Mittwoch, 23. Januar 2013

14. April, Kakamas > Kgalagadi Transfrontier Park, Rooiputs

Zivilisation hat so ihre Nachteile: kurz nach Sonnenaufgang weckt uns das gar liebliche Röhren des Motorboots und auch das wohltönende Spaß-Kreischen lässt nicht lange auf sich warten. Als vorteilhaft erweist sich hingegen der gepflegte Rasen, der unseren nackten Fußsohlen schmeichelt, ebenso wie das luxuriöse Sanitärgemach, das uns in einem der Bungalows zur Verfügung gestellt wurde. Damit jedoch erschöpfen sich die Pros und Contras, die uns ohnehin nur am Rande tangieren, denn heute geht es weiter in den Kgalagadi Transfrontier Park (KTP), wo uns schon das nächste Stück Wildnis erwartet – hoffentlich. Nach einem ausgiebigen Frühstück und einem völlig sandfreien Lagerabbau also springen wir voller Vorfreude ins Auto, checken aus, düsen raus auf die N14 und streben unserem nächsten Abenteuer in Wüstengefilden entgegen; diesmal ist es die Kalahari im Grenzgebiet zwischen Südafrika und Botswana, die wir erkunden wollen. Bevor wir uns jedoch dort für die erste Nacht auf botswanischem Staatsgebiet niederlassen dürfen, fernab aller Motorboote und kreischender Wasserskifahrer, liegt erneut einiges an Strecke vor uns. Nach knapp vierzig Kilometern allerdings erreichen wir schon Keimoes, ein kleines, freundliches Städtchen, in dem wir mal wieder unsere Vorräte auffüllen müssen. Das mag etwas verwundern, hatten wir doch erst gestern in Port Nolloth eingekauft, aber dieser abermalige Shop-Stopp hat seine Gründe. Erstens sind die Kühlkapazitäten im Auto begrenzt, weswegen wir Frischwaren immer möglichst spät einmarkten – 24 Stunden hin oder her können da zwischen Genuss und Verderb entscheiden – zweitens bekommt man nicht an jedem Ort all das, was auf der Liste steht und drittens habe ich morgen Geburtstag. Um diesen Tag gebührlich begehen zu können, wurde ich nach meinen kulinarischen Wünschen fürs Dinner befragt. Und die waren schnell formuliert: Wildfilet, vorzugsweise Eland oder Springbock, am Lagerfeuer gegrillt, dazu Bratkartoffeln und Tomatensalat, das Mahl eröffnet mit einem Sekt zum Anstoßen, akkompagniert von einem fruchtigen Rosé aus der Glasflasche – anstelle des sonstigen, schnöden Biers oder Kanisterrotweins. Gewünscht, besorgt. Alles außer des Wildfilets. So etwas gibt es hier nicht, zumindest nicht im Supermarkt, vor dem wir geparkt haben.

Doch an der nächsten Straßenkreuzung, gut einsehbar von unserem Standort aus, weist ein verheissungsvolles Schild nach rechts. Slaghuis steht da zu lesen, Metzgerei. Na, wenn das keine glückliche Fügung ist! Flugs entern wir das Auto und folgen der Beschilderung zum angekündigten Carnivorentempel, der sich aber bedauerlicherweise nur als recht mager sortierte Fleischerei erweist. Mager sortiert für deutsche Vorstellungen, da wir ja wurstwarentechnisch aus dem Vollen zu schöpfen gewöhnt sind. Für südafrikanische Verhältnisse hingegen ist dieser Laden wohl schon eher ein Etablissement der gehobeneren Art. Leider aber erhalten wir auch hier kein Wildfleisch, lediglich Lamm und Rind kann man uns offerieren. Und mir als zukünftigem Geburtstagskind obliegt nun die schwere Entscheidung. Schließlich, nachdem ich ein wenig in mich hineingehorcht habe, wähle ich ein makelloses Stück Rindfleisch, das ich vor meinem geistigen Auge schon als zart rosafarbenes Roastbeef vorüberschweben sehen kann. Mhmm! Während Annette, nach dem Erwerb meines Gustostückchens, noch etwas Hackfleisch und ein paar Boerewors-Schnecken für den Alltagsverzehr einschweißen lässt, richte ich mein Augenmerk zwischenzeitlich auf etwas anderes, ebenfalls Rosafarbenes: die Wurst in der Kühltheke. Nun bin ich ja ohnehin kein großer Wurstfan, aber was hier in der Auslage liegt, lässt mich regelrecht erschaudern. Die Produkte sind von einem einheitlichen Schweinchenrosa, es wirkt, als hätte der Metzger einen riesigen Bottich voller Brät mit pinker Speisefarbe versetzt und anschließend einen Teil der Masse in verschiedene Plastikdärme gepresst, den anderen Teil zu hautlosen, wienerähnlichen Gebilden geformt. All diesen wurstoiden Teilen jedoch ist eines gemein: die Speisefarbe scheint sich im Fleischteig nicht vollständig gelöst zu haben und diese resistenten Farbgranulate durchsetzen das Brät nun mit intensiv magentafarbenen, winzigen Pünktchen, die unter Bildung von mittelrosa Höfen in den umliegenden Teig ausbluten. Ein echt gewöhnungsbedürftiger Anblick! Dennoch gibt es etwas, was mich an zuhause erinnert. Eine Mama in Begleitung eines kleinen Jungen kauft ein, bezahlt, die Verkäuferin gibt Wechselgeld heraus und übereignet in diesem Zuge dem Knaben eines der hautlosen Würstchen. S’Madl mag scho a Wurscht, gell?! Mit derartigen Worten wurde ich als Kind von der Fleischereifachverkäuferin unseres Vertrauens beim wöchentlichen Einkauf immer mit Gelbwurstscheiben verwöhnt. Und der Bub beisst jetzt mit vergleichbarer Freude in sein rosa Würstel, gerade so, wie ich damals in meine Gelbwurst mit Petersilie. So schlecht kann das Wienerle also wohl doch nicht sein…

