gegen 16 Uhr den Beginn der Hummer-Passage. Doch dieses
letzte Stück hinab zu unserem Camp wird von einem Wegelagerer
blockiert: eine knochige Kuh starrt uns gelangweilt an, weigert sich
beharrlich, den Weg freizugeben. Geduldig warten wir, bis sie sich
aus ihrem Phlegma löst und schließlich doch einen beherzten Satz
zur Seite macht, laut muhend und unter sich lassend. Nun steht
unserer Heimkehr nichts mehr im Wege, vorsichtig tasten wir uns die
letzten engen Meter durch die Felsen, freuen uns auf einen
gemütlichen Abend, erleben aber bei Ankunft eine böse Überraschung:
Annettes und Jochens Zelt, prominent platziert auf einer Sandbank
nahe des Ufers, steht nicht mehr. Auf der Seite liegend und leicht
derangiert entdecken wir es – 50 Meter weiter links, direkt am
Wasser. Gott sei Dank, es ist noch da! Aber was zum Teufel ist hier
geschehen?
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Mhmm? Mhmmuh! |
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Adenolobus gariepensis, Samenstand |
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Adenolobus gariepensis, Blüte |
Ach, ich erinnere mich, etwas gelesen zu haben, etwas über
die ganz speziellen Thermik-Verhältnisse am unteren Oranje. Die
immense Aufheizung der umliegenden Felsen, gepaart mit der relativen
Kühle des Flusswassers, erzeugt nachmittägliche Starkwinde, die,
kanalisiert durch das enge Tal, mit irren Geschwindigkeiten durch
diesen Kamin Richtung Südatlantik pfeifen. Ein paar hundert Meter
weiter oben haben wir zwar davon nicht das Geringste mitbekommen,
aber so wird es wohl gewesen sein. Was für ein Glück, dass das Zelt
dabei nicht im Wasser gelandet ist und bereits oranjeabwärts munter
auf den Wellen des Benguelastroms gen Kapstadt schippert. Erleichtert
eilen wir zum umgewehten Stoffiglu, um es gemeinsam zum
ursprünglichen Standort zurück zu tragen, aber das ist fast
unmöglich, denn es ist mit so viel Sand gefüllt, dass es kaum zu
lupfen ist. Doch wie kommt eine solche Menge Sand in ein
geschlossenes Zelt? Während Annette sich seufzend an die
Gewichtsreduzierung, sprich die grobe Grundreinigung ihrer Behausung
macht, schwant auch Heinz und mir Böses. Unser Zelt, ordentlich
verzurrt am Rande einer Böschung, steht wie ein Einser, aber wie mag
es im Inneren aussehen? Und, oh wei, tatsächlich! Zentimeterhoch
sind der Boden, unsere Schlafsäcke und Matten von puderzuckerfeinem
Sand bedeckt, den es durch den schweren, dicht gewebten Baumwollstoff
regelrecht hineingepresst haben muss. Na super! Schicksalsergeben
machen wir uns ans Entsanden, räumen alles raus, schaufeln, kehren,
klopfen, kehren abermals, räumen das gesäuberte Inventar wieder ein
und gruseln uns vor der Nacht. Die Höchsttemperaturen lagen heute
zwar bei erstaunlich niedrigen 26 Grad, was kühle Stunden des
Schlafes bedeuten könnte, doch sandig werden sie wohl dennoch sein –
es rieselt nämlich immer noch gewaltig, sobald man das Zelt berührt…
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Francolinus capensis |
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Streptopelia capicola |
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Streptopelia senegalensis |
Davon
jedoch wollen wir uns den Abend nicht verderben lassen und gönnen
uns, um den Sand hinunterzuspülen, erst Mal ein kühles Bier, bevor
wir mit den Vorbereitungen fürs Dinner beginnen. Einträchtig sitzen
wir dann beisammen und schnibbeln die Zutaten; unser Hantieren mit
Essbarem scheint sich allerdings in Windeseile herumgesprochen zu
haben, denn innerhalb von Minuten sind wir von zahlreichen
Interessenten umzingelt: als finden sich natürlich die Frankoline
ein, die uns bisher zu jeder Mahlzeit besucht haben. Es handelt sich
um Kapfrankoline, die, wie der Name ansatzweise schon andeutet,
eigentlich ausschließlich in der Kapprovinz vorkommen, vereinzelte
Bestände aber gibt es auch am unteren Oranje und wir fühlen uns
besonders geehrt, ein paar der versprengten Hühnervögel zu Gast zu
haben. Doch bald gesellen sich noch andere Federtiere zu der
illustren Runde.
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Charadrius tricollaris |
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Acrocephalus gracilirostris |
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Motacilla aguimp |
Eine wunderschöne Palmtaube mit schwarzen
Knopfaugen und zimtfarbener Brust, eine distinguierte Kapturteltaube
in gedecktem Grau und mit schwarzer Sichel im Nacken – beide Vögel
stapfen mit nickenden Köpfchen durch den Sand und picken eifrig.
Hinter uns, in einem Schilfbüschel, hüpft ein winziger
Kaprohrsänger umher, aus dem Gebüsch daneben werden wir von einer
schwarz-weißen Witwenstelze beäugt und auch der
Dreiband-Regenpfeifer, der vorhin noch in der Hummer-Passage zugange
war, nähert sich angelegentlich. Oh Mann, könnte man schöner in
den Abend eines ohnehin schon phantastischen Tages geleitet werden?
In vollen Zügen genießen wir diese umfassende Idylle, die auch noch
leise gluckernd vom friedlich strömenden Oranje untermalt wird.