Nichtsdestotrotz bin ich recht dankbar, dass ich es nicht auf einen Versuch ankommen lassen muss, denn, nachdem Mutter und Kind den Laden verlassen haben, richtet die Thekenlady ihre Aufmerksamkeit nun auf mich, beglückt mich aber lediglich mit interessierten Fragen: woher wir denn kommen, wohin wir fahren, wie es uns gefällt. Aus dieser anfänglich recht oberflächlichen Konversation entspinnt sich bald ein wirklich nettes Gespräch, in dessen Verlauf ich einiges über Keimoes und seine Geschichte erfahre. Zudem bekomme ich endlich aus berufenem Munde erklärt, wie man den Namen des Städtchens korrekt ausspricht: „Keımʊəs“ – was ja fast bayrisch klingt. Endlich weiß ich das nun auch. Und das meine ich ernst! Denn im Jahre 1992 war ich schon mal hier und rätselte bereits damals, wie der Name wohl richtig prononciert werden mag. Somit hat sich mit dem heutigen Slaghuis-Besuch also nicht nur ein fulminantes Abendessen zu uns gesellt, sondern auch ein kleines, für mich interessantes Alltags-Rätsel gelöst. Herzlich verabschiede ich mich von meiner sympathischen Geschichts- und Sprachlehrerin und geselle mich zu meinen Reisegenossen, die auf dem Parkplatz bereits ungeduldig auf mich warten. „Barbara, welche Recherchen hast du denn wieder betrieben?“ „Ach, nur a bissi Geschichte, Heimat- und Sprachkunde, aber das Wichtigste konnte ich nicht in Erfahrung bringen – nämlich wie diese rosa Wurstpalette hergestellt wird. Das traute ich mich einfach nicht zu fragen…!“

Rustikales Hinweisschild
Weinstöcke überall
Reste des Hochwassers










Okay, so wichtig ist das nun auch wieder nicht, vor allen Dingen, weil der Kunstwurst-Kelch ja an uns vorüber gegangen ist, dem Heiligen Hubertus sei Dank. Voll aufproviantiert mit Leckereien mit und ohne Naturdarm, mit stillen und bizzelnden Rebensäften, frischem Brot und Gemüse, entern wir erneut unseren fahrbaren Untersatz und setzen den Weg Richtung KTP fort. Die dicht befahrene Straße führt zunächst durch kleine, gepflegte Siedlungen, zahlreiche Weinpflanzungen und andere landwirtschaftlich genutzte Gebiete, hinaus aus dem Dunstkreis Keimoes’, hinüber über den Oranje, dessen Hochwasser-Hinterlassenschaften immer noch in eindrucksvoller Menge in den Brückenverstrebungen hängen. Danach wird die Landschaft sichtbar karger, das Grün deutlich weniger, der Verkehr spärlicher. Jedoch nicht für lange, denn wir nähern uns der 50.000 Einwohner zählenden Nordkap-Metropole Upington, die uns mit rauchenden Schloten und schier unendlichen Gewerbegebieten empfängt. Das ist ein regelrechter Kulturschock ist das für uns, der auch nicht gemildert wird, als wir weiter in die Innenstadt vordringen. Unzählige Schilder, Ampeln, Menschen, Autos! Nach zwei Wochen der relativen Abgeschiedenheit fühlen wir uns hier fast wie Hillbillies, die man unversehens zur Rushhour nach New York gebeamt hat. Doch unsere Fähigkeiten, sich in der Zivilisation zu orientieren, sind noch vorhanden und so haben wir keine Probleme, den bedrohlichen Krakenarmen dieses „Großstadt-Molochs“ auf direktem Wege zu entrinnen. 

Man wird schier erschlagen
Schilderwald Upington
Gewerbegebiet Upington










Links ab auf die R360, erleichtertes Passieren der letzten Industriegebiete – und schon umfängt uns erneut ein weitestgehend menschen- und verkehrsarmes Gebiet. Die wellenartigen Sanddünen der Kalahari lassen unser Auto wie ein Achterbahn-Wägelchen auf und ab wandern – lediglich die Kurven fehlen – ansonsten aber ist das Gefühl schon recht ähnlich, wenn wir von einem Dünenkamm, knapp am Freiflug vorbei, ins nächste Tal hinuntersausen. Nach langer Wellenfahrt schließlich durchqueren wir eine Ebene mit Salzpfannen, das Jahrmarkt-Feeling macht kurz Pause, dann aber geht es wieder los. Rauf, runter, rauf, runter, huiiii! Irgendwann jedoch, trotz aller „Abwechslung“, verlangen unsere Mägen nach Ruhe, unsere Beine nach Bewegung, unsere Augen nach einer Unterbrechung des Aufs und Abs. So also halten wir an einem kleinen, überdachten und leider recht vermüllten Rastplatz, dessen Abfalltonne so überfüllt ist, dass alles, was nicht mehr reinpasste, nun recht malerisch die weitere Umgebung schmückt. Plastikflaschen, Aludosen, Glasscherben, Chipstüten, aber auch Klopapier und menschliche Fäkalien – olfaktorische Krönung des Ganzen ist schließlich der unvermeidliche Pissgeruch. Toll! Nur kurz vertreten wir uns hier die Füße, verständlicherweise, dann schaukeln wir rasch weiter. Auf, ab, auf, ab. Allmählich jedoch wird es flacher; nun kann es zum KTP nicht mehr weit sein.

Auf und ab in den Dünen
Salzgewinnung in der Pfanne
Es ist kurz mal eben...










Und tatsächlich erreichen wir bald darauf, so gegen halb vier, das Gate von Twee Rivieren, wo wir rasch die Grenz- und Parkformalitäten hinter uns bringen. Dann geht es weiter zur nächsten Station – dem Shop von Twee Rivieren Camp, in dem Heinz und ich nach neuer Bestimmungsliteratur sehen möchten. Ein kurzer Blick in die Bücherecke jedoch zeigt mir sofort, dass nichts im Sortiment ist, was für mich von Interesse wäre. Schade! Während Heinz noch weiter stöbert, schlendere ich inzwischen durch den Laden und bleibe plötzlich an einem Kleiderständer mit Kinderklamotten kleben. Gottle, sind das nette Sachen! Weit entfernt von jeglichen Rosa- und Blautönen, präsentiert sich mir eine Palette farbenfroher Strampler, Kleidchen, Shorts und Shirts, die allesamt von liebevoll applizierten, afrikanischen Tiermotiven geziert werden. Mensch, das wäre doch was für meine zukünftige Patentochter, zu deren Taufe im Juli ich die stolze Patin geben darf. Das Lieblingstier der Mama des kleinen Täuflings, meiner besten Freundin, ist die Giraffe – und da meine Patentochter in ihrem zarten Alter natürlich noch keine eigenen Tiervorlieben entwickelt hat, richte ich mich deshalb nach Muttis Präferenzen und werde glatt fündig. Ein herziges Kleidchen in Safaribeige mit orangen Rüschen und aufgenähtem Langhals putzigsten Gesichtsausdrucks nebst grünem Shirt und Mützchen weckt meine Begeisterung, die noch steigt, als ich das Etikett lese: hergestellt in Südafrika mit südafrikanischer Baumwolle, Fair Trade, faire Löhne und Verzicht auf chemische Behandlung der Stoffe. Sagenhaft – wie gemacht für die Kleine, ihre giraffenaffine Mama und zudem auch noch das perfekte Mitbringsel einer afrikaverrückten, baldigen Patentante! Beglückt erstehe ich das Ensemble, während Heinz, nicht weniger beglückt, zwei neue Bestimmungsbücher zur Kasse trägt.

Twee Rivieren Gate
Mützchen und a bissi Kleid
Tele-Oryxe










Dieser kurze Einkaufsbummel war also ein Erfolg auf ganzer Linie. Aber nun ist Schluss mit Shoppen und Zivilisation, denn wir wollen endlich wieder in die Wildnis und die Stille der Wüste genießen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn der Hauptweg des KTP, säuberlich eingefräst in die Sohle des Nossob-Tals, ist quasi ein touristischer Highway, auf dem sich allerlei Fahrzeuge tummeln. Und noch einen Nachteil hat diese ungeteerte Straße: sie liegt tiefer als das umliegende Gelände und wird zudem von bisweilen hüfthohen Sandwällen gesäumt. Schon zur Trockenzeit, wenn hier kaum Gras wächst, ist das extrem hinderlich bei der Wildbeobachtung. Jetzt aber, nach den vorausgegangenen Regenfällen, steht das Gras meterhoch und trotz unseres relativ hochbeinigen Autos sehen wir streckenweise nichts als Gras. An höher liegenden Abschnitten gelingt es uns zumindest hin und wieder, einen Blick auf riesige Oryxherden und ungewöhnlich große Straußenscharen zu erhaschen. Dank des flachen Geländes aber beschränkt sich unsere Sicht jedoch hauptsächlich auf die oberen Körperhälften der Tiere, sprich das Gehörn, die Köpfe und Hälse, bestenfalls noch den Widerrist beziehungsweise Rücken. Kleinere Vierbeiner hingegen, wie zum Beispiel Springböcke oder Gnus, bekommen wir gar nicht zu Gesicht, denn diese Kurzhälse sind einfach zu zwergig, um das hohe Gewoge zu überragen – zumal aus unserer Maulwurfposition heraus. Doch die Natur erbarmt sich unser und schickt uns für einen kurzen Moment eine große Schildkröte, die zwar deutlich sichtbar die Fahrbahn überquert, gleich darauf aber eiligen Schrittes erneut in der grasigen Straßenböschung verschwindet.