Bevor sich die Dunkelheit herabsenkt, taucht die untergehende Sonne
Fluss und Berge ein letztes Mal in pittoreskes Licht, es ist angenehm
kühl, die Vögel suchen ihre Schlafplätze auf, die Geräusche der
Nacht erwachen kurz darauf – und unser Essen ist auch fertig.
Hungrig
machen wir uns über die mit Reis und Bobotie gefüllten Teller her –
schließlich hatten wir seit dem Frühstück dank des Dauer-Inputs
keine Zeit mehr, Futter aufzunehmen – doch schon wieder werden wir
dabei beobachtet: die zwei Hunde von heute Morgen sind zurück und
warten, mindestens ebenso hungrig wie wir, dass sie etwas abbekommen.
Na, dann wollen wir mal nicht so sein. Jochen kredenzt den beiden
struppigen, zaundürren Tieren die Reste unserer Mahlzeit, die sie
gierig und sich gegenseitig anknurrend verschlingen und daraufhin
lautlos in der Nacht verschwinden. Tja, und auch ich muss jetzt kurz
mal verschwinden – der Sundowner muss raus. Allerdings kann ich
mich, vollgefressen wie ich bin, nicht dazu aufraffen, den weiten Weg
bis zum Klohäuschen hochzugehen. So also trabe ich das kurze Stück
bis zu unserem Zelt die Böschung nach oben, suche mir ein
übersichtliches Plätzchen in der Nähe, leuchte die Umgebung ab und
lasse beruhigt die Hosen runter. Während nun das gute Castle Lager
laut plätschernd meine Blase verlässt, funzle ich gewohnheitsmäßig
weiter und blicke plötzlich, von meiner nunmehr hockenden Position
aus, in zwei sehr nahe, reflektierende Augen, ein geflecktes
Katzengesicht, auf eine feuchte schwarze Nase und einen langen,
geringelten Schwanz. Eine Ginsterkatze! Lange starren wir uns
gegenseitig wie gebannt und bewegungslos an. Ticktack, ticktack,
ticktack. Minuten schon ist mein Strahl versiegt, doch immer noch
verharre ich, wie die Katze auch. Wer gibt zuerst auf? Ticktack,
ticktack, ticktack. Natürlich bin ich das. Als nämlich die Mücken
meinen nackten Hintern aufs Übelste zu traktieren beginnen und meine
Beine einschlafen, ist Schluss mit lustig, Ginstermieze hin oder her.
Und schwupp, kaum habe ich mich bewegt, schon ist auch die Katze wie
der Blitz im Gebüsch untergetaucht.
Freudestrahlend
hüpfe die Böschung hinab und erzähle von meiner aufregenden
Begegnung. Mein Bericht gilt eigentlich hauptsächlich Heinz, denn
der hat noch nie einen dieser ringelig-fleckigen Gesellen gesehen und
ich möchte ihm so gerne einen zeigen – auch, wenn es vielleicht
nur ein huschender Schatten ist. Leise also schleichen wir beide uns
wieder hinauf, Richtung Zelt, und postieren uns, mit Taschenlampen
bewaffnet, vor dem Gebüsch. Und tatsächlich! Keine zwei Minuten
später lugt die Schleichkatze unter den Zweigen hervor. Und drei
Meter daneben noch eine, die sich sogar aus dem Schutz des Gestrüpps
herauswagt. Heinz und ich strahlen, doch lange dauert unser Freude
nicht, denn plötzlich stapfen Annette und Jochen recht geräuschvoll
die Böschung herauf. „Und, habt ihr was gesehen?“ Tja, schon,
aber nun sind sie natürlich wieder weg… „Da hinten, da hinten!“,
ruft Annette auf einmal erregt und deutet in die Dunkelheit. Jochen
knipst den Suchscheinwerfer an und eine wilde Jagd beginnt – jedoch
ohne Heinz und mich. Wir sehen uns nur ziemlich verwundert an und
schlendern zurück zum Tisch, von wo aus wir unsere hektisch
rennenden Freunde beobachten. Nach einer halben Stunde kommen die
beiden wieder, völlig aus dem Häuschen, obwohl sie keine der
Ginsterkatzen so richtig zu Gesicht bekommen haben. Als wir wenig
später zu Bett gehen, sprechen Heinz und ich nochmal über das doch
etwas merkwürdige Verhalten unserer Freunde und kommen grinsend zu
dem Schluss, dass die beiden wohl so etwas wie
Wild-Entzugserscheinungen haben müssen, wenn sie wegen einer
„windigen“ Ginsterkatze so ausflippen. Dabei hatten wir doch
gemeinsam eine Kleinteile- und Botaniktour beschlossen, deren
nächster Höhepunkt ja noch bevorsteht. Morgen, auf dem Weg nach
Potjiespram kommen wir nämlich wieder über den Akkedis Pass und
Heinz und ich haben schon einen längeren Erkundungs-Aufenthalt
angemeldet. Aber da müssen die beiden wohl durch. Und wir freuen uns
schon so…
Weitere Sichtungen und Eindrücke eines reichen Tages:
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Lycium hirsutum |
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Sisyndite spartea, Samenstand |
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Sisyndite spartea, Samenstand |
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Kissenia capensis |
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Indigofera (heterotricha/adenocarpa?) |
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Busch-Inspektion |
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Nolletia gariepina |
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Sisyndite spartea nebst Mitesser |
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Sisyndite spartea, intakte Blüte |
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Prenia sladeniana |
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Monechma mollissimum |
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Homo heinziensis, Euphorbia virosa |
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Auch ohne Pflanzen schön |
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Einfach traumhaft! |
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Größenunterschiede |
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Kletterpartie |
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Kunstwerk der Natur |
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Natürliche Skulptur |
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Euphorbiae virosa, gariepina |
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