Schildkröte
Gras, Gras, Gras! Das macht echt keinen Spaß. Um dieser frustrierenden Situation zu entkommen, ergreifen wir alle Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen. Ad eins biegen wir auf den nächstbesten Nebenweg ab, der zwar ziemlich uneben und löcherig ist, aber immerhin nicht tiefer liegt, als das angrenzende Gelände. Ad zwei, und damit erschöpfen sich unsere Möglichkeiten auch schon, ziehen wir einen Joker aus dem Ärmel: Annette und Jochen hatten vor kurzem das Dach ihres Land Rovers öffnen und eine Safariluke einbauen lassen. Diesen Luxusaussichtspunkt weihen wir jetzt feierlich ein, nehmen das Textilverdeck ab und stellen uns erwartungsfroh auf unsere Sitze. Ja, so kann man wirklich gut sehen und weit über die Grasebene blicken. Solange das Auto steht… Kaum aber setzt es sich auf der Rumpelpiste in Bewegung, offenbaren sich zwei kleine, konstruktionsbedingte Schwachstellen, die etwas schmerzhafte Konsequenzen haben. Zur Erklärung: es wurden zwei große, rechteckige Löcher in das Dach geschnitten, die sich ausdehnungstechnisch über Vordersitze und Rückbank erstrecken. Diese Öffnungen dichtete der afrikanische Handwerker im Wageninneren mit kunstlederbezogenen Schaumstoffstreifen ab und montierte jeweils vier, auf Gehrung geschnittene, mit Druckknopfösen versehene Aluschienen auf der Dachoberseite. So weit, so gut. Allerdings ist das Ergebnis nicht ganz zufriedenstellend, zumindest nicht nach deutschen Präzisionsmaßstäben. Sägegrate wurden nicht abgefeilt, die Gehrungen passen nicht ganz exakt und die Schienen wurden nicht gepolstert. Und das ist eine harte Angelegenheit auf dieser Schaukelpiste. Wir klammern uns also an den kantigen Schienen fest und holen uns das ein oder andere Hämatom an Unterbrust und Armen. Das jedoch ist nicht so schlimm; mehr Sorgen bereiten mir die scharfkantigen Gehrungen, an denen ich mehrmals mit dem Unterarm entlangschrappe. Um diese Ecken risikotechnisch etwas zu entschärfen, bastle ich kurzerhand Schutzüberzieher aus Karton – dann erst kann ich die neue Safariluke in vollen Zügen genießen, und sie ist wirklich toll. Wir holpern durch die Landschaft abseits der Hauptpiste und sehen nun auch endlich wieder „ganze“ Tiere. Sogar so kleine wie Borstenhörnchen, die aufgeregt mit ihren buschigen Schwänzen schlagen, sich gegenseitig knabbernd liebkosen und ganz nebenbei an der Vergrößerung ihrer Eingangslöcher arbeiten, vorzugsweise mitten auf der Fahrspur. Unter einem Baum rupft ein zierlicher Greifvogel seine gerade geschlagene Beute, Springböcke gummiballen durch die Gegend, Strauße nehmen genüssliche Sandbäder und die dargebotene Realität schiebt sich peu à peu, Sichtung für Sichtung, deckungsgleich über unsere hohen Erwartungen.

Ganze Oryxe!
Ferner Straußenharem
Parotomys brantsii










Gegen 18 Uhr dann, die Dämmerung setzt bereits ein, erreichen wir Rooiputs, unser heutiges Nachtlager. Das Camp mit sechs ausgewiesenen Sites erstreckt sich über die Südwestseite eines kleinen Hügels und auf jedem Platz thront man auf ganz eigene Art und Weise über dem Geschehen der darunter liegenden Ebene. Letztes Mal hatten wir eine Site, die ziemlich weit unten lag und trotzdem war die Sicht wunderbar. Heute hingegen sind wir ganz oben, der Ausblick ist gigantisch, wir sind allein auf weiter Flur und fühlen uns so richtig angekommen in dem Teil des KTP, den wir so lieben. Doch halt, ganz alleine sind wir nicht: unser Platz nämlich ist die Heimat zahlreicher Pfeifratten, die sich jetzt, nach einer kurzen Gewöhnungsphase an uns Eindringlinge, wieder neugierig aus ihren Löchern trauen. Dennoch sind sie recht scheu und tauchen sofort unter, wenn sie die Aufmerksamkeit, sprich eine Kamera, auf sich gerichtet sehen. Trotzdem gelingen mir ein paar Fotos von den putzigen Nagern, gerade noch rechtzeitig, bevor sich einer meiner größten Geburtstagswünsche vorzeitig erfüllt: das Konzert der Bellgeckos beginnt! Das ist ein akustisches Ereignis, auf das ich mich unendlich gefreut hatte, aber nicht sicher sein konnte, es tatsächlich wieder erleben zu dürfen. Ein wirklich magischer Moment: die letzten Strahlen der Sonne küssen die grasbewachsenen Hügelspitzen der Umgebung, die Geräuschkulisse des Tages verstummt allmählich, ein erstes „Hehehehe“ ertönt, wird beantwortet und plötzlich erschallt ein kichernder Chor – aus Millionen winziger Geckokehlen. Rasch lege ich meine Kamera beiseite, setze mich auf die betonierte Kante unseres Schattendachs und lausche hingebungsvoll. Heinz gesellt sich zu mir, legt den Arm um mich, wohl wissend, was dieses Wunschkonzert für mich bedeutet, und wir genießen es gemeinsam. Nach einer unvergesslichen, zeitlosen Weile hält die Dunkelheit Einzug, der Geckogesang wird langsam dünner, das lachende Gezirpe vereinzelt sich allmählich, verebbt schließlich fast ganz.

Güldenes Licht
Sagenhafter Ausblick
"Unser" Schattendach











Wir lösen uns aus unserer Verzauberung, bauen unser Zelt auf und gehen anschließend Annette und Jochen zur Hand, die schon eifrig am Feuermachen und Rühren sind. Teig? Gibt es denn heute Pfannkuchen? Nein! Jochen rührt Teig, und zwar für einen Kuchen, meinen Geburtstagskuchen, der später im Lagerfeuer gebacken werden soll. Was für eine nette Idee! Hoch erfreut und gerührt übernehme ich mit Heinz die Zubereitung des Dinners, das heute aus Folienkartoffeln und deftiger Grillwurst besteht. Gemütlich quatschen wir uns nach dem Essen in die Nacht, sind jedoch lange vor Mitternacht in unseren Schlafsäcken – um in meinen Geburtstag hineinzufeiern, dazu sind wir einfach viel zu müde…


Weitere Impressionen des Tages:

Deutscher Unigruß
Wir kommen der Wildnis näher
Straßenbild Upington

Opfer der gestrigen Kollision

Zaungast am Rastplatz

Wanze auf Müll


Freundlich kuckt der Mond


Rooiputs Campsite











Dienstag, 22. Januar 2013

13. April, Richtersveld Nationalpark, Potjiespram > Kakamas, Lake Grappa

Das Aufwachen fällt schwer, wenn man von dicht belaubten Baumkronen vor den heißen Strahlen der Morgensonne geschützt wird. Aber es hilft nichts, wir müssen raus, denn heute liegt ein langer Fahrtag vor uns. Raus aus dem Richtersveld, hinaus aus einer einzigartigen Zauberwelt der Sukkulenten, hinüber nach Osten, Richtung Kgalagadi Transfrontier Park. Mal sehen, wie weit wir kommen. Zunächst aber steht Frühstück auf dem Plan – wir geben uns zumindest redlich Mühe, die erste Mahlzeit des Tages gebührlich zu zelebrieren, scheitern aber kläglich an der Vielfalt des uns umgebenden Lebens. Die flachstehende Sonne wirft ein unbeschreibliches Licht auf das bunte, glänzende, metallisch schillernde Gefieder zahlreicher Vögel. Brillenvögel, Kaprötel, Rotaugenbülbüls, sie alle sind wunderschön, am meisten jedoch haben es uns die scheuen Nektarvögel angetan. Mit Toast, Tee und Kamera bewaffnet, stehen Heinz und ich ewig im Gebüsch und lauern den fliegenden Edelsteinen auf. Zurück am Tisch, wird unser Interesse von seltsamen Käfern geweckt, deren Körper über und über mit Sand paniert sind. Und der überaus anhängliche Camphund, den unsere Aufbruchsstimmung in mittelschwere Kuschelpanik versetzt, fordert zusätzlich seinen Tribut. Begleitet von den anrührenden Freundschaftsattacken des verzweifelten Tiers, brechen wir unser Lager ab, verabschieden uns vom Oranje und hinterlassen schließlich einen sauberen Stellplatz und – schweren Herzens – einen unglücklich winselnden Hund, der unserem abfahrenden Auto mit traurigen Augen hinterhersieht. Ein letzter Stopp, ein letzter Blick gilt noch den Bergen auf der anderen Seite des Oranje, die sich uns in nahezu überirdischem Licht greifbar kontrastreich präsentieren, dann machen wir uns wehmütig auf den Weg.

Ich will nix mehr sehen...
Der verschmuste Camphund
Site in Potjiespram











Sandkäfer (Eurychora)
Am Oranje entlang
Letzter Blick auf den Oranje










Sendelingsdrif, Hellskloof Gate, Alexander Bay. Wir schwitzen, es ist unglaublich heiß, doch zirka drei Kilometer, bevor wir die Küste erreichen, hüllt uns plötzlich dichter Nebel ein und senkt die Außentemperatur erheblich. Diese Nebelbänke, die so undurchdringlich kompakt werden können, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sieht, sind ein typisches Phänomen der rauen Atlantikküste Namibias. Auf der einen Seite ist da der eisige Benguela-Strom, dessen nach Süden ziehende Wassermassen in flacheren Gewässerzonen selten mal 14 Grad erreichen, auf der anderen Seite das karge, nackte baum- und graslose Festland, das sich tagsüber auf bis zu 60, 70 Grad aufheizt. Diese Temperaturunterschiede sind Hauptursache des Nebels, der in den kühleren Nachtstunden entsteht. Tagsüber ist die Sonne so stark, so gnadenlos, dass das verdunstende Wasser mehr oder weniger unsichtbar in der Hitze wegschlägt. Ab den frühen Abendstunden aber verringert sich die Kraft der Sonne, sie verschwindet, das Land kühlt ab, ist jedoch immer noch warm genug, um die feucht-kalte Luft über dem Benguela-Strom zum Kondensieren zu bringen. Durch südwestliche Winde begünstigt, bilden sich nun Nebelbänke am Küstensaum, die sich erst wieder auflösen, wenn der Planet heiß genug herableuchtet. Bei bedecktem Himmel können die Schwaden aber auch mal den ganzen Tag bleiben. Heute jedoch haben wir Glück – auf halbem Weg nach Port Nolloth klären die ersten Strahlen unsere Fernsicht und das Küstenkaff präsentiert sich uns wenig später freundlich-sonnig und fast einladend bunt.

Landschaft im Richtersveld
Küstennebel
Bei Alexander Bay











Abschieds-Springbock
Meer bei Port Nolloth
Karg, aber farbig!










Trotzdem umschmeichelt uns weiterhin ein kühler Wind, als wir unser Auto vor einem Supermarkt abstellen, um dort unsere schwindenden Vorräte erneut aufzufüllen. Annette hechtet sofort mit gezückter Einkaufsliste in den gemäßigt großen Shop, Heinz, der mittlerweile eine weitere Vorliebe entdeckt hat – nämlich die für afrikanische Läden – saust hinterher, Jochen hingegen bleibt im Auto und sieht etwas auf der Karte nach. Und ich würde hier, bei vollem Netzempfang, gerne mal wieder meine Eltern kontaktieren, krame deshalb gerade mein Handy hervor, um es betriebsbereit zu machen, als mich eine lallend-blecherne Stimme aus meinem Tun reißt. Ein zahnloser Schwarzer, der vor dem Supermarkt herumlungerte, vermeint in Jochen eine passende Melkkuh gefunden zu haben und labert ihn nun voll. Jochen, gutmütig und höflich, wie er ist, redet seinerseits begütigend, aber dennoch abwehrend auf den bettelnden Mann ein, der aber lässt sich nicht abwimmeln. Mir wird der Geräuschpegel im Zuge dieses Hin und Hers deutlich zu hoch, um ein ungestörtes Gespräch mit meinen Eltern führen zu können, so also verlasse ich den Wagen, lehne mich gemütlich ans Heck und will soeben die Nummer wählen, als in der Parklücke neben uns ein voll bepackter Geländewagen vorfährt. Die Fahrertür öffnet sich, ein recht rustikal aussehender Mann steigt aus, stürmt winkend auf mich zu und schwallt mich voll – auf Afrikaans. „So wie euer Auto aussieht, kommt ihr doch sicher aus dem Richtersveld, oder? Dann wisst ihr auch bestimmt, ob die Fähre immer noch kaputt ist. Ich bin nämlich Geschäftsmann und habe öfter in Namibia zu tun. Und da fahre ich meist über Sendelingsdrif, weil das kürzer ist. Aber das geht ja nun schon seit Wochen nicht mehr, weshalb ich immer außen herum den Umweg…“. Es folgt noch seine halbe Lebensgeschichte, dann hält er inne und sieht mich erwartungsvoll an. Ich habe zwar fast jedes Wort verstanden, mein Sprech-Afrikaans jedoch ist recht rudimentär, sodass ich es vorziehe, auf Englisch zu antworten – natürlich nach einer höflichen Nachfrage, ob er das verstehen könne. Heftiges Nicken. Also schildere ich ihm die Sachlage und teile ihm meine Einschätzung mit. Erneut heftiges Nicken, ein überschwänglicher Dank, er holt Luft – und ich muss mir die ganze Story, inklusive der Lebensgeschichte, abermals anhören; diesmal, der Abwechslung wegen, auf Englisch. „Okay, dann weiß ich jetzt Bescheid, vielen Dank nochmal und gute Reise weiterhin!“, beendet er schließlich den Monolog, winkt, steigt in sein Auto, flitzt von dannen und lässt mich einigermaßen geplättet zurück. Kopfschüttelnd wähle ich nun endlich die Nummer meiner Eltern, um sie an meinen letzten Erlebnissen teilhaben und ihnen aus dem tiefen Afrika ein Lebenszeichen ihrer verrückten Tochter zukommen zu lassen. Es tut richtig gut und ist so schön, mal wieder ihre Stimmen zu hören! Weniger schön allerdings ist die Info, dass es bei uns zuhause gerade schneit. Brrr! Im Moment kann ich mir das zwar kaum vorstellen, doch diese Nachricht, kombiniert mit der frischen Brise in Port Nolloth, lassen mich ein wenig frösteln. Mit deutlicher Gänsehaut beende ich das heimatliche Gespräch; gerade rechtzeitig, um unseren Power-Shoppern behilflich zu sein, die frischen Vorräte im Auto zu verstauen. Der Schwarze, der Jochen nach wie vor labernd an der Backe hängt, würde uns ebenfalls gerne zur Hand gehen. Als er aber feststellt, dass nichts Lohnendes für ihn abfällt (Kekse und Brot will er nicht), streicht er endlich die Segel.

Port Nolloth
Port Nolloth
Wie schön war es doch...!











Und sobald alles gestapelt ist, tun wir Selbiges und verlassen dieses seltsame Küstenkaff, machen uns auf den Weg in östliche Richtung. Erneut ziehen das flache Sandveld, das raue Hardeveld an uns vorbei, ein weiteres Mal schlängeln wir uns den Anenous Pass nach oben, passieren im Hinunterfahren eine Straßenbaustelle, die es vor drei Tagen noch nicht gab, und laufen schließlich abermals in Steinkopf ein. Und würde Annette nicht schon seit Kilometern mit einer übervollen Blase kämpfen, wären wir hier einfach durchgerauscht, nun aber sind wir dringend auf der Suche nach einer Toilette. An der örtlichen Tankstelle werden wir fündig. Während Annette nun flinker Beine die Bedürfnisanstalt stürmt, vertreten wir uns die Füße und sehen uns um. Holla die Waldfee, das ist ja eine richtige, wenn auch kleine Mall hier! Tanke, Fastfood und Getränkemarkt auf einem Fleck. Der Alkoholika-Laden allerdings trägt eine merkwürdige, handgepinselte Aufschrift auf seiner Fassade: Bottel Stoor steht da in großen Lettern geschrieben. Mhm? Hat sich hier nur ein orthografieschwacher Schildermaler verewigt, soll das ein bestimmtes Markenzeichen sein oder ist das schlichtweg Steinkopfer Dialekt? 

Baustelle rechts
Baustelle links
Wir müssen rechts










Bevor wir die tieferen Geheimnisse dieser Aufschrift lüften können – korrekterweise sollte sie Drankwinkel oder Bottle Store lauten – kehrt Annette erleichterter Miene vom Klo zurück. Und da dieser Ort in seiner tristen Gesamtheit so einladend nicht ist und wir weiter nichts zu erledigen haben, klettern wir schnell wieder ins Auto. Jetzt ist Kilometerfressen angesagt. Den staubigsten, heißesten Teil unserer Tagesstrecke haben wir ja schon hinter uns gebracht, aber er war wenigstens landschaftlich ansprechend und abwechslungsreich. Was nun jedoch vor uns liegt, kann man getrost als öde und ermüdend bezeichnen. Einziges Highlight, relativer Art, ist, nach etwa 50 Kilometern, die Stadt Springbok, die mit gut zehntausend Einwohnern zwar nicht zu den Metropolen dieser Welt zählt, aber hier, im dünn besiedelten Nordosten Südafrikas, schon zu den Großstädten gehört. Keine Kunst, wenn da sonst nichts ist… Gut, sie ist Hauptstadt des Namaqualands und der Wildblumen, für uns aber nicht mehr als ein weiteres Kaff, das es schnellstmöglich zu verlassen gilt. Wir folgen der vorbildlichen Beschilderung, verlassen die N7 und biegen, an einer belebten, aber übersichtlichen Kreuzung, auf die N14 Richtung Osten ab.

Bottel Stoor?
Springbok City
Blick auf Springbok











Ein unendliches, fast schnurgerades Teerband liegt nun vor uns. Die Straße ist in einwandfreiem Zustand, der spärliche Verkehr gibt keinerlei Anlass zum Meckern, wir kommen rasch voran, aber es ist eben todlangweilig. Hin und wieder macht der Highway zwar eine leicht Kurve nach rechts oder links, mal sind die Berge, die an uns vorüber flitzen, etwas niedriger, manchmal etwas höher, die Töne der Landschaft wechseln von rotgrau über graugelb nach fahlocker und zurück zu gedeckt-blassem Rostrot. Doch diese sehr subtilen Veränderungen sind nicht wirklich in der Lage, uns von unserem Ödnis-Hocker zu reissen. Heinz macht ein langes Nickerchen, Annette starrt aus dem Fenster, Jochen fährt konzentriert und ich plage mich mit dem Gedanken, mein Geografiebuch aus dem Rucksack zu holen, kann mich jedoch bei bestem Willen nicht dazu aufraffen. Ganz plötzlich jedoch werden wir aus unserer Zwangslähmung gerissen: mit dumpfen, aber vernehmlichen „Plöcks“ treffen, wie aus dem Nichts, unzählige kleine, mittelharte Gegenstände auf unser Auto, zerschellen an den Scheiben und hinterlassen schmierige, gelbgrüne Flecken. Ab und zu bleibt kurz ein bedorntes Bein oder ein transparenter Flügel in einem der unappetitlichen Kleckse hängen, bevor er vom Fahrtwind wieder weggerissen wird. Gerade als wir realisieren, dass wir soeben mit einem Heuschreckenschwarm kollidiert sind, ist das Spektakel auch schon wieder vorüber. Außer schleimigem Schlonz auf Blech und Fenstern bleibt nichts – aber wenigstens sind wir nun wieder wach.

Geradeaus ist langweilig!
Nach der Schrecken-Kollision
Mei, Landschaft halt...











Und das ist gut, denn ein Blick aus unseren verschmierten Scheiben zeigt uns, dass es ohnehin Zeit wird, mal wieder in Aktion zu treten. Die Sonne steht nämlich schon recht tief und wir sollten uns allmählich nach einer Übernachtungsmöglichkeit umsehen. Bald darauf passieren wir ein Schild, das unseren leicht rammdösigen Orientierungssinn auf aktuelle Koordinaten setzt: 30 Kilometer noch bis Kakamas, 55 Kilometer bis zum Augrabies Falls Nationalpark. Aha! Nun stellt sich uns die Frage, ob wir heute noch bis zum Nationalpark fahren sollen; richtig weit ist es ja nicht mehr. Aber nein, das ist blanker Unsinn: Eintritt zahlen, einchecken, ganz in der Nähe dieser beeindruckenden Wasserfälle übernachten, ohne morgen Zeit zu haben, den sehenswerten Park zu erkunden. Das lohnt sich in keinster Weise. So also hoffen wir auf einen Campingplatz direkt in Kakamas, das wir kurz darauf erreichen. Die N14 führt rechterhand an dem kleinen Städtchen vorbei – hier sieht es allerdings nicht nach geeigneten Nachtquartieren aus – aber erfahrungsgemäß gibt es vor den Toren der meisten Nationalparks genügend Herbergen der einen oder anderen Art. Darauf setzen nun auch wir, folgen der Beschilderung Richtung Augrabies Falls und schaukeln eine Weile durch hübsche Wohngebiete, die von flachen Weinbergen umgeben sind. Ferienbungalows, Bed&Breakfast-Pensionen, Hotels, alles gibt es hier, nur keinen Campingplatz! 

Schild der Hoffnung
Der Abend naht bald
Noch abendlicher











Als wir uns schon fast damit abgefunden haben, doch im Nationalpark nächtigen zu müssen, taucht plötzlich ein verheißungsvolles Schild am Straßenrand auf. Lake Grappa, Guest House and Ski School, steht da geschrieben, darunter ein paar Symbole: B+B, ein Häuschen, eine Bootsrampe, ein Motorrad und – juhu – ganz links und offenbar erst vor kurzem dazu gepinselt, ein Zelt! Das ist’s doch, was wir suchen! Erleichtert verlassen wir mit quietschenden Reifen die geteerte R64 und biegen links auf eine Schotterstraße ab, die uns innerhalb kürzester Zeit zum ersehnten Ziel bringt – einem Eingangstor nebst dazugehörigem Rezeptionsgebäude. Und diesmal haben wir auf Anhieb Glück; kein Kochwettbewerb, kein überbuchtes Ressort steht unseren Bleibewünschen im Wege. Zwar würde uns Lady Grappa lieber in einem ihrer Bungalows unterbringen, weil es angeblich irgend ein Problem mit dem Waschhaus des Campingareals gibt, als wir aber auf unseren Zelten beharren, bekommen wir die Erlaubnis, sie aufzubauen, wo immer wir wollen. Auch das Dusch- und Kloproblem wird kurzerhand aus der Welt geschafft, indem man verspricht, ein Chalet für uns zu öffnen, dessen Badezimmer wir dann ausnahmsweise benutzen dürften. Das nenne ich Service! Wir bedanken uns herzlich, verlassen die Rezeption und machen uns auf die Suche nach einem geeigneten Stellplatz, den wir auch schnell finden. Am Ufer eines langgezogenen, künstlichen Sees prangt ein üppiger Rasenstreifen – Stromanschlüsse signalisieren einzelne Campsites – wir fahren, typischerweise, ans hinterste Ende und lassen uns dort nieder. Zwar schießt auf dem See ein (recht nerviges) Motorboot hin und her, hat (noch nervigere) kreischende Jungs auf Wasserskiern im Schlepptau, Flutlicht erhellt das ganze Gelände, sonst aber ist das Ressort ganz annehmbar, das Ambiente recht idyllisch. Zumindest für die eine Nacht. Während wir allerdings rasch noch unser Lager errichten und ein schnelles Abendessen zubereiten, erlischt das Flutlicht, das Motorboot verstummt, ebenso die Jungs, es wird still und wir sind froh, den langen, anstrengenden Fahrtag ohne uns umgebenden Trubel ausklingen lassen zu können. 


Weitere Impressionen des Tages